Die Vorstellung, dass sich der maßlose Umgang unserer Zivilisation mit fossilen Energieressourcen durch großtechnische Eingriffe in die Gestalt des Planeten lösen lässt, hat schon manche krude Idee hervorgebracht. Das so genannte „Geo-Engeneering“ begeistert vor allem (weiße) Männer mittleren Alters. Roger Angel von der University of Arizona schlug etwa vor, 16 Billionen transparenter Scheiben in die Erdumlaufbahn zu schicken, um Teile der Sonnenstrahlung zu reflektieren. Der Ingenieur Stephen Salter rät, mithilfe von Spezialschiffen Meerwasser in die Atmosphäre zu sprühen und dadurch die Wolkenbildung zu fördern. James Lovelock möchte die oberen Ozeanschichten aufwirbeln, um das Algenwachstum zu stimulieren, was CO2 binden würde. Ich bin wohl nicht der einzige, der sich mit Blick auf die Umsetzung solcher Vorschläge bisher gefragt hat: sagt mal, spinnt ihr eigentlich?
Jetzt wurde ein neuer Vorschlag gemacht – wieder von Männern zwar, aber er kommt gänzlich ohne Technik-Utopie aus: „Macht unsere Städte weiß – und sie werden Hitze abweisen und die Erderwärmung bremsen.“ Hashem Akbari, Surabi Menon vom Berkely Lab und Arthur Rosenfeld von der kalifornischen Energiekommission kommen in ihrer Analyse zu krassen Ergebnissen: Würden weltweit alle Dächer und Straßen weiß gestrichen, dann könnten einmalig rund 44 Milliarden Tonnen CO2 ausgeglichen werden. Eine unglaubliche Zahl – die in ihrer schieren Größe von den Autoren mit einem einschlägigen Vergleich illustriert wird: der Effekt wäre so, als würden die weltweit rund 600 Millionen Autos, die im Schnitt 4 Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen, 18 Jahre lang still stehen.
Und schon macht der Vergleich deutlich, welch verführerisches Versprechen im Geo-Engeneering steckt: malt unsere Städte an – und wir können weiter machen wie bisher. Der amerikanische Energieminister Steven Chu, der weiß, dass der „american way of life“ noch immer nicht verhandelbar ist, findet die Idee denn auch Klasse. Und in Kalifornien schreibt eine neue Bauordnung seit Anfang Juli vor, dass auf alle Neubauten „cool roofs“ gesetzt werden müssen.
Bilder einer Zukunft in weiß (Creative Commons Lizenz):
Ich habe nichts dagegen, demnächst statt roter Dachziegel strahlungsreflektierende Elemente einzusetzen. Aber wie weit wollen wir gehen, um unseren „american way of life“ aufrecht zu erhalten? Wollen wir die ganze Welt in ein Krankenhaus verwandeln?
Zudem wissen wir: um mit einiger Wahrscheinlichkeit unter der gefährlichen Schwelle von 2 Grad Erwärmung zu bleiben, dürfen wir bis zum Jahre 2050 von heute an noch rund 700 Mrd. Tonnen CO2 emittieren. So besehen sind die 44 Milliarden Tonnen wiederum wenig. Es würde also nicht reichen, Häuser und Straßen zu weißeln. Die Mode-Branche müsste auf Arzt-Look setzen. Ja, wir müssten uns alle die Nasen weiß schminken!
Eine ziemlich naseweiße Politik also, der Vorschlag. Und trotzdem, so scheint’s, kämen wir nicht umhin, an unseren Lebensstilen etwas zu ändern…