Über 50% Reduktion im Norden?

by lapidim on flickrVon einem Side Event der indischen Delegation wird berichtet: Indien könne dem vorgeschlagenen Reduktionsziel der Industrieländer von 25-40% gegenüber dem Niveau von 1990 deshalb nicht zustimmen, weil dies nicht genug sei. Notwendig seien über 50%. Darüber hinaus wehrt sich Indien gegen jede Art von Klimaschutzverpflichtungen.

Derlei Forderungen stoßen selbst bei Umweltschützern aus Europa auf ironisch-verärgerte Reaktionen: „Wissen die in Indien eigentlich nicht, wie ambitioniert 25-40% schon sind und dass es völlig unrealistisch wäre, noch mehr zu reduzieren? Was denken die sich eigentlich?“. Die indische Position scheint völlig überzogen.

Ich finde, die Inder haben recht mit dem ersten Teil ihrer Forderung, den über 50% Reduktionsverpflichtungen für den Norden. Ja, ich würde sogar weitergehen: Es ist der einzig gerechte Weg, um das 2 Grad Ziel mit recht hoher Wahrscheinlichkeit noch einzuhalten.

Fordere ich damit die Deindustrialisierung Europas, Nordamerikas und Japans binnen 15 Jahren?

Nein, denn man muss unterscheiden zwischen Reduktionsverpflichtungen und aktuellen Reduktionen im eigenen Land (domestic emission reductions). Die EU kann z.B. ein Reduktionsziel von 30% bis 2020 im eigenen Territorium erreichen, und weitere 25% über die Unterstützung von Waldschutz in Brasilien und Indonesien erbringen. Das ist nicht einmal besonders teuer, und es ist gerecht. Denn nur so werden tatsächlich diejenigen für die Finanzierung von Klimaschutz in Anspruch genommen, die das Problem verursacht haben. Gemäß einem ein lang etablierten Prinzip des Umweltrechts, dem Verursacherprinzip (polluter pays principle).

Aufgabe für Umweltschützer ist es, für derlei bisher wenig realistisch erscheinende Ziele um politische Unterstützung zu werben. Denn nur wenn wir die Grenzen dessen verschieben, was heute „realistisch“ erscheint, werden wir den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen.

Weiterlesen dazu: „The Right to Development in a climate-constrained World„. Studie der Heinrich-Böll-Stiftung, Christian Aid, EcoEquity und Stockholm Environment Institute.


Posted

in