Das tödliche Rennen in der Nacht

Erinnern Sie sich an James Dean? Da gibt es die berühmte Szene in „Denn sie wissen nicht was sie tun„. Das Autorennen in der Nacht auf einen Abgrund zu. Ich habe es auf Youtube gefunden:

An diese Szene erinnert mich ein Argumentationsstrang, der in der öffentlichen Debatte immer wieder auftaucht. Unter Verweis auf aktuelle klimawissenschaftliche Debatten wie z.B. um die von einem Nature-Artikel prognostizierte temporäre Atempause in der globalen Erwärmung (zur Kritik siehe hier) wird der Schluss gezogen: Es ist alles noch nicht so klar, wie es mit dem Klimawandel weitergeht. Die Wissenschaftler streiten sich ja noch. Also warten wir erst mal ab, bis sich das klärt. So z.B. der Tenor vieler Kommentare auf Focus Online zu der entsprechenden Meldung.

Was hat das alles mit James Deans Rennen zu tun? Nun, ich habe den Eindruck dass wir in Sachen Klimawandel alle in einem Bus sitzen, der mit wachsender Geschwindigkeit durch die Nacht fährt. Unsere Scheinwerfer reichen nicht sehr weit. Noch beschleunigen wir unsere Geschwindigkeit, unseren Ausstoß an Treibhausgasen. Seit einiger Zeit bemerken wir immer mehr Schilder, die am Wegesrand auftauchen und warnen: Vorsicht!

Die Schilder sind aber widersprüchlich. Die einen lassen nur eine gefährliche Steilstrecke erwarten. Andere einen regelrechten Abgrund. Die einen reden von 2 km, die anderen von 1 km, und wieder andere von nur 300 m Distanz bis es gefährlich wird.

In größeren Abständen kommen dann auch richtig umfangreiche Schilder, detailreich, mit großer wissenschaftlicher Autorität ausgestattet. IPCC steht drauf, und auch sie warnen von Mal zu Mal dringlicher.

Dazwischen stehen ein paar Papptäfelchen, die sagen: Alles Humbug. Klimaschwindel. Nicht beirren lassen – Gas geben!!!

Eine Debatte im Bus bricht aus. Sollen wir nicht lieber bremsen? Doch manche verweisen auf die Pappschildchen, und auf die unterschiedlichen Angaben auch auf den seriösen Schildern. Das ist doch alles noch nicht ganz klar, und ausserdem wäre Bremsen teuer, und schnell fahren ist ja viel bequemer!

Inzwischen geht es immer deutlicher abwärts. Die Strecke wird immer holpriger, die Schlaglöcher (Hitzewellen, Flutkatastrophen) werden erkennbar tiefer. Einzelne Insassen werden schon herausgeschleudert. Die Kasko-Versicherung meldet steigende Schäden. Doch trotz aller technischen Fortschritte ist die Sichtweite der Scheinwerfer immer noch kurz, und wir haben inzwischen ein derartiges Tempo drauf, dass wir nicht mehr rechtzeitig bremsen können, wenn der Abgrund im Scheinwerferlicht vor uns erkennbar wird. Wir müssen uns also entscheiden, ob wir auf die Schilder reagieren und bremsen, oder nicht.

Das letzte große IPCC-Schild war überdeutlich: Große Gefahr voraus, Lebensgefahr für viele Insassen! Sofort bremsen!

Doch unverdrossen verweisen (Öko-)Optimisten auf die Unterschiede zwischen einzelnen Schildern, und dass man doch noch gar nicht so genau wisse, wann genau der Abgrund komme und wie tief er wirklich sei. Keine Panik, alles Klimahysterie!

Würden Sie bremsen oder weiter kräftig Gas geben? Scharf bremsen und alle Insassen anschnallen?

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Eine Variante dieser Geschichte lässt sich natürlich auch mit zwei oder drei Bussen erzählen. Auf dem einen steht EU, auf dem anderen USA, auf dem dritten China. Es geht darum wer am schnellsten fährt, das ganze ist als Wettrennen angelegt. Wer die Nase vorn hat, gewinnt einen Pokal. Nur sind alle drei Busse durch Ketten miteinander verbunden. Wenn einer abstürzt, zieht der die anderen mit.

In den Streit im EU-Bus mischen sich neue Argumente. Warum sollen wir bremsen: der China-Bus gibt doch gerade erst richtig Gas? Wir bleiben hinter dem US-Bus zurück, der schon seit langem vorneweg fährt! Schneller, schneller, der China-Bus überholt uns!

Doch sie wissen wohl, was sie tun…

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Zum diesem Thema empfehlenswert: The ethical duty to reduce Greenhouse Gas Emissions in the Face of Scientific Uncertainty, von Donald A. Brown, Professor für Umweltethik an der Penn State University. Ein Schlüsselsatz:

the nature of the risk from climate change is enormous and using scientific uncertainty as an excuse for doing nothing is ethically intolerable.