Mit diesem Titel spiele ich nicht auf ein m.E. sehr gelungenes TAZ-Cover an, sondern auf den Bericht des Guardian über ein (mal wieder!) der Zeitung zugespieltes internes Schreiben. Diesmal von Yvo de Boer, den wir als Chef des UN-Klimasekretariats kennen. Seine Nachfolgerin Christiana Figueres steht schon bereit, den Job zu übernehmen, nachdem Yvo hingeschmissen hat. Jetzt traut sich einer der wichtigsten (und meistgeschätzten) Diplomat_innen der Welt zu sprechen, könnte man meinen. Aber wie gesagt, das Dokument ist ja älter und dem Guardian nur zufällig während der stockend-lahmen Verhandlungsrunde in Bonn in die Hände gefallen.
Die beiden Hauptgründe für ein Scheitern in Kopenhagen sind demnach die unterirdische Leistung unserer Lego-herstellenden Nachbarn aus dem Norden sowie der Konferenztourismus im Dezember bzw. die Staatschefproliferation im Bella Center, die selbiges für 3 Tage in eine militärgeschützte No-Go-Area verwandelte. Doch ist das alles?
Dänemark hat mit seinem „Danish Proposal“ versucht, sich in eine Reihe von Örtlichkeiten zu stellen die als Namensgeber für weltbewegende Dokumente gelten. Kyoto. Rom. Paris. Jalta. Vielleicht auch Gettysburgh usw. Kopenhagen wird eher wie die Berliner Konferenz 1885 als Fehlschuss der Geschichte zu sehen sein, wenn auch nicht so weitreichend. Yvo selbst meinte, dass mit dem „Danish Proposal“ 2 Jahre Arbeit mit einem Schlag vernichtet wurden (it „destroyed two years of effort in one fell swoop“), da die Positionen der Staaten sich nur weiter polarisierten.
Zudem kamen einfach zu viele Staats- und Regierungschef_innen. Ich finde das interessant, widerläuft es doch der Logik, dass die Drähte kürzer werden, wenn alle am gleichen Tisch sitzen und effektiver verhandelt werden kann (schnellere Kommunikation, vertraulicherer Umgang, evtl. bessere Ideen durch gemeinsames Nachdenken?). Der Prozess wurde paralysiert, die Gerüchteküche brodelte und es gab Ränkespiele (Yvo: „The process became paralysed. Rumour and intrigue took over.“).
Im Endeffekt lässt sich aber vielleicht noch ein dritter Punkt aufmachen: keiner wusste, wie weit er gehen konnte. Hatten fortschrittliche Regierungen eine konservative Opposition zu Hause, so konnten sich auch eigentlich feste eher rechte Regierungen nicht sicher sein, dass die eigene Partei oder „das Volk“ einschneidende Entscheidungen mittragen würde. Zudem waren viele unsicher, welche Handlungsspielräume die Krise zulassen wird. Andere Regierungen aus Staaten, die eher weniger der westlichen Demokratie anhängen, scheinen mehr „Freiheit“ zu haben, doch leider ist gerade bei diesen ihr eigener Wohlstand stark an eine nicht nachhaltige Lebensweise (siehe Saudi Arabien) gekoppelt oder aus Angst vor Unruhen muss Wachstum vor allem stehen.
Hier hilft aber doch nur Mut! Die Staats- und Regierungschef_innen müssen sich nicht gegenüber sitzen und anschreien, sondern sollten vorher den spezialisierten Delegationsleiter_innen mehr Verhandlungsraum einräumen. Hierzu müssen sie sich aber klar werden, dass auch wenn Klimaschutz sie kurzfristig viele Milliarden kosten wird (v.a. im Globalen Norden) und sie selber die „Klimadividende“ vielleicht nichtmehr erleben werden, das Problem so dringend ist, dass es keine andere Option gibt. Dafür muss sich vielleicht auch mal eine Regierung dem „Volkszorn“ opfern. Dafür muss ein Scheich seine Gesellschaft ummodeln. Dafür müssen vielleicht Mehrheiten auch parallel – nicht präventiv – gefunden werden. Es ist falsch, immer von Sachzwängen zu reden. Am Ende ist es Mut – und wenn auch nur als kleiner Funken – der die Lösung bringt.
Ohne Mut wird Christiana bald so aussehen, wie Yvo hier: niedergeschlagen und frustriert.
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