Inzwischen gibt es in Bali einen Konsenstext, der von einer kleinen Gruppe von Ministern und hochrangigen Verhandlern bis 2:30 gestern Nacht ausgehandelt wurde (IISD Bericht). Um 8:50 Ortszeit trifft sich das Plenum um über den Text zu beraten.
Der am härtesten umstrittene Textteil betrifft die Bezugnahme auf Reduktionen der Industrieländer (Annex I) um 25-40% gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020, wie sie in Szenarien des IPCC-Berichts enthalten sind.
Berichten zufolge (Spiegel) ist dieser Bezug jetzt in eine Fussnote des Beschlusses gerückt, und zwar als Bezug auf den Bericht über die Wiener Sitzung der sogenannten Ad-Hoc-Arbeitsgruppe (AWG) der Vertragsstaaten des Kyoto-Protokolls. In Paragraph 19 des Berichts heisst es da (Hervorhebungen durch mich, AR4 = 4. Sachstandbericht des IPCC):
19. The AWG noted the usefulness of the ranges referred to in the AR4. Recognizing the outcomes of the contribution of Working Group II to the AR4, on Impacts, Vulnerability and Adaptation, the AWG also noted that the lower the stabilization level achieved, the lower the consequent damages. The AWG recognized that the contribution of Working Group III to the AR4 indicates that achieving the lowest stabilization level assessed by the IPCC to date and its corresponding potential damage limitation would require Annex I Parties as a group to reduce emissions in a range of 25-40 per cent below 1990 levels by 2020, through means that may be available to Annex I Parties to reach the emission reduction targets.
These ranges are drawn from box 13.7 in the report of Working Group III. Furthermore, these ranges would be significantly higher for Annex I Parties if they were a result of analysis assuming that emission reductions were to be undertaken exclusively by Annex I Parties. The AWG noted that the IPCC ranges do not take into account lifestyle changes which have the potential of increasing the reduction range.
Die Ad-Hoc-Arbeitsgruppe (AWG) sieht also, dass die 25-40% noch erheblich höher sein müsste, wenn man Klimaschutz nur durch Industrieländer vorsieht. Sie bezieht sich auf die Tabelle 13.7. des Berichts der Arbeitsgruppe III des IPCC (Seite 776). Sie lohnt einen näheren Blick:
Nur die Szenario-Kategorie A bietet noch eine halbwegs brauchbare Chance, unterhalb der kritischen Grenze von 2 Grad globaler Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau zu bleiben. Diese Szenarien nehmen eine Reduktion der Industriestaaten (Annex I) gegenüber 1990 um 25-40% an. Doch dies reicht nicht aus. Hinzu kommt „eine substantielle Abweichung von der Basislinie“ (der „normalen Entwicklung“) in Lateinamerika, Ostasien, zentral geplantem Asien und dem Mittleren Osten. Also einem Großteil der Entwicklungsländer, nicht aber Südasien und Afrika.
Dennoch erklärt das, warum hier die Entwicklungsländer gegenüber der Bezugnahme auf diese IPCC Ergebnisse misstrauisch sind. Denn indirekt werden von ihnen hier erhebliche Klimaschutzbeiträge abverlangt. Ohne Finanzierung aus dem Norden, der für das Klimaproblem verantwortlich ist. Denn Klimaschutz über den sogenannten „Clean Development Mechanism“ wird dem Norden gutgeschrieben. Und auch der Schutz der Wälder, der Berichten zufolge auch über den globalen CO2-Markt finanziert werden soll.
Letzte Meldung: Indien hat selbst den Fussnoten-Kompromiss noch blockiert. Die Gruppe der 77 hat sich zu Beratungen zurückgezogen.
IISD berichtet: „In the morning plenary, COP President Witoelar presented a draft decision on an Ad Hoc Working Group on Long-term Cooperative Action under the Convention. While the EU supported the text, India proposed changes to a paragraph on „measurable, reportable and verifiable nationally appropriate mitigation actions by developing country Parties in the context of sustainable development.“ He preferred changing the order of the words so that text would refer to: „appropriate mitigation actions by developing country parties in the context of sustainable development, supported by technology and enabled by financing and capacity building in a measurable, reportable and verifiable manner.“ The plenary was suspended at the request of China and the G-77/China convened in consultations.
Das heisst: Die Entwicklungsländer bestehen darauf, für die von ihnen zu übernehmenden Klimaschutzmaßnahmen vom Norden unterstützt zu werden: durch Technologie, Finanzierung und Stärkung ihrer Fähigkeiten, in einer messbaren, berichtsfähigen und nachweisbaren Weise.
Das ist einer der zentralen Knackpunkte von Bali: Der Süden möchte mit den Klimaschutzpflichten nicht allein gelassen werden, sondern fordert hier verbindliche Unterstützung durch diejenigen ein, die für das Problem verantwortlich sind. Das ist auch gerechtfertigt: Siehe dazu unser Report „The Right to Development in a Climate-Constrained World„.