Natur opfern um Klima zu retten?

Die Deutsche Umwelthilfe hat vor wenigen Tagen keinen Vergleich gescheut und richtig tief in die Tasten gegriffen: ein „ökologischer SuperGAU“ drohe. Nein, es geht nicht um katastrophalen Klimawandel wie neulich analysiert. Nicht um den drohenden Zusammenbruch der arktischen Meereisbedeckung.

Nein, es geht um den Anbau auf Flächen, die in den vergangenen Jahren dank einer EU-Flächenstilllegungspolitik nicht mehr genutzt worden waren. Und die sich in der Folge zu äusserst vielfältigen Biotopen für eine Vielzahl von bedrohten Tier- und Pflanzenarten entwickelt haben.

In zehn landwirtschaftlich relevanten Bundesländern wurden im vergangenen halben Jahr zwischen 38 und 80 Prozent der ehemals stillgelegten Flächen wieder unter den Pflug genommen, anstatt sie weiterhin für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu nutzen. Auf 304.000 Hektar der ehemaligen ökologischen Ruheflächen wachsen in diesen Bundesländern nun Mais, Raps und Getreide für die agrarindustrielle Produktion. „Wir beobachten daher ein beispielloses Artensterben in der deutschen Agrarlandschaft. Besonders Vogelarten, wie Braunkehlchen, Grauammer, Rebhuhn, Heidelerche, aber auch die als Frühlingsbote bekannte Feldlerche sind davon betroffen“, sagte Dr. Frank Neuschulz, Leiter des Bereichs Naturschutz bei der DUH.

Ein Teil der Ausdehnung des Maisanbaus geht auf das Konto der Expansion von Biogasanlagen. Und Raps und Getreide sind u.a. wegen der Förderung von Biotreibstoffen zunehmend rentabel. Sind wir dabei, unsere Natur zu opfern um das Klima zu retten?

Sicherlich, der größte Teil des Anbaus flüssiger Agrotreibstoffe ist schlicht fehlgeleitet – eine schlechte Nutzung knapper Ressourcen mit zweifelhaftem Nutzen für den Klimaschutz. Und doch ist Bioenergie, und auch Biogas, eine unverzichtbare Ressource auf dem Weg zu einem Energiesystem mit 100% erneuerbaren Energien.

Es wird eng auf der Erde, und wir laufen rasch auf harte Zielkonflikte zu. Viele Fragen: Wieviel bringt der Maisanbau für Biogas an realer CO2-Einsparung? Werden Grauammer, Rebhuhn und Heidelerche bei ungebremstem Klimawandel überhaupt eine Chance haben? Darf man einen Teil ihres Lebensraums opfern für klimaschützende Bioenergie,und wenn ja wieviel?

Auf sie gibt es wenig einfache Antworten. Doch eines ist klar: Wenn wir die notwendige rasche Energie- und Klimawende hin zu 100% erneuerbaren Energien noch schaffen wollen, wird dies unsere Wirtschaftsweise sehr massiv umgestalten. Auch unsere Heimat, die uns vertrauten Landschaften werden sich verändern: Mehr Windräder. Mehr Biogas. Mehr Solaranlagen. Neue Stromleitungen. Denkmalgeschützte Gebäude werden wir isolieren müssen. Manches was uns lieb und teuer ist, wird gehen müssen.

Der Klimawandel ist die massivste Bedrohung für unsere Heimat und die Artenvielfalt – hier wie anderswo. Wer seine geliebte Heimat schützen will, muss sie verändern. Denn „business as usual“ ist keine Option.

Weiterlesen: Naturschutz vs. Klimaschutz


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