Energiewende als Familienunternehmen (3)

Lieber Karl,

herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, auf meinen Beitrag ausführlich zu antworten! Aber einige Punkte kann ich so nicht stehen lassen und möchte noch einmal eine andere Sicht dazu formulieren:

Schuldzuweisungen und Diffamierung: Meine Intention war es nicht, die Familienunternehmen mit der fossilen Lobby gleichzustellen, sondern genau darauf hinzuweisen, dass Ihr Euch doch aufgrund Eurer ganz anderen Interessen und Stärken anders positionieren müsstet, und Verwunderung darüber, warum Ihr Euch in bestimmten entscheidenden Punkten hinter die Interessen der Großkonzerne stellt. Im Übrigen gibt es meiner Meinung nach einen wichtigen Unterschied zwischen einer im öffentlichen und Gemeinwohlinteresse betriebenen zivilgesellschaftlichen Kampagne und der politischen Einflussnahme durch machtvolle privatwirtschaftliche Akteure mit Profitinteresse.

Carbon Leakage: Im aktuellen Carbon Market 2013 Outlook von Point Carbon geben nur 5 % der befragten Firmen an, dass sie aufgrund der CO2-Preise bereits Produktion ins Ausland verlagert haben. Das sind sehr geringe Zahlen – was man gar nicht glauben mag, wenn man das mit der Medienkampagne vergleicht, die dazu von Unternehmensseite betrieben wird (zu den Zahlen siehe auch hier).

Zu den Zielen der Energiewende: Ich glaube, da hast Du einen ganz wunden Punkt gefunden. In der Tat ist es problematisch, wenn wir uns hier nicht einig sind. Welche Probleme sich ergeben können, wenn das Ziel eines politischen Instruments oder einer Maßnahme nicht eindeutig formuliert ist, können wir ja auch aus der aktuellen Krise des europäischen Emissionshandels lesen. Wenn das Ziel ist, Emissionen möglichst kosteneffizient zu reduzieren, dann könnte man das System wohl als einigermaßen erfolgreich bezeichnen. Aber wenn das Ziel ist, ein Preissignal für langfristig klimafreundliche Investitionen zu schaffen, versagt es gerade auf ganzer Linie. Ich bin überzeugt, dass es sowohl bei der deutschen Energiewende als auch auf europäischer Ebene darum gehen muss, einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Rohstoffe zu organisieren. Möglichst kostengünstige Emissionsreduktionen mit kurzfristigem Effekt schaffen dabei ggf. mittel- bis langfristig größere Probleme als sie kurzfristig lösen.

Du schreibst: „Und – so leid es mir tut – so kommt es, dass es für das Klima sehr viel sinnvoller sein kann ein altes fossiles Kraftwerk durch ein neues effizientes zu ersetzen, als den Strom aus Erneuerbaren zu produzieren.“ Dem muss ich vehement widersprechen. Und das ist auch leicht mit vielen bekannten Daten zu belegen. Hier nur zwei:

– Die Internationale Energieagentur (IEA) sagt, dass wir bereits bis 2017 durch den Bau geplanter Kraftwerke und Infrastrukturen einen Carbon-Lock auf 2 °C erreichen. Jedes weitere Kraftwerk und jede weitere Straße bedeutet ein Überschreiten dieses gefährlichen Limits.

– Die aktuellen Analysen der Carbon Tracker Initiative (die übrigens bereits von Mainstream-Medien wie dem Economist  oder der Financial Times aufgegriffen werden) zeigen, dass wir etwa 80 % der an den globalen Börsen notierten fossilen Reserven nicht verbrennen müssen, wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz. Und: auch das optimistischste CCS-Szenario erhöhrt das globale Carbon Budget um kaum mehr als 10 %.

Energiewende heißt nicht nur Ausstieg aus Atomenergie, sondern auch Ausstieg aus Kohle!

Du schreibst: „Ich kenne kein historisches Beispiel, wo die Dominanz des Staates gepaart mit planwirtschaftlichen Instrumenten zu einem für die Gesellschaft dauerhaft sinnvollen Ergebnis geführt hat.“ Ich kenne aber auch, ehrlich gesagt, kein historisches oder aktuelles Beispiel, wo die Dominanz des Marktes gepaart mit hoher Machtkonzentration auf Unternehmensseite zu nachhaltigen und gerechten Lösungen geführt hat. Und wenn Du Dich über staatliche Subventionen aufregen magst, würde ich Dein Augenmerk gerne noch auf die knapp 50 Milliarden Euro umweltschädliche Subventionen lenken, die unsere Bundesregierung jährlich ausgibt – einen Großteil davon zur Förderung fossiler Energien ausgibt. Alles freie Marktwirtschaft?

Doch eigentlich haben wir es hier in Deutschland ja noch recht kuschelig mit unserem Energiewende-Konsens, wenn man sich mal anschaut, wie hart der Diskurs gerade in Brüssel geführt wird…

In diesem Sinne: Herzliche Grüße und ich freue mich auf weitere Kommentare und Beiträge Deinerseits,

Lili

 

 


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