Gestern war mal wieder ein großes Treffen von Staatschefs in New York. Zehn Jahre nach Verkündigung der „Millennium Development Goals“ waren 125 Landeshäupter angereist, um sich über den Stand bei der Beseitigung der größten Plagen der Menschheit auszutauschen. Der letzte Gipfel von so vielen Staatschefs, bei der Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009, ist noch nicht lange her. Doch wurde nun allseits so getan, also habe der Gipfel in New York nichts mit Kopenhagen zu tun. Klimaschutz und Entwicklungspolitik finden immer noch auf getrennten Planeten statt.
Bei genauer Betrachtung wird zwar jedem klar, dass der Klimawandel auf sieben der acht Millennium Entwicklungsziele direkt einen negativen Einfluss üben kann; nur beim „Ausbau der Grundschulbildung (MDG2) besteht wohl kein direkter Zusammenhang. Bei Armutsreduktion (MDG1), Geschlechtergerechtigkeit (MDG3), der Verrringerung einiger der übelsten Krankheiten und Defizite in Gesundheitssystem (MDGs 4-6) sowie den Zielen Umweltpolitik und Globale Partnerschaft (MDGs7-8) ist der Zusammenhang indessen offensichtlich: mittel- bis langfristig wird ein ungebremster Klimawandel der größte Armutsverstärker sein, die Ernährungssicherheit gerade der verwundbarsten Bevölkerungsruppen der Welt gefährden, noch mehr Menschen das Recht auf Wasser streitig machen, Frauen überproportional belasten, Krankheitserreger wie Malaria oder Dengue in bisher unbelastete Regionen ausbreiten. Und wenn es mit dem Klima-Deal gar nicht klappen sollte, dürfte wohl auch die Idee einer globalen Entwicklungspartnerschaft zur Frace werden.
Doch davon ist in New York dieser Tage nicht viel zu hören. Vereinzelt taucht Klima als Thema auf, zieht sich aber nicht systematisch durch die Redebeiträge der Staatschefs oder die Verhandlungsagenda. Noch immer ist spürbar, dass bei der Ausarbeitung der MDGs im Jahre 2000 die Überzeugung dominiert hat, quantitatives wirtschaftliches Wachstum sei der wichtigste Motor zur Reduzierung der Armut. Wie kurzsichtig! Da doch eigentlich spätestens seit dem Rio-Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung 1992 klar ist, dass klassisches, auf fossilen Energien beruhendes, ressourcenintensives Wirtschaftswachstum zum einen ökologisch die Grenzen des Planeten überschreitet, zum anderen aber – und in diesem Fall besonders wichtig – auch für eine nachhaltige soziale und ökonomische Entwicklung der Länder des Südens völlig ungeeignet ist.
Dennoch ist es Status quo in den meisten Ländern, dass wirtschaftliche Entwicklung, Klimaschutz und Anpassungspolitik isoliert voneinander behandelt werden. Sowohl was die Ziele betrifft, aber auch, was ihre konkrete Planung und Durchführung betrifft – was die Institutionen betrifft, die für die jeweiligen Felder wirtschaftliche Entwicklung, Klimaschutz, und Anpassung zuständig sind. Was es hingegen braucht, ist eine kohärente Entwicklungsstrategie, in der Armutsbekämpfung, wirtschaftliche Diversifizierung, Emissionsminderung, Anpassung, Geschlechtergerechtigkeit usw. zusammengedacht werden.
Schließlich können Klimaschutz- und Anpassungspolitik in vielen Fällen so wunderbar mit Armutsbeseitigung verknüpft werden – oder eben auch nicht (siehe hierzu ausführlich eine druckfrische Broschüre Germanwatch). Die Energiearmut zu reduzieren kann mit dreckigen Kohlekraftwerken erfolgen, oder durch dezentrale Erneuerbare Energien gerade die Ärmsten zu Energieproduzenten machen. Das Gegenteil gilt aber auch: Ein zu starker Ausbau der Biomasse-Nutzung kann zwar den Ausbau der Erneuerbaren vorantreiben, aber die Ernährungssicherheit untergraben und die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme schwächen.
Insbesondere für die Anpassung an den Klimawandel ist es zentral, dass dieses Ziel von denselben Ministerien verfolgt wird, die auch die nationalen Entwicklungspläne ausarbeiten. Politiken zur Anpassung und zur Minderung von Emissionen müssen in die nationalen Entwicklungspläne gemainstreamt werden. Nur ein Beispiel unter vielen ist die Förderung einer nachhaltigen kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Sie kann drei Ziele verfolgen: die Ernährungssicherheit stärken sowie zur Minderung und auch zur Anpassung an den Klimawandel beitragen.
Solche Zusammenhänge oder Vorschläge für Politiken waren kaum zu hören auf dem Millenniumstreffen in New York. Stattdessen war vielfach von hohlen Versprechungen und großen Ankündigungen zu hören, derern Erfüllung abzuwarten bleibt. Dies ist immer besonders misslich, wenn es um Finanzzusagen der Industrieländer geht. Die aller meisten Industrieländer sind weit davon entfernt, das 0,7%-Ziel zu erreichen (Industrieländer sollen 0,7% ihres BIP für Entwicklungshilfe einsetzen). Auch die Bundesregierung behauptet koalitionsunabhängig seit vielen Jahren, dieses Ziel zu verfogeln – tut aber faktisch viel zu wenig bis nichts. So lobte Angela Merkel sich gestern in New York selbst, dass die deutsche Entwicklungshilfe im Jahr der Wirtschaftskrise nicht gekürzt wurde – obwohl Großbritannien vorgemacht hat, dass auch unter diesen Umständen die Hilfe leicht erhöht werden kann!
Auch beim Geld gibt es einen Zusammenhang zwischen Klima und Entwicklungszielen: Die Gefahr besteht, dass auch hier die beiden Ziele gegeneinander ausgespielt werden. Die Bundesregierung etwa hat in Kopenhagen zum einen postuliert, das 0,7%-Ziel weiter verfolgen und zugleich 420 Millionen EURO neues Geld für Klimaschutz zur Verfügung stellen zu wollen. Doch im Haushalt von 2010 sind von diesen 420 nur 70 Millionen neu eingestellt, der Rest waren Gelder, die bereits zuvor als Entwicklunfshilfe-Zusagen gemacht und nun als „neues“ Klimageld umtituliert wurden. Im Haushalt 2011 ist keine müde Mark neues Klimageld zu finden. Mit anderen Worten: der größte Teil an Geldern, die Deutschland im Süden für Klimaschutz und Anapssung ausgibt, wird der Verfolgung der Millenniums Entwicklungsziele weggenommen.
Um dem Problem notorisch knapper Kassen zu entkommen, fordern viele NGOs und Wissenschaftler seit langem, neue Geldquellen anzufassen: die Besteuerung des internationalen Schiffs- und Flugverkehrs etwa, oder eine Tobin-Tax einzuführen. Doch auch hier hat New York nix neues gebracht. Der Eindruck drängt sich auf, das selbst beim „gescheiterten“ Klimagipfel in Kopanhagen noch mehr passiert ist, als hier beim Treffen von 125 Staatschefs im UN Hauptquartier.
Außer ’ner Menge neuer Flugemssionen, die auch dieses Mal wieder emittiert wurden….