GASTKOMMENTAR VON THOMAS FATHEUER, Leiter des Büro Brasilien, Heinrich Böll Stiftung
Kurz nachdem Rio de Janeiro zur Olympistadt gekürt worden war, schien es so, als wollte das Land einen weiter grossen internationlen Coup landen. Aus Regierungkreisen wurden immer mehr Stimmen laut, die eine Ankündigung von nationalen Reduktionszielen für Kopenhagen in Aussicht stellten. 35% oder 40% bis 2020 das schien die Frage. Natürlich nicht absolut, sondern gegenüber den buisiness as usual-Emissionen – also jenen Emissionen, die zu erwarten sind, wenn nichts getan würde. Eine 20% Reduzierung der CO2 Emissionen würde durch die bereits angekündigte Reduzierung von Entwaldung um 80% garantiert. Jedes Ziel, das über 20% hinaus geht, müsste also in den Bereichen Industrie und Verkehr erreicht werden. Dies wäre tatsächlich nicht nur für Brasilien sondern auch für die internationalen Verhandlungen ein wichtiges Signal.
Yvo de Boer (Generalsekretär des Sekretariats der Klimarahmenkonvention) erklärte, er sei sehr gespannt, welche “Ziele Brasilien ankündige, um seine Emissionskurve zu verändern”. Aber nach einem Treffen der zuständigen Minister mit Präsident Lula wurden die hochgesteckten Erwartung radikal gedämpft. Insbesondere die Regierungskoordinatorin und mögliche Nachfolgerin Lulas im Präsidentenamt Dilma Rousseff sprach sich klar dagegen aus, dass Brasilien mit nationalen Zielen nach Kopenhagen reist. Vorschnelle Zahlen vorzulegen, könnte die brasilianischen Verhandlungsposition schwächem, erklärt das Außenministerium, das bei den Verandlungen federführend ist.
Damit kehrt Brasilien zu seiner alten Verhandlungsstrategie zurück: Internationale Abkommen könnten eine Gefahr für die nationale Entwicklungsziele sein, Brasilien muss sich daher hüten und verteidigen. Verhandlungssschacher statt Klimapratagonismus lautet damit wieder die Devise.