Die Debatte um Biokraftstoffe ist nicht neu, aber sie wird jetzt wieder heiß. Besonders die von den stärkeren Staaten forcierte „Entwicklung“ Afrikas durch Energiepflanzen bekommt derzeit wieder zunehmend Aufmerksamkeit. Neben der EU wollen Player wie Brasilien nicht nur Investitionsfeld der Europäer sein, sondern so wie BRIC-Kollege China in Afrika eigenes Geld machen. Die Handelspolitik macht es möglich, dass es sich rentiert, dort Biokraftstoffe anzubauen und diese weiter nach Europa zu schiffen – ein Dreieckshandel, bei dem Afrika die Verliererin sein könnte (das Prinzip klingt leider sehr bekannt). Die TAZ hat dies aufgegriffen (hier bei den Klimarettern zu lesen).
Ein Name fällt dabei immer wieder: Jatropha.
Das IFEU hat hierzu bereits 2008 eine Untersuchung gemacht.
„Jatropha, Jatropha curcas L., zu deutsch Purgiernuss, ist ein Strauch aus der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae), der weltweit in den Tropen und Subtropen verbreitet ist. Er gedeiht selbst in niederschlagsarmem Klima und auf degradierten, unfruchtbaren Böden, auf denen keine Nahrungsmittel angebaut werden können. Auf diesen Flächen tritt der Anbau von Jatropha somit nicht in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion. Jatropha trägt ölhaltige Samen. Das Jatrophaöl eignet sich gut für technische Zwecke und kann beispielsweise zu Jatropha-Biodiesel weiterverarbeitet werden. […]
Die dargestellten ökologischen Vorteile für Jatropha gelten vor allem dann, wenn Jatropha auf degradierten, unfruchtbaren Böden angebaut wird. Wenn sich allerdings durch die Neuanpflanzung einer Jatropha-Plantage der Kohlenstoffvorrat der Anbaufläche im Vergleich zur ursprünglichen Vegetation verringert, so kann die Treibhausgasbilanz auch negativ ausfallen. Daher wird empfohlen, den Anbau von Jatropha nur auf solchen Standorten durchzuführen, an denen höchstens so viel Vegetation vorhanden ist, dass deren Rodung nicht mehr Treibhausgase freisetzt, als durch eine Jatropha-Plantage wieder gebunden werden.“ (fett nicht im Original)
Eine neue Studie von Friends of the Earth International widerlegt zudem die „Mythen“ über Jatropha. So sei die Pflanze in Mozambique nicht auf karges Land angepflanzt worden, sie brauche nicht weniger Wasser und sei nicht resistenter gegen Schädlinge. Zudem sei sie eben doch eine Gefahr für die Nahrungsmittelproduktion. Zusammen mit der Zivilgesellschaft und den Kleinfarmer_innen fordert FOEI einen vorläufigen Stopp der lokalen Jatropha-Projekte.
„jatropha production is failing to meet expected outcomes, and is in fact endangering food sovereignty and rural livelihoods“
Optimist_innen würden dennoch sagen, dass bei richtiger Umsetzung die Pflanze ein Wundermittel sein kann. Diese hat Gerald Herres mit seinem Team von der Uni Paderborn versucht zusammen zu fassen (hier eine Zusammenfassung auf der Website von Franz Alt):
1. „Solarthermische Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie zu bauen, die ihre Abwärme weitergeben an
2. Meerwasserentsalzungsanlagen, deren Produkt nicht nur zum Trinken, sondern zur
3. Bewässerung von Energiepflanzen und Nahrungsmitteln dient, um dann
4. pflanzliche Energieträger anzubauen, ihre Produkte zu ernten und weiterzu¬verarbeiten.“
Das Problem ist folglich v.a. Wasser! Die Pflanzen brauchen zwar wenig, aber in dem Umfang, in dem Jatropha angepflanzt wird, kommen da schon einige Liter zusammen. Herres zeigt, wie dieses Problem gelöst werden kann und nebenbei noch Strom (in der Region!) erzeugt wird. Dennoch sind das viele Schritte, die auch noch hintereinander gegangen werden müssen. Hier sehe ich die Gefahr: denn die Konsument_innen in Deutschland wollen bestenfalls „Bio-Benzin“ zu erschwinglichen Preisen. Die komplizierte Verbindung vom eigenen Tank zu den Bewässerungsanlagen in Mozambique, der Stromerzeugung in Sambia oder der Meerwasserentsalzung in Tanzania – alles davon bitte auch noch nachhaltig und mit guten Sozialstandards versehen – ist sehr schwer darzustellen oder gar einzupreisen. Die Politik muss bei Biokraftstoffen feste Gebote für den Import setzen, die auch scheinbar sektorfremde Regeln (z.B. keine Verschärfung des Wettbewerbs um sauberes Wasser, Energie aus Photovoltaik) beinhalten. Doch das Grundproblem, dass in Afrika Rohstoffe für unseren Lebensstil „à la carte“ geordert werden, bleibt bestehen. Das hat weniger mit Fehlern der technischen Idee (s. Herres) zu tun, als vielmehr mit den Umständen sozialer und wirtschaftlicher Hierarchien vor Ort.