Am Mittwoch stellte der von der Bundesregierung ernannte Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) seine neueste Stellungnahme vor. Der Titel sagt eigentlich schon alles: „100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar“.
Die Kernaussagen sind: Deutschland und Europa könnten im Jahr 2050 ihren gesamten Strombedarf mit erneuerbaren Energien decken, zu jeder Stunde des Jahres. Deutschland könnte sich sogar autark versorgen. Besser, sicherer und billiger ist aber eine Stromversorgung im nord- oder gesamteuropäischen Verbund. Die Kosten für die Versorgung mit erneuerbarer Energie können durch eine anspruchsvolle Energiespar- und Effizienzpolitik gesenkt werde. Und – aufgepasst, liebe Atom- und Kohlefreunde – :
Weder eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken noch der Bau von neuer Kohlekraftwerke mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung sind notwendig. Anders ausgedrückt: Bereits der Bestand an konventionellen Kraftwerken (mit einem geringen Zubau an Gaskraftwerken) reicht als Brücke – hin zu einer regenerativen Stromversorgung aus.
Damit wird wieder einmal bestätigt, was auch die Energieindustrie mittlerweile nicht mehr leugnen mag: 100 % erneuerbare Energien in Deutschland und in Europa sind ohne große Probleme möglich. Neben der Rodmap 2050-Studie der European Climate Foundation (dazu Tilmans Blog) haben das auch bereits in verschiedenen anderen Studien nachgewiesen: Greenpeace hat 2009 einen „Plan B“ erarbeitet, der für 2050 auf 100% erneuerbare Energien für die Stromversorgung setzt und damit eine CO2-Reduktion um 90 % gegenüber 1990 erreicht. In geringem Ausmaß werden noch Erdöl und -gas genutzt hauptsächlich im Verkehrsbereich. Am meisten erreichen will der WWF: 95% Emissionsreduktion bis 2050 gegenüber 1990 mit dem Modell Deutschland. Dazu setzt es, wie die anderen Szenarien auch, auf erhebliche Steigerung der Energieeffizienz und auf Kraft-Wärmekopplung. Energie wird ausschließlich bereitgestellt durch erneuerbare Rohstoffe. Den „Traumwert“ von 95% erreicht es allerdings nur durch den Einsatz von CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS).
Demgegenüber nicht gerade ambitioniert war allerdings das Leitszenario 2009 des Bundesumweltministeriums das es immer hin auf 80% Emissionsminderung schafft. Fossile Brennstoffe spielen darin weiter eine Rolle, ca. 46% des Endenergieverbrauchs werden noch über Erdöl, Erdgas und Steinkohle gedeckt.
Die meisten der Szenarien sehen einen volkswirtschaftlichen Gewinn in der Umstellung auf Erneuerbare, da die fossilen Energieträger, wie bekannt, durch Verknappung immer teurer werden. Der SRU spricht davon, dass die Erneuerbaren zwischen 2030 und 2040 zur „kostengünstigsten Stromversorgungsoption“ werden.
Was mir besonders aus dem Herzen spricht: Der SRU rät dazu von Irrwegen wie CCS abzulassen. Die Kapazitäten von möglichen Endlagern sind stark begrenzt (und wie mit Endlagerfragen in der Bundesrepublik umgegangen wird, hat man ja mittlerweile gesehen). Unterirdische Speicherung tritt in Konflikt mit anderen Nutzungsmöglichkeiten wie Geothermie. Die Technologie ist noch nicht annährend bis zur Einsatzfähigkeit entwickelt, ob sie auf Dauer sicher ist, steht noch absolut in den Sternen und dafür ist die Entwicklung furchtbar teuer. Die Entscheidung für oder gegen CCS ist aber letztlich eine politische, denn auch der WWF zeigt in seinem Szenario auf, dass sich auch ohne den Einsatz von CCS eine Emissionsminderung von 87% erreichen lässt.
Die Forderungen des SRU an die Politik sind nun schnelles und entschlossenes Handeln, klare Zielvorgaben, klare rechtliche Rahmenbedingungen und ein Systementscheidung in Richtung 100% erneuerbare Energien. Die Regierung sollte dafür sorgen, dass die Erzeugungs-, und vor allem die Netz- und Speicherkapazitäten rasch ausgebaut werden. Besondere Chancen liegen in der Kooperation mit Norwegen wegen der dort vorhandenen Pumpspeicherkapazitäten in denen überschüssiger deutscher Strom bei Zeiten starken Windes „zwischengelagert“ werden und bei Bedarf abgerufen werden kann.
Hoffen wir mal, dass Merkel, Röttgen und der ganze Rest nicht beratungsresistent bleiben und statt unsinniger Geschenke für Wohlhabende, Hoteliers und Stromkonzerne, die Steuergelder besser in eine nachhaltige Energieversorgung umleiten.
Foto: Björn Ecklundt