Klima der Gerechtigkeit im Austausch mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Mein Blogbeitrag „Deutsche Industrie mobilisiert gegen Energiewende und Klimarahmenkonvention“ vom 5. Juni 2015, in dem mich mich auch mit einem aktuellen Vorschlag des IW Köln auseinandersetze, hat bei den Autoren des Papiers, Thilo Schaefer und Hubertus Bardt, Widerspruch hervorgerufen. Freundlicherweise haben sie mir erlaubt, unseren Emailverkehr hierzu vollständig im Blog wiederzugeben:

IW Köln (5. Juni 2015):

Sehr geehrte Frau Fuhr,

mit Interesse haben wir Ihren kritischen Blog-Beitrag zu unserem Policy Paper gelesen. Da wir an einer inhaltlichen Auseinandersetzung sehr interessiert sind, freuen wir uns über Ihre Reaktion. Den von Ihnen in dem Text erhobenen Vorwurf der Lüge hingegen weisen wir jedoch zurück. Derartige Diskreditierungen sollten weder die wissenschaftliche noch die politisch-öffentliche Diskussion prägen.

Die Motivation unseres Papiers ist die Sorge, dass es in Paris nicht zu einem globalen Klimaabkommen kommt und dass alle europäischen Anstrengungen in globaler Perspektive ohne eine angemessene Beteiligung der anderen wichtigen Emittenten nicht ausreichen. Der Vorschlag eines Abkommens, dem zumindest die wichtigsten Länder bzw. Ländergruppen umfasst, ist keine Ablehnung einer weiter gefassten Vereinbarung (wenn sie denn zustande kommt), sondern eine Mindestanforderung an die Unterstützung eines neuen Abkommens. Schon im Kyoto-Abkommen war ja ein Mindestanteil der eingebundenen Emissionen definiert. Auch die Frage des Orts der jeweiligen Emission bzw. Emissionsminderung greift Elemente des Kyoto-Abkommens auf, insbesondere den internationalen Emissionshandel. Auch damit wird die Verpflichtung zum Klimaschutzbeitrag der eingebundenen Länder getrennt von dem konkreten Ort der Emission. Wichtig ist dabei natürlich die konkrete Ausgestaltung (die aber nicht Teil des Policy Papers ist) der Instrumente, um nicht Emissionen in Drittländer zu verlagern, Emissionsbegrenzungen auszuhebeln und damit die Wirkung der Klimaziele zu unterminieren.

Die bedeutende Herausforderung des globalen Klimaschutzes und der möglichen Abkommen beinhaltet eine Reihe von diskussionswürdigen Fragen: vom Maßstab für die Verteilung von Reduktionsverpflichtungen über die konkreten Regeln für internationale Instrumente innerhalb der Emissionsobergrenzen bis hin zur Kooperation mit Entwicklungsländern außerhalb eines verpflichtenden Regimes. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Gerne treten wir in diese Diskussion auch mit Ihnen ein. Dem Diskurs zuträglich wäre sicherlich, wenn wir diesen Dialog so wertschätzend führen könnten, wie wir das auch in der Vergangenheit mit der Heinrich-Böll-Stiftung tun konnten.

Mit freundlichen Grüßen

Thilo Schaefer

Meine Antwort vom 8. Juni 2015:

Sehr geehrter Herr Schäfer,

herzliche Dank für Ihre Nachricht. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihren Kommentar auch öffentlich als Kommentar auf meinem Blog einstellen würden. Dann könnten wir die inhaltliche Auseinandersetzung auch dort führen.

Ich will ihn trotzdem auch hier schon kurz antworten: Als Unwahrheiten in Ihrem Gutachten würde ich die folgenden Punkte bezeichnen:

– Sie schreiben: „Anfang Dezember wird die internationale Klimakonferenz in Paris erneut darüber beraten, wie die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius begrenzt werden kann. Um den Ausstoß von Treibhausgasen entsprechend zu minimieren [Hervorhebung stammt von mir], schlägt das IW Köln eine Lastenverteilung zwischen den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern vor.“ Das impliziert, dass Sie davon ausgehen, dass wir mit Ihren Vorschlag die Zweigradgrenze halten können. Das ist nicht denkbar, wenn in den Industrie- und großen Schwellenländern keine Entscheidung fällt, den Verbrauch fossiler Energien zügig aufzugeben. Das hat inzwischen auch die IEA anerkannt.

– Sie schreiben: „Trotz jährlicher Konferenzen und laufender Verhandlungen ist es im vergangenen Vierteljahrhundert nicht gelungen, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken. Insbesondere die Schwellenländer haben genau das Gegenteil getan.“ Wahr ist: Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben entsprechend ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel und ihrer wirtschaftlichen Fähigkeiten heute (beides übrigens Grundprinzipien der Klimarahmenkonvention) deutlich mehr getan als die Industrieländer. Quelle hierzu: http://climateactiontracker.org/countries.html

– Sie schreiben: „Dadurch, dass die Reduktionsverpflichtungen nicht allein im eigenen Land realisiert werden müssen, sondern ein Mehr an Emissionen im Inland durch beispielsweise Zukäufe am internationalen Emissionshandel ausgeglichen werden können, stellt eine weitere Reduktionsverpflichtung kein unüberwindliches Wachstumshemmnis dar.“ und „Der internationale Emissionshandel, mit dem Emissionsobergrenzen entsprechend der Effizienz der Reduktionspotenziale gegen Zahlungen umverteilt werden können, so dass sich die Verteilung der Emissionen, nicht aber die Verteilung der Lasten ändert, ist hierfür der richtige Ansatzpunkt.“ Leider verschweigen Sie zum einen, dass es derzeit keinen effektiv funktionierenden internationalen Emissionshandel gibt (der EU ETS versagt ja auf ganzer Linie), und zum anderen, dass es eben doch einen Unterschied macht, ob eine Tonne CO2 aus Kohleverstromung (z.B. in der EU) durch eine Tonne CO2 aus „vermiedener Entwaldung“ (beispielsweise in Lateinamerika) ausgeglichen wird. Die Problematik dieser Rechnung ist ebenso wissenschaftlich fundiert widerlegt wie die problematischen Auswirkungen der entsprechenden Landnutzungsänderungen durch Instrumente wie REDD+ (für das es übrigens auch keine belegten positiven Beispiele gibt).

– Sie sagen: „Ohne einen solchen Mechanismus wäre auch die vorgeschlagene Lastverteilung keine angemessene Abbildung der wirtschaftlichen Kraft der einzelnen Länder. Würden nur rein nationale Maßnahmen zur Zielerreichung berücksichtigt, würde zum einen insgesamt mehr Aufwand betrieben werden müssen, um das kleine Klimaschutzziel zu erreichen. Zum anderen müssten bei der Ermittlung des Verteilungsschlüssels auch die jeweiligen nationalen Vermeidungskosten mit berücksichtigt werden, so dass die tatsächlichen Kosten adäquat zu den Wohlstandsniveaus verteilt werden könnten. Ohne flexible Instrumente wie den internationalen Emissionshandel müssten die Schwellenländer mit ihren niedrigeren Vermeidungskosten einen größeren Anteil an den Reduktionsverpflichtungen tragen, als hier vorgeschlagen.“ Wenn es denn irgendeinen gerechten Verteilungssschlüssel zur „Lastenteilung“ im Klimaschutz geben sollte, so müsste der eine Umsetzung der CBDR-RC Prinzipien darstellen. Darin sind nicht die Vermeidungskosten berücksichtigt. Außerdem ist zur Erfüllung von Klimafinanzierungspflichten kein internationaler Emissionshandel notwendig. Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben (laut UNFCCC und damit völkerrechtlich verbindlich“) ein Anrecht auf Klimafinanzierung. Und die Industrieländer haben die Pflicht, Klimaschutz zu Hause zu betreiben – und das bedeutet in erster Linie ein Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger. Daran kommen wir leider nicht vorbei. Das ist die unbequeme Wahrheit für die deutsche Industrie.

Mit freundlichen Grüßen,

Lili Fuhr

IW Köln am 9. Juni 2015:

Sehr geehrte Frau Fuhr,

vielen Dank für Ihre Email und Ihre intensive Beschäftigung mit unserem Papier. Gerne antworten wir Ihnen gemeinsam als Autoren. Das Papier war gedacht als konstruktiver Diskussionsbeitrag für eine zukünftige Lastverteilung, teilweise in Anlehnung an die Regeln des Kyoto-Abkommens. Dass wir Sie im Diskurs bisher nicht überzeugen, ist bedauerlich, muss aber von uns hingenommen werden. Dass Sie uns weiterhin der Unwahrheit bezichtigen, können wir allerdings nicht akzeptieren.

Lassen Sie uns Ihre einzelnen Punkte kurz kommentieren:

  • Wir schlagen vor, dass die Industrieländer in erheblichem Umfang Verantwortung für Emissionsreduktionen übernehmen und auch in den Schwellenländern eine drastische Verlangsamung des bisherigen Emissionstrends stattfinden. Auch für die Gesamtheit der Länder bedeutet das einen deutlichen Rückgang der Emissionen in den nächsten Jahren. Dies mögen Sie für nicht ausreichend halten, es ist aber gemessen an den bisherigen Entwicklungen ein anspruchsvolles Ziel. Dass die Ziele für die genannten Länder bis 2030 nicht allein für das globale Ziel bis 2100 ausreichen, ist offenkundig und wird von uns auch nicht behauptet. Offenkundig ist auch, dass die Klimaziele nicht mit einer Fortschreibung der bisherigen internationalen Trends der Energieversorgungstrukturen erreicht werden können. Ihr Vorwurf, wir würden dies ignorieren, geht ins Leere.
  • Sie kritisieren als angebliche Unwahrheit die Passage, die globalen Emissionen seien über die letzten Jahrzehnte nicht gesenkt worden, in den Schwellenländern sei sogar das Gegenteil passiert. Das ist nicht stimmig, und von den Fakten nicht gedeckt. Die globalen Emissionen sind gestiegen wie die Emissionen der Entwicklungsländer gestiegen sind. Ihr Argument, die Schwellenländer hätten gemessen an historischen Emissionen bereits viel getan, basiert auf einer bestimmten Annahme über angemessene Reduktionsverpflichtungen, wiederlegt aber in keiner Weise die von uns an der zitierten Stelle vorgenommene Beschreibung der tatsächlichen absoluten Emissionsentwicklung.
  • Sie kritisieren unser Plädoyer für die Nutzung flexibler Instrumente, insbesondere eines internationalen Emissionshandels. Ihr Argument ist dabei ein heute fehlender internationaler Handel. Da wir einen Vorschlag machen, kann ein heutiger Mangel des Systems aber keine Widerlegung des Vorschlags sein. Zudem beschreiben Sie mögliche negative Auswirkungen bestimmter Formen von anerkannten Projekten, insbesondere bei der Berücksichtigung von vermiedenen Entwaldungen. Natürlich gibt es z.B. bei der Anerkennung von Minderungen aus Projekten, die an fiktiven Referenzentwicklungen gemessen werden, erhebliche Probleme und Risiken. Dies ist bei der Setzung von Grenzen und notwendigen Regeln zu berücksichtigen. Ein Emissionshandel, der absolute Emissionen umfasst, kann diese Risiken zumindest teilweise vermeiden. Die konkrete Ausgestaltung war aber ebenso wenig Inhalt unseres Papiers wie die Einbeziehung von Wäldern. Ihr Vorwurf basiert auf einer Überinterpretation unserer Überlegungen und fokussiert auf Aspekte, die nicht Teil des Papiers sind. Sie könnten anregen, dass wir diese sich anschließenden Fragen weiter berücksichtigen sollten – von einer Unwahrheit oder gar Lüge kann hingegen keine Rede sein.
  • Sie verweisen darauf, dass unser Vorschlag im Widerspruch zu bestehenden Konventionen besteht. Auch wenn das so ist, ist es jedermann unbenommen, einen anderen Vorschlag zu machen. Aus einem anderslauten Vorschlag lässt sich aber nicht der von Ihnen erhobene Vorwurf ableiten.

Wir hätten uns gefreut, wenn wir unsere unterschiedlichen Perspektiven und Ansätze zur Erreichung eines internationalen Klimaschutzabkommens in einem direkten konstruktive Austausch hätten diskutieren und dabei auf unnötige Unterstellungen hätten verzichten können.

Gerne können Sie den Mailverkehr in ihrem Blog vollständig veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Bardt

Thilo Schaefer

Und hier meine heutige Antwort an die beiden (nicht per Email, sondern direkt im Blog):

Sehr geehrter Herr Schaefer, sehr geehrter Herr Bardt,

Ich freue mich, dass Sie anerkennen, „dass die Klimaziele nicht mit einer Fortschreibung der bisherigen internationalen Trends der Energieversorgungstrukturen erreicht werden können“. Da haben wir auf jeden Fall schon einmal eine wichtige Gemeinsamkeit entdeckt.

Ich sehe ein, dass man ihren Vorschlag theoretisch auch komplett losgelöst von jeglichen politischen Realitäten (Umsetzung der Klimarahmenkonvention, Versagen des Europäischen Emissionshandels, Konkrete Erfahrungen bei Offsetprojekten im Rahmen des Kyoto-Protokolls usw.) verstehen und diskutieren könnte. Allerdings frage ich mich dann, warum Sie den Beitrag im Kontext der Debatten vor dem Klimagipfel in Paris lancieren? Außerdem ist mir unklar, welche nützlichen politischen Schlussfolgerungen man daraus ziehen sollte, wenn es sich nicht auf konkrete Realitäten und Erfahrungen bezieht?

Zumindest würde ich mir im Rahmen eines solchen Papieres eine konkrete Auseinandersetzung mit der (politischen) Praxis der Klimapolitik wünschen, z.B. bei der Frage von Offsets. Aber vielleicht tun sie das auch an anderer Stelle im IW Köln?

Bitte verzeihen Sie mir meine „Überinterpretation“ – die ich eher als Kontexualisierung Ihrer theoretischen Vorschläge in konkrete politische Erfahrungen und Zusammenhänge bezeichnen würde.

Bei einer gezielten (wenn auch nur impliziten) Unterminierung der UNFCCC Prinzipien im Rahmen eines Papiers, das als alternativer Vorschlag für die internationale Klimapolitik im Klimajahr 2015 gedacht ist, darf aber zumindest die Frage der politischen Intention gestellt werden, meine ich.

Ich möchte meine Leserinnen und Leser ganz herzlich einladen, sich ebenfalls in diese spannende Debatte einzuklinken (über die Kommentarfunktion)!

Mit freundlichen Grüßen,

Lili Fuhr

 


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