GASTBEITRAG VON INGRID SPILLER, hbs MEXICO, DIE VOR ORT IN COCHABAMBA IST:
Ein bisschen Kopenhagen Feeling, ein bißchen Weltsozialforum Feeling – so fühlt sich der erste Tag auf dem Klimagipfel in Cochabamba an, zu dem Boliviens Präsident Evo Morales eingeladen hat. Immerhin sind etwa 30 000 Teilnehmer_innen gekommen, weit mehr als erwartet. Nur die Präsidenten und Staatsoberhäupter machen sich rar, noch ist unklar, ob überhaupt einer kommen wird. Offiziell wird noch mit Venezuelas Präsident Hugo Chavez, Nicaraguas Präsident Daniel Ortega und Luba aus Paraguay gerechnet.
Insgesamt herrscht dieses altbekannte organisatorische Chaos, das – wie wir spätestens seit der COP in Kopenhagen wissen – nicht nur die Weltsozialforen auszeichet. Eine verwirrende Unübersichtlichkeit durch fehlende Programmhefte, kurzfristig und damit nicht mehr kommunizierbare Wechsel von Veranstaltungen und Veranstaltungsorten u.s.w., die einen erstmal für mehrere Stunden beschäftigen. Bis man sich dann so halbwegs zurechtgefunden hat, seine politischen und privaten Kontakte schliesslich doch zufaellig auf dem Gelände getroffen hat und weiss, wo man den besten Internetzug ang hat, oder wo am besten fürs leibliche Wohl gesorgt wird. Auch die langen Akkreditierungsschlangen, in denen die meisten 3-4 Stunden hier in Cochabamba warten mussten, sind uns aus Kopenhagen noch gut in Erinnerung. Dafür werden die Akkreditierungsausweise hier aber auch immer gewissenhaft beim Rein- und beim Rausgehen gescannt. Warum diese Sicherheitsmaßnahme überhaupt notwendig ist, erschliesst sich dem Normalsterblichen nicht.
Was die inhaltlichen Debatten anbelangt, so ist es zumindest mir bisher nicht gelungen, etwas wirklich Neues zu entdecken. Diskutiert werden die inzwischen zumindest in der „Klimaszene“ bekannten Probleme und Dilemmata, ohne wirklich eine Antwort darauf zu finden: Wald, Wasser, Finanzen, Landwirtschaft und Nahrungsmittelsouveränitat, Neue Technologien und vieles andere mehr. Interessant vielleicht, dass drei Themen hier offensichtlich besonders gefragt sind: Indigene Völker und Rechte, Landwirtschaft und Klimamigration.
Besonders wichtig sind natuerlich die Strategiedebatten. Zumal der Gipfel von Cochabamba ja explizit mit dem Ziel ausgerichtet wird, aus dem Stillstand von Kopenhagen auszubrechen und über den Dialog zwischen Regierungen und Zivilgesellschaft neue Antworten und Wege zu finden. Deshalb wurden 17 thematische Arbeitsgruppen eingerichtet, deren Ergebnisse in die Abschlußerklärung einfließen sollen. Bislang hat sich dabei aber vielleicht deutlicher als in anderen Zusammenhängen gezeigt, dass auch die globale Zivilgesellschaft nicht unbedingt an einem Strang zieht, sondern viele verschiedene Interessen vertritt. Im Grunde ist das ja nicht verwunderlich, weckt aber trotzdem Frustrationen. Darin liegt aber vielleicht auch eine Chance, denn die Tatsache, daß dieser Gipfel sehr viel mehr Gleichgesinnte vereint als bei den internationalen Klimaverhandlungen üblich, könnte dazu beitragen, daß man sich nun stärker auf die Gemeinsamkeiten als auf die Unterschiede konzentriert und so doch noch starke Alternativen entwickelt.
Fotos: privat von Ingrid Spiller