COP 16 in Cancun (3) – Wie Mexiko seine Klimaziele erreichen kann

von Annette Poeschel, Journalistin

Im internationalen Tauziehen um die Reduzierung von Treibhausgasen hat Mexiko angeboten, seinen CO2-Ausstoß um 50 Millionen Tonnen in 2012 zu reduzieren, bis 2020 um 30 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent. Immer wieder wirbt die Regierung mit ihrem Engagement – nur worin das tatsächlich besteht, welche finaziellen Mittel bereitgestellt werden bzw. nötig sind, darüber gibt es keine Übersicht.

Deshalb und vor dem Hintergrund, dass die Regierung ein Prozent seines BIP für die Klimaproblematik aufwenden möchte, hat die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit acht ziviligesellschaftlichen Organisationen Mexikos Haushalt 2011 unter die Lupe genommen. Sie haben herausgearbeitet, welche klimarelevanten Maßnahmen in den Bereichen Transport, Energie, Land- und Forstwirtschaft ergiffen werden müssen bzw. welche Gelder dafür nötig sind. Diese Vorschläge wurden kürzlich an die Haushaltskommission im Abgeordnetenhaus verschickt. So soll eine finanzpolitische Diskussion angeregt werden, die auch die mexikanischen Klimaziele in ihre Betrachtung einschließt.

Analyse des Energiesektors

In diesem Bereich wird in Mexiko das meiste Kohlendioxid freigesetzt: Allein die Stomerzeugung ist für 27,3 Prozent der Emmission verantwortlich. Und gerade hier zeigt sich die Ambivalenz der Politik: Grundsätzlich hat sie die Notwendigkeit erkannt, Energie effizienter zu nutzen, Energie zu sparen und auf die Nutzung von erneuerbaren Energien zu setzen – dabei auch die internationale Zusammenarbeit zu förden und die eigene Forschung auszuweiten. Noch immer aber ist die Wirtschaft von fossilen Brennstoffen abhängig, dementsprechend haben im Haushalt auch ganz klar fossile Brennstoffe und Atomstrom Vorrang.

An dieser Situtation wird sich auch perspektivisch nichts ändern können, wenn mit Nachdruck die Nuklearenergie gefördert wird, wenn abgesehen von großen Wasserkraftwerken kaum Projekte fuer Erneuerbare Energien unterstützt werden, auch nicht solche, die sich bereits als lebensfähig erwiesen haben. So konnte zum Beispiel das Pilotprojekt zur Gewinnung von Solarenergie in Santa Rosalía, Baja California, aus Geldmangel nicht weitergeführt werden.

Da liegt es auf der Hand, dass die Organisationen darauf dringen, endlich den politischen Ankündigungen auch konkrete Taten in Form von Programmen und Finanzen folgen zu lassen. Sie fordern zum einen Programme zur Energieeffizienz in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Zum anderen muss der Forschung und Entwicklung von erneuerbarer und sauberer Energie Vorrang eingeräumt werden: wie zum Beispiel Solar-, Wasser-, Wind- oder Geothermischer Energie. Dazu schlagen sie vor, zunächst die Ausgaben für die jeweiligen Bereiche genau aufzulisten und transparent zu machen, um dann die Gelder zugunsten klimafreundlicher und ökologischer Maßnahmen umzuschichten. Zum Beispiel erhält die Nationale Kommission zur effizienten Nutzung der Energie (CONUEE) gerademal 65 Millionen Pesos (rund 3,8 Millionen Euros), wohin gegen das Nationale Institut der Nuklearforschung 462 Millionen (rund 27 Millionen Euro) erhält.

Die Organisationen haben die einzelnen Haushaltstitel genau angesehen und Vorschläge unterbreitet, bei welchen Projekten gespart (zum Beispiel durch Verzicht des Baus neuer Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen bzw. von Mega-Wasserkraft-Prrojekten, die Umwelt und soziales Gefuege schwer schädigen würden) und bei welchen Projekten (z.B. Erneuerbare Energien, Elektrifizierung auf dem Land) das Geld eingesetzt werden könnte.

Analyse des Transportsektors

Da zweite klimapolitische Sorgenkind ist der Transportsektor: Mehr als ein Viertel  (27,2 Prozent) aller CO2-Emmissionen fallen im Straßenverkehr – Tendenz steigend. Kein Wunder angesichts der Tatsache, dass in Infrastrukturmassnahmen am meisten investiert wird. Das ist auch im Haushalt 2011 so. 90 Prozent der für den Transportsektor bereitgestellten Gelder sollen für den Ausbau von Autobahnen, Brücken und Tankstellen ausgegeben werden.

Anstatt den Straßenausbau und den Schwerlastverkehr weiter zu favorisieren, schlagen die Organisatoren vor, mehr Gelder für den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes bzw. die Wasserwege aufzuwenden. Schließlich ist hier der Transport zum einen effizienter, zum anderen trägt er sofort zur Reduzierung der Treibhausgase bei. Dazu gehört auch der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs.

Analyse der Fortswirtschaft

Wie schwer es der Politik fällt, die eigenen Vorgaben zu erfüllen, zeigt sich vor allem im Bereich der Fortswirtschaft. Hier scheinen Umweltschutz und wirtschaftlicher Fortschritt noch immer schwer versöhnlich:

Pro Jahr wird in Mexiko rund eine halbe Million Hektar Wald und Regenwald vernichtet. Allein dadurch steigt der CO2-Ausstoß um 14 Prozent. Durch die Abholzung gehen aber nicht nur die Bäume selbst als wichtiger Kohlendioxid-Speicher verloren. Außerdem wird das CO2 freigesetzt, was in den Pflanzen und in der Biomasse im Erdboden eingelagert ist. Der einmal in entstandene Schaden kann durch spätere Wiederaufforstung nicht behoben werden.

Zwar hat die Politik erkannt, wie wichtig die Wälder sind, aber die Weichen sind falsch gestellt: Laut Haushalt 2011 fließen 57 Prozent der Gelder, die die Nationale Waldwirtschafts-Kommission  (CONAFOR) erhält, in die Wiederaufforstung. Dagegen werden nur 13 Prozent dafür aufgebracht, Abholzung und Rodungen zu vermeiden.

Daher raten die Organisationen eindringlich, in erster Linie die vorhandenen Wälder zu schützen. Insgesamt müssten mindestens 600 Millionen Pesos (circa 35,5 Millionen Euro) für Programme aufgewendet werden, die sich um nachhaltiges Forstwirtschaften bemühen. Das könnte allein durch Umverteilung der Gelder innerhalb das Auffortstungsprgramm ProArbol-Programme erreicht werden.

Grundsätzliche Einschätzung des Klima-Wandel-Programms der Regierung

Angesichts der Tatsache, dass die Regierung ein eigenes Klima-Wandel-Programm (PECC), aufgelegt hat, dass den allgemeinen Rahmen der Politik abstecken soll, finden es die Organisationen sehr bedenklich, dass für die Fortführung gerade mal 11,3 Millionen Pesos (rund 670.000 Euros) aufgewendet werden sollen. Nicht nur hier müssten deutlich mehr finanzielle Anstrengungen unternommen werden – sondern im gesamten Umweltbereich. Hier waren die Ausgaben um 11 Prozent gekürzt worden.

Durch fast alle Bereiche des Haushalts 2011 zieht sich eine Diskrepanz von Theorie und Praxis, dass den Ankündigungen der Politik nicht die entsprechenden Taten folgen. Es bleibt also noch ein gutes Stück zu tun, diese Lücke zu füllen.

An der Analyse beteiligte Organisationen:

AIDA – Asociación Interamericana para la Defensa del Ambiente

CCMSS – Consejo Civil Mexicano para la Silvicultura Sostenible, A.C.

CEMDA – Centro Mexicano de Derecho Ambiental

CEDAN – Tecnológico de Monterrey

Clima Integral

cts México – Centro de Transporte Sustentable

Heinrich Boell Stiftung

Oxfam México


Posted

in