Der Kopenhagen-Blues hält an

Seit Montag laufen die UN-Klimazwischenverhandlungen in Bonn. Die zweiten seit der Gipfel in Kopenhagen gescheitert ist. In Bonn herrscht nunmehr Business as usual, als ob man nichts Großes zu bearbeiten hätte. Es gibt keine großen Erwartungen, man merkt keinen Willen mehr, den Prozess schnell voran zu bringen. Vor einem Jahr lag eine Spannung in der Luft. „Seal the Deal“ war die Beschwörungsformel, die einen auf Schritt und Tritt in den Gängen des Verhandlungszentrums verfolgte.

Immerhin ist die Atmosphäre im Verhandlungssaal freundlicher als erwartet. Kein Land tanzt aus der Reihe, man redet wieder miteinander und beschimpft sich nicht. Aber es gibt keine Vision mehr.

In Kopenhagen ist etwas kaputt gegangen. So stellte es Martin Khor vom South Center gestern auf einem Side Event dar. Der Copenhagen Accord hat ein neues Klimagasminderungsmodell eingeführt, das die alte Idee entwertet hat. Bis letztes Jahr sollten sich die entwickelten Länder (Annex I) noch auf ein gemeinsames, aggregiertes Reduktionsziel für die Zeit nach 2012 einigen und damit Führung im Klimaregime übernehmen. Die Reduktionen sollten messbar, berichtspflichtig and nachprüfbar sein, ein wichtiger Punkt. Im Copenhagen Accord hingegen gibt es nur noch die Summe aller individuellen Reduktionen, die nur noch schwer vergleichbar sind und keinem Überprüfungsmechanismus unterliegen. Das führt dazu, das Kanada, beispielsweise, ankündigen kann seine Emissionen gegenüber 1990 noch zu steigern ohne einen Sturm der Entrüstung bei den anderen Industrieländern hervorzurufen.

„Die Anführer rennen nicht mehr, sie gehen.“, so Martin Khor, „und die ehemals langsameren gehen rückwärts“.

Noch gibt es aber Hoffnung und Khor sieht das größte Potential, den Klimaschutz wieder voranzubringen, klar bei den Europäern. Die USA wollen Anführer sein, aber wagen sich nicht vor. Stattdessen fordern sie von anderen ihre schwachen Ziele anzunehmen. Die EU sollte sich nicht mehr hinter den USA verstecken und wieder Vorreiter werden. Khor gab sich überzeugt, wenn Europa sich ambitionierte Klimaziele gebe und sie umsetze, dann würden Japan und Russland folgen. Später würden auch die USA einsehen, dass sie sich anstrengen müssen, um mit den Vorreitern mitzuhalten und nicht als Entwicklungsland zurück zu bleiben. Um Europa aufs Gleis zu setzen müsse unsere Zivilgesellschaft die Regierungen drängen, wieder Klimaverantwortung zu übernehmen.

Nehmen wir also unsere Regierungen an die Hand und ihnen die Angst, die ihnen ständig von den großen Industrien eingeredet wird. Helfen wir ihnen, sich nicht von den Drohungen schrecken zu lassen, strenge Klimaauflagen würden jede Menge Arbeitsplätze kosten (dazu siehe auch hier). Der übliche Reflex der Politik ist dann, wie man weiß, den Schwanz einzuziehen und den Klimaschutz nicht weiter voran zu bringen und auch auf europäischer Ebene zu behindern. So geschehen z.B. letzte Woche als EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard den Mitgliedstaaten gerne vorschlagen hätte, ihr gemeinsames Reduktionsziel von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen, aber vorsorglich vom deutschen FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und seinem französischen Kollegen zurückgepfiffen wurde. Das Argument war mal wieder: „Es ist keinem geholfen, wenn ganze Industriezweige abwandern.“ Wer hat noch mal in den letzten beiden Jahren die meisten Arbeitsplätze vernichtet? Die Umweltpolitik war es, glaube ich, nicht. Und eine Studie der EU-Kommission zeigt, dass eine höhere Reduktion zur Zeit recht günstig zu haben ist: wegen der Wirtschaftskrise sind die CO2-Emissionen stärker gesunken als vorhergesehen und um den Ausstoß um 30 statt 20 % zu senken müssten nur 0,2% der europäischen Wirtschaftleistung mehr investiert werden.

Aber Leitfiguren sehen offenbar anders aus. Schade, dass im Moment Obama beim Klima auch nicht mehr so recht dazu taugt.


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