Luzifer, Toter Mann und blutrote Flüsse: Nickelabbau in den Philippinen (Teil 2) – von Michael Reckordt

Michael Reckordt arbeitet bei PowerShift als Koordinator des zivilgesellschaftlichen Netzwerks AK Rohstoffe, in dem auch die Heinrich-Böll-Stiftung im Koordinierungskreis ist. PowerShift ist Mitglied im „Stop Mad Mining“-Netzwerk, dass sich im Europäischen Jahr für Entwicklung (EYD2015) kritisch mit dem Verbrauch von Rohstoffen hier und dem Abbau in den rohstoffreichen Ländern beschäftigt. Zu diesem Zweck bereist Michael Reckordt derzeit die Philippinen. Hier ist der zweite Teil seines Reiseberichts über Nickelabbau. Der erste Teil (Rote Flüsse und tote Fischteiche) steht hier.

Straßenneubau in Sta. Cruz, Zambales (Michael Reckordt, Juli 2015)
Straßenneubau in Sta. Cruz, Zambales (Michael Reckordt, Juli 2015)

Nachdem wir in der Stadt mit Betroffenen vom Nickelabbau diskutiert haben, machen wir uns auf dem Weg zu den Minen. Insgesamt vier Konzerne sind aktiv, sie alle sind mittelgroße bis kleinere Unternehmen, die mehrheitlich in philippinischem Besitz sind. Im Ort geht das Gerücht um, dass einer von ihnen Probleme mit seinem Absetzbecken (silting pond) habe. Nach zehn Tagen Regen sind fast alle Bäche und Flüsse über ihre Ufer getreten. Einige Brücken und Straßen sind für Fahrzeuge unpassierbar. Auf dem Weg zum Abbaugebiet von Eramen müssen wir zu Fuß durch das hüfthohe, rote Wasser des Imalpay Flusses. Ganz wohl ist mir bei der Aktion nicht.

Vor kurzem angelegter Silting Pond von Eramen (Michael Reckordt, Juli 2015)
Vor kurzem angelegter Silting Pond von Eramen (Michael Reckordt, Juli 2015)

Die Farbe des Flusses bestätigt immerhin, dass hier irgendwo Probleme seien und das größere Mengen Nickel gerade in den Fluss gewaschen wird. Und in der Tat, einige Kilometer nördlich in dem Lizenzgebiet von Eramen – einem der vier Konzerne – sehen wir frische Baggerspuren und ein kürzlich angelegtes Absetzbecken. In ihm wird nickelhaltiges Wasser zwar aufgefangen, doch über ein kleines Rinnsal weiter in die Bäche geleitet. Ein Art Rückhaltebecken für toxische Stoffe, wie zum Beispiel bei der Gewinnung von anderen Rohstoffen, wie Gold, oder andere Schutzvorrichtungen sehen wir nicht. Die Absetzbecken scheinen die einzigen Zwischenschritte zu sein, bevor das nickelhaltige Becken über kleinere Gräben und Bäche in das Flusssystem geht.

Benito Molino dokumentiert silting pond von Eramen (Michael Reckordt, Juli 2015)
Benito Molino dokumentiert silting pond von Eramen (Michael Reckordt, Juli 2015)

Noch bevor wir auf weitere Spurensuche gehen können, wird der Sicherheitsdienst auf uns aufmerksam und bittet uns, das Gebiet zu verlassen. Benito Molino fragt nach Problemen mit dem Absetzbecken, doch die beiden Wachmänner lächeln nur und behaupten, von nichts zu wissen. Doch der Impalay River ist nicht von Eramen verschmutzt worden, wie wir beim Abstieg feststellen. Das rote Wasser kommt vom Lucifer Creek, vom Teufelsbach, und an dem ist LNL Archipelago Minerals Inc. ansässig, ein anderer Konzern. Erst weitere Kilometer Flussabwärts sehen wir, dass auch der Namlangan Fluss rot ist. Er fließt durch das Lizenzgebiet von Eramen und Benguet Mining. Das rote Wasser käme aus dem Bankay Creek, was soviel bedeutet wie „Toter-Mann-Bach“, erklärt uns Josephine Astadan, Mitglied von CCOS. Luzifer, toter Mann, als die Namen für die Bäche vergeben wurde, gab es in der Gegend noch keinen Bergbau. Aber die Namen wurden in scheinbar weiser Voraussicht gewählt. Die beiden roten Flüsse hier in den Bergen fließen zusammen in den Santa Cruz River, der der Stadt seinen Namen gab und an dem die Fischer (s. Teil 1) wohnen.

Der Nickelabbau in Zambales ist ein neues Phänomen. Um 2006 habe alles angefangen und zwar mit einer „Phantom-Mine“. Jun Ebido, ehemaliger Stadtrat, schaut mich mit großen Augen an. Er ist über 60 Jahre alt, hat aber ein jugendliches, leicht verschmitztes Lächeln. „Weißt Du, warum wir sie Phantommine nennen?“ Ich verneine. „Sie haben nie irgendeine Lizenz zeigen können.“ Weder für den Abbau im Barangay Guisguis, noch für den Hafen, wo sie das Nickel lagerten. Diese Phantommine zerstörte durch das Gewicht der LKWs die Straßen und durch Leckagen verschmutze sie den Fluss. Josephin Astadan bestätigt das. Sie arbeitete jahrelang als Lehrerin und würde gerne ihren Ruhestand genießen, sich um ihr Haus und die vielen Pflanzen kümmern. Doch da es keine Kontrollen gäbe, weder vom DENR (Umweltministerium; Department for Environment and Natural Resources) noch von sonst einer Behörde, seien sie aktiv geworden.

Jun Ebido war Vorsitzender des Ausschuss für Umweltfragen in Sta. Cruz. Er erzählt, dass ab 2007 die heute aktiven Unternehmen gekommen seien und die Phantommine verschwand. Shangfil, Benguet Mining, Eramen und LNL besitzen Abbaulizenzen (Mineral Production Sharing Agreement; MPSA). Der Bürgermeister von Sta. Cruz unterstützt die Unternehmen. Vor allem Benguet Mining und Eramen seien Opfer der Phantommine gewesen, da in ihren Lizenzgebieten schon Abbau betrieben worden sei.

Muschel- und Krebssammlerinnen vor der ungesicherten Hafenlagerung von Nickel (Michael Reckordt, Juli 2015)
Muschel- und Krebssammlerinnen vor der ungesicherten Hafenlagerung von Nickel (Michael Reckordt, Juli 2015)

Dem Eigentümer von Shangfil gehört einer der drei Häfen. Nun, der Hafen ist eher ein Piet oder eine Anlegestelle an der Küste. An ihnen lagern die Konzerne ihre Vorräte, auch hier gibt es keine Versiegelung des Bodens, keinen Schutz. Sodass das Nickel auch hier in den Boden und bei Überschwemmungen in die Umgebung abgegeben wird. Zudem mussten insgesamt 32 Familien der Anlegestelle für Shangfil weichen und mit ihnen einige Reisfelder. Die Familien mussten ihre Häuser selbst abbauen und in der Nähe errichten, in mitten eines Sumpfgebietes. Geld wurde ihnen versprochen, aber scheinbar nicht ausbezahlt. Nicht einmal eine Besitzurkunde für das neue Land wurde ihnen gegeben. Dazu wurde der Zugang zu dem Gelände mit einer Steinmauer eingegrenzt. „Den Menschen wurde sogar ihr natürlicher Zugangsweg zum Gelände genommen, um sie unter Druck zu setzen“, ergänzt Jun Ebido.

Das Nickel wird von Zambales nach China verschifft. Doch es ist nicht nur das Nickel, sondern der halbe Berg. Daraus wird in China dann das Metall gewonnen, dass wir in Deutschland unter anderem für die Veredelung von Stahl benötigen. Der Rest des Materials soll Gerüchteweise von China in die Spratley Islands geschafft werden – ein paar Atolle westlich vor den Philippinen, die mehrere Staaten für sich beanspruchen. Es gibt immer wieder kleinere militärische Scharmützel und Säbelrasseln, vor allem zwischen China und die Philippinen. Unter den Inseln werden reiche Rohstofflagerstätten wie Öl und Gas vermutet. Es wäre sehr zynisch, wenn die Chinesen ausgerechnet die philippinischen Berge von Zambales nutzen würden, um zum einen Nickel für die Waffenproduktion und zum anderen Befestigungsmaterial für Militärstützpunkte in den Spratleys gegen die Philippinen zu verwenden. Aber wie gesagt, das sind nur Gerüchte.

Fakt ist, dass laut Josephine Astadan von CCOS jede Woche ein bis zwei Schiffe den Hafen von Santa Cruz verlassen. Denn trotz Abbau-Pause, weil die Konzerne Umweltauflagen nicht eingehalten haben, sind die Vorräte am Hafen groß genug, um noch weitere Rohstoffe nach China zu bringen. Jede Schiffsladung soll einen Wert von vier bis fünf Millionen US-Dollar besitzen. Die 3.000 Arbeiter der vier Unternehmen erhielten Löhne in Höhe von 400 Mio. Peso (ca. 8 Mio. Euro) Gehalt, den Gegenwert von zwei Schiffsladungen Nickel. Pro Arbeiter sind das im Durchschnitt pro Monat weit weniger als 250 Euro. Ansonsten bleibt wenig von dem Gewinn in den Philippinen von den 8,5 Mio. MT, die pro Jahr nach China geschafft werden.

Der Protest von CCOS hat letztes Jahr durch eine „Caravan of Justice“ (Karawane für Gerechtigkeit) auf sich aufmerksam gemacht. Protestiert wurde in Manila vor dem Umweltministerium (DENR). Diese Demonstration und der anschließende Dialog trug Früchte: Das Mines and Geoscience Bureau (MGB), die Bergbauaufsicht, die dem DENR unterstellt ist, änderte die Report-Pflichten für die Unternehmen. Ab dem Zeitpunkt mussten Unternehmen nicht ausschließlich dem MGB berichten, sondern der Öffentlichkeit. Es gab eine Präsentation auf dem Basketball-Feld in Santa Cruz und die Bevölkerung diskutierte mit. Eine Woche später kam eine Delegation des MGB zu den Bergbaukonzernen und der Abbau wurde sofort gestoppt. „No compliance“ mit den Auflagen.

Auch darüber hinaus sind die Menschen in Zambales aktiv. Vor allem gehen sie mittlerweile gerichtlich gegen die Konzerne vor. Sie wollen mehr als die vorübergehende Unterbrechung des Abbaus. Ein „Writ of Kalikasan“ wegen Umweltunverträglichkeit wurde vor Gericht eingereicht. Zudem werden Prozesse wegen Vorteilsnahme und Bestechung gegen die lokalen Offiziellen der Ministerien und der Stadt angestrebt. Diese wurden einem Ombudsmann vorgelegt und es ist nicht unwahrscheinlich, dass CCOS die Fälle gewinnen wird. Darüber hinaus war auch die Menschenrechtskommission der Regierung (Commission on Human Rights; CHR) schon mehrmals vor Ort und hat sich die Klagen der Menschen angehört. Ihr Report ist leider noch nicht fertig, doch auch hier versprechen sich die Aktivist/innen Unterstützung. Merklich zurückgegangen ist leider die Unterstützung der Kirche im Ort. Während landesweit die im Land mächtige katholische sehr deutlich und offen gegen die Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Bergbau Stellung bezieht, ist die Kirche in Sta. Cruz leiser geworden. Unter vorgehaltender Hand erzählen mir verschiedene Personen, dass ein Bergbaukonzern den Bau des neuen Glockenturms mit 1,5 Mio. Peso (30.000 Euro) unterstützt hätte.

Förderung oder Schweigegeld. Für diesen Turm spendete ein Bergbaukonzern inSta. Cruz (Michael Reckordt, Juli 2015)
Förderung oder Schweigegeld. Für diesen Turm spendete ein Bergbaukonzern inSta. Cruz (Michael Reckordt, Juli 2015)

Nächstes Jahr sind Wahlen in den Philippinen. Der Bürgermeister von Sta. Cruz steht zur Wahl. Momentan ist die Stadt seit 23 Jahren in der Hand einer Familie. Pro Schiffsladung Nickel soll sie zwei Mio. Peso (40.000 Euro) verdienen, dazu kommen Einnahmen aus Gebühren für den Hafen, etc. Ob es einen Machtwechsel im nächsten Jahr geben wird, hängt davon ab, wen die Opposition aufstellen kann. Benito Molino, auch wenn oft angefragt, interessiert das Amt nicht. „Zu gefährlich“, sagt er. In den Philippinen wird ein politischer Konkurrent gerne mal umgebracht. Und wer sollte das Risiko besser kennen, als der Forensiker aus Manila, der gleichzeitig politische Gefangene betreut, wenn er nicht in seiner Heimatprovinz verweilt und über Ökotourismus-Projekte als Ersatz für den Nickelabbau nachdenkt.


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