Nach Kopenhagen ist vor Cancun. Oder? Soll dem Desaster von Dänemark eine Wiederholung der beispielslosen Mobilisierung für eine gerechtere Klimapolitik folgen? Diesmal nach Mexiko? Woher soll das Geld kommen? Woher die Energie? Und woher der Optimismus, der doch eigentlich am militärisch bewachten Zaun des Kopenhagener Bella Centers dem letzten Öko-Aktivisten abhanden gekommen sein müsste?
Die Klimabewegung (= die basisdemokratischer, aktionsorientierter und weniger institutionalisiert als typische NGOs) in Deutschland diskutiert. Das geschieht recht unauffällig und wurde bisher nur mal hier und da aufgegriffen. In den großen NGOs beraten die Vorstände mit Blick auf das Jahresbudget während die kleinen Bewegungsgruppen sich zu diversen Plena in Hinterhöfen treffen. Zusammen kommen sie nur selten und wenn, dann nicht über die gleichen Kanäle. Die Konflikte sind dabei eigentlich die gleichen geblieben. Ich umreiße die mal folgendermaßen:
Während sich eine Nichtregierungsorganisation in Deutschland im Durchschnitt mit Veranstaltungen für die „interessierte Öffentlichkeit“, Studien oder Lobbying beschäftigt, versucht die Klimabewegung ohne Fachwissen in der breite aber mit viel Aktivismus eine praktischere Lösung zu finden. Bei der Bewegung rotieren die Debatten um Punkte wie legitimen Gewalteinsatz oder Kapitalismuskritik vs. Kapitalismusabschaffung. Das erinnert an die Antifa oder andere engagierte Gruppen im sehr linken Spektrum. Dies hat bisher die etablierten NGOs – die zum großen Teil auf Spendengeld aus der Mittelschicht angewiesen sind – noch von einer breiten Zusammenarbeit abgehalten. Anstatt wie Oxfam, Germanwatch oder die Böll-Stiftung bei Klimaverhandlungen als Berater_innen und Kritiker_innen den Delegationen der Staaten zu assistieren hat die Bewegung eine Blockade von Kohlekraftwerken oder einen Sturm auf Konferenzzentrum organisiert.
Es gab eine verschwommene Arbeitsteilung in Kopenhagen. Die Bewegung war in Kopenhagen auch innen mit viel TamTam aktiv, was zusammen mit anderen Faktoren (viele Staatchef_innen, repressive Gastgeber_innen etc.) zu einem Ausschluss und jeder Menge Frust geführt hat. War die inside-outside Strategie der Bewegung (als Kompromiss aus den Strömungen entstanden) vielleicht zu breit und stimmt, was in der TAZ stand?
„Der Protest in Kopenhagen war viel zu unspezifisch, die Ziele sind nicht deutlich geworden“, sagt Chris Methmann von Attac. Weil oft unklar sei, wer der Beteiligten Gegner und wer Verbündeter ist, seien Klimagipfel „für eine Zuspitzung schlecht geeignet“. Darum sollte „Bewegungsenergie nun stärker in lokale Konflikte fließen“ – etwa mit verstärkten Kampagnen gegen Kohlekraftwerke oder für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.
Der Protest in Kopenhagen hat öffentlich angeprangert, was viele NGOs nicht so formulieren würden: die „falschen Lösungen“ erstrecken sich möglicher Weise nicht nur auf einen schlecht tarierten Emissionshandel, sondern auf ökonomische Instrumente an sich. Ohne diese jedoch durchweg pauschal abzulehnen wurde die Debatte durch den COP15-Protest erweitert und nun debattieren sogar etablierte Parteien wie die Grünen über den Sinn und Unsinn von „Grünem Kapitalismus“. Unspezifisch war der Protest nur für die, welche mit der Thematik schon warm waren – viele andere tausende Menschen, denke ich, haben sich eine ganz neue Sichtweise erschließen können.
Es stimmt aber, dass der Klimaprotest wieder radikaler dem Slogan „Think globally, act locally“ folgen sollte. Statt eine sich selbst zersetzende UN-Konferenz von außen zu stürmen (und dabei von einheimischen Polizist_innen grundlos zu Brei geschlagen zu werden) muss die Bewegung an Moorburg anknüpfen und lokal aktiv sein. Es wurden in Deutschland schon Kohlekraftwerke verhindert und es werden weiterhin welche verhindert werden. Be part of it! Die Bewegung mit ihren begrenzten (finanziellen) Ressourcen sollte kein internationales Demo-Hopping veranstalten sondern lokal ihre Kräfte bündeln.
Die NGOs, welche auf Grund ihrer ThinkTank-Ausrichtung einer aktiven Klimabewegung nur wenig „human-power“ bringen, sollten die radikalen Maßnahmen theoretisch flankieren (wie z.B. die DHF). Studien über gewaltfreie Blockaden, Lobbying gegen die zunehmende Pauschlaverurteilungen von linken Aktivist_innen oder Veranstaltungen die Klimabewegte zusammenbringen können hier helfen. Selbstverständlich sollten die „Expert_innen“ der betuchten NGOs weiterhin auf den Klimakonferenzen anwesend sein, doch muss in Zukunft realistischer mit den Einflußmöglichkeiten umgegangen werden. Natürlich darf dieses Feld nicht den industrienahen NGOs überlassen werden! Diejenigen NGO-Vertreter_innen, die nah am polititschen Prozess dran sind, müssen sich nach wie vor einmischen. Eine kohärente Strategie muss kein Entweder-Oder sein! Arbeitsteilung ist gefragt – aber dazu müssen die Akteure trotz teilweise divergierender Ideologien öfter an einen Tisch kommen.