„Wie wir den Krieg gegen die Globale Erwärmung gewinnen“ titelte das TIME-Magazin in der vergangenen Woche. TIME färbte dafür seinen berühmten, markenrechtlich geschützten roten Rand in Grün.
Krieg gegen den Klimawandel? Eine Metapher, die in den USA schneller von den Lippen geht als hierzulande. War on Cancer, War on Poverty, War on Drugs, War on Terror, War on Want – es wird schnell ein Krieg ausgerufen jenseits des Atlantiks. Google listet 23 Mio. Treffer für die Kombination „War on“, 175.000 für „War on Global Warming“, 204.000 für „War on Climate Change“.
Bei uns in Deutschland hingegen ist „Krieg“ mit den traumatischen Erfahrungen der Generation unserer Eltern und Großeltern besetzt. Diese haben die Deutschen glücklicherweise zu einer recht pazifistischen Nation gemacht. Und sicherlich ist relativer Frieden, nicht Krieg, eine der Grundvoraussetzungen, damit wir die Klimakrise bewältigen können [Das ist, by the way, der Grund warum ich John McCain als US-Präsident für eine klimapolitische Katastrophe halte – seine neokonservative Aussenpolitik wird Konflikte verschärfen, nicht lösen, und als „Kollateralschaden“ jegliche Zusammenarbeit im Klimaschutz zerstören].
Und doch macht die Metapher vom „War on Global Warming“ Sinn. Als Metapher für die notwendige Mobilisierung unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ressourcen, um katastrophalen Klimawandel noch zu vermeiden. Als Metapher für die unbedingte Entschlossenheit, diese Auseinandersetzung zu gewinnen. Kein geringerer als Lester Brown, der „Altmeister“ der amerikanischen Umweltpolitik, Gründer und langjähriger Präsident des Worldwatch Institute, bringt dies in folgendem Videointerview sehr gut auf den Punkt:
Lester Brown: The Man With the Eco Plan von alex king. Ansehen!
Lester macht zu Beginn eine wichtige Unterscheidung:
We don’t start with the political question how much is it politically feasible to cut carbon emissions. We ask the question how fast do we have to cut carbon emissions if you want to have a chance to save the Greenland Ice Sheet or the Himalaya glaciers on the Tibetan Plateau, that feed the major river systems of Asia during the dry season.
Es ist eine Unterscheidung zwischen zwei Arten von klimapolitischem Realismus. Der eine nimmt die politische Durchsetzbarkeit als Faktum und zieht daraus die Konsequenzen, welchen Klimawandel wir fatalistischerweise akzeptieren müssen. Der andere nimmt die um fast jeden Preis zu verhindernden Konsequenzen katastrophalen Klimawandels als Faktum, und fragt nach den Möglichkeiten, die notwendige Wende politisch durchsetzbar zu machen.
Wenn wir katastrophalen Klimawandel (hierzu zähle ich mit Lester Brown das Abschmelzen des Grönland-Eisschilds oder der Gletscher des Himalayas) verhindern wollen, dann tut sich erst einmal eine gewaltige Lücke auf zwischen dem, was aktuell für machbar und politisch durchsetzbar gehalten wird und dem, was notwendig ist. Eine Lücke, die schon manchen in die Resignation getrieben hat – die bequeme Ausrede, es sei ja sowieso nichts mehr zu machen.
Lester Brown gibt sich damit nicht zufrieden, und erinnert an die USA während des 2. Weltkriegs, nach Pearl Harbour. Präsident Roosevelt rief die CEOs der US Automobilkonzerne zu sich, die damals die größte Konzentration industrieller Kapazität repräsentierten. Vor die Herausforderung der gewaltigen Steigerung der Rüstungsproduktion gestellt, erwähnten die CEOs, wie schwierig es sei, zusätzlich zu Automobilen auch noch Panzer, Flugzeuge und Kanonen zu bauen. Roosevelt antwortete: Sie verstehen mich falsch: Wir werden den Verkauf privater Automobile in den USA verbieten. Und von April 1942 bis Ende 1944 wurden in den USA keine Autos verkauft. Roosevelts Rüstungsproduktionsziele, die als reichlich utopisch galten, wurden sogar übertroffen. (Mehr dazu hier).
In diesen Jahren wird sich die Umweltbewegung entscheiden müssen, welchem Realismus man anhängen will. Die bisherige Definition von politischem Realismus wird bald zur Schlussfolgerung führen: Das Ziel, den globalen Klimawandel auf unter 2 Grad globaler Erwärmung gegenüber dem vorindustriellem Niveau zu begrenzen, ist „realistischerweise“ nicht mehr zu halten. Jedenfalls unter der gängigen Annahme einer Klimasensitivität von rund drei Grad je Verdoppelung der Treibhausgaskonzentration. Da bleibt uns nur die Hoffnung, dass sich der Planet überraschend tolerant zeigt, die Klimasensitivität niedrig ist.
Und es gibt ja deutliche Bestrebungen, auch in der EU, die das 2-Grad-Ziel wieder relativieren und in Frage stellen wollen.
Doch wenn wir die Frage andersherum stellen, wie Lester Brown es tat, dann werden wir um so etwas wie „War on Global Warming“ bald nicht mehr herumkommen. Dann wird es, auch dank der bisher recht erfolgreichen Verzögerungsstrategie von Klimaskeptikern, von Exxon bis RWE&Co., bald um den Einsatz sehr viel durchgreifenderer Maßnahmen gehen. US Klimaforscher James Hansen spricht dann hinsichtlich der Kohlekraftwerke von „cap and bulldoze“ anstelle von „cap and trade“.
Wer wie viele Wirtschaftsakteure Sorge hat um die Kosten des Klimaschutzes, sollte ein massives Interesse an der Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen haben, um zu vermeiden, dass später in einer Notbremsreaktion sehr teure, kapitalvernichtende Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ich warte auf den Tag, an dem sich der BDI gegen die peinlichen Anzeigenkampagnen der Braunkohlelobby stellt und die EU Kommission auffordert, ihr Energie- und Klimapaket noch zu verschärfen. Doch so viel Voraussicht ist wohl (noch?) zuviel verlangt.
Auf den nächsten US-Präsidenten wird aber die Herausforderung zukommen, einen „War on Global Warming“ anzuführen. Dieser wird jedoch nur gemeinsam, kooperativ zu führen sein. Und „something like Greenhouse Development Rights„, unser Konzept für globale Klimagerechtigkeit, wird dann aus den Sphäre der politischen Utopien rasch in die Sphäre des Realistischen rücken.
Im obigen Interview wird Lester Brown gefragt, welchem der drei US Präsidentschaftskandidaten er denn das Notwendige zutraue. Seine Antwort:
All three are pretty good. But when I look at the time we’re in and the challenges to be faced, I see both Senator Clinton or John McCain as being incrementalists. I think we need some quantum jumps now. I think the only candidate that has the potential to develop a vision, to lead with big changes is Obama.