Land der Gegensätze

Präsident Barack Obama ist mit seinem Klimagesetz am Kongress gescheitert. Macht es einen großen Unterschied für die Umweltpolitik, ob der Demokrat oder sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney zum Jahreswechsel ins Weiße Haus einzieht? Die Antwort gibt’s in meinem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

HAZ: Amerika jubelt über den Ölboom im eigenen Land, Deutschland will sich lieber heute als morgen von fossilen Energieträgern verabschieden. Ticken die Uhren in den beiden Ländern völlig anders?

Arne Jungjohann: Die Vereinigten Staaten sind ein Land der Gegensätze. Auf der einen Seite scheint es eine Renaissance der alten Energien zu geben, auf der anderen Seite entstehen große Solar- und Windparks. Man mag es kaum glauben, aber in den USA finden weltweit die größten Investitionen in saubere Energien statt – im vergangenen Jahr rund 50 Milliarden US-Dollar. Das beste Beispiel ist North Dakota: In dem Bundesstaat erzeugen Windanlagen 15 Prozent des Stroms.

Wie wird die deutsche Energiewende in Washington beurteilt?

Das Interesse ist enorm. Mit Argusaugen beobachten Politiker, Lobbyisten und Wirtschaftsvertreter, wie das Vorhaben verläuft. Sie wissen: Wenn einer  hochindustrialisierten Wirtschaftsmacht wie Deutschland die Energiewende gelingt, hätte das eine große Signalwirkung für die USA.

Haben Sie Hoffnung, dass Amerika seine starke Ausrichtung auf fossile Energieträger bald ändert?

Das wünsche ich mir sehr. Immerhin ist dieses Land dank seines natürlichen Reichtums ein schlafender Riese in den neuen Technologien. Beispiel Solarenergie: Deutschland hat in etwa eine Sonneneinstrahlung wie Alaska. Das heißt auch, dass die USA vielerorts und gerade im sonnigen Süden Solarstrom noch viel günstiger als Deutschland produzieren könnten. Auch deshalb fürchtet die fossile Lobby in den USA den Erfolg der deutschen Energiewende.

Wie groß ist die Bereitschaft in den US-Konzernen, stärker auf Sonne, Wind und Wasser zu setzen?

Die fossilen Beharrungskräfte sind noch immer stark. Sie sind politisch einflussreich und überziehen die Öffentlichkeit mit einer regelrechten Propagandaschlacht, um für die heimische Öl-, Gas- und Kohleförderung zu werben. Und solange der Preis für Erdgas weiter fällt, haben es Solar- und Windkraftanlagen aus ökonomischer Sicht schwer. Fossile Energien müssen noch immer nicht für die Umweltschäden, die bei Abbau und Verbrennung anfallen, bezahlen. In gewisser Weise herrscht in den USA weiterhin die Kultur der Naturausbeutung vor.

Wie schätzen Sie den verstärkten Erdgasverbrauch in den USA ein?

Das so genannte „Fracking“ birgt enorme Umweltrisiken. Andererseits sind Klimaschützer über die jüngsten Daten überrascht. Denn das billige Erdgas verdrängt die klimaschädliche Kohle. Ihr Anteil an der Stromproduktion ist in den letzten drei Jahren von 50 auf 39 Prozent abgesackt. Das ist ein Erfolg, der die Klimabilanz deutlich verbessert. Gäbe es in Amerika eine Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis, wie wir es in Deutschland kennen, würde weiterhin sehr viel mehr Kohle verbrannt werden.

Präsident Barack Obama ist mit seinem Klimagesetz am Kongress gescheitert. Macht es einen großen Unterschied für die Umweltpolitik, ob der Demokrat oder sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney zum Jahreswechsel ins Weiße Haus einzieht?

Ganz gewiss! Obamas Klimabilanz ist gelinde gesagt durchwachsen. Schuld daran tragen vor allem die Republikaner. Gleichwohl hat sich der Anteil der erneuerbaren Energien unter seiner Ägide verdoppelt. Außerdem hat er die nationale Umweltbehörde EPA, die unter seinem Vorgänger ein Schattendasein fristete, massiv gestärkt. Sie hat die Grenzwerte für traditionelle Schadstoffe wie Quecksilber verschärft. Alte Kohlekraftwerke müssen teuer nachgerüstet werden. Das lohnt sich vielfach nicht. Deshalb werden viele der alten Dreckschleudern abgeschaltet. Ein Präsident Romney dürfte hingegen die Umweltbehörde an die kurze Leine nehmen und dafür sorgen, dass der Industrie bei Verstößen gegen das Umweltrecht nicht mehr auf die Finger geschaut wird.

Wie schätzen Sie das Umweltbewusstsein in der amerikanischen Bevölkerung ein?

Wer das Land oberflächlich betrachtet, sieht die politische Dominanz der großen Parteien, die beide von den Scheckbüchern der fossilen Industrie abhängig sind. Doch in jüngster Zeit hat sich viel getan. Es gibt eine vielfältige Umweltbewegung, die sehr erfolgreich ist. Immer mehr lokalen Gruppen gelingt es, umweltgefährdende Projekten zu stoppen – zum Beispiel den Neubau von Kohlekraftwerken oder den Bau von Öl-Pipelines. Insgesamt ist Amerika viel grüner geworden.

Das Interview wurde am 29.7. 2012 (in leicht gekürzter Fassung) in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. Die Fragen stellte Stefan Koch. Foto von Cain and Todd Benson unter CC BY-ND 2.0.


Posted

in