US-Präsident Obama will sein Land unabhängiger von ausländischem Öl machen und die Importe um ein Drittel drosseln. Das ist ein hehres Ziel, aber wird den Klimaschutz nicht weit voranbringen. Ohne ehrliche Diskussion über schärfere Verbrauchsstandards für Autos, eine intelligente Flächen- und Verkehrsplanung sowie höhere Benzinsteuern werden sich die USA nicht aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreien.
In einer lang zuvor angekündigten Rede an der Georgetown University hat Obama seine neue Energiepolitik skizziert. Es war eine energiepolitische Grundsatzrede, zu der etliche Minister und ranghohe Politiker aus dem Kongress anwesend waren. Die deutschen Zeitungen SPIEGEL, Tagesspiegel und FAZ berichten ausführlich. Für die US-Öffentlichkeit und die Leserinnen und Leser unseres Blogs (siehe Anders tickende Atomuhren) wenig überraschend kam Obamas Plädoyer für ein Festhalten an der Atomkraft. Dazu berichtet die ZEIT:
Obwohl die Reaktorkatastrophe in Japan auch in den USA die Nachrichten beherrscht, sprach Obama nur kurz über die Zukunft der Kernenergie. Sie habe „ein wichtiges Potenzial“, mit ihr könne man „Strom erzeugen, ohne Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen“. Er habe „eine umfassende Überprüfung angeordnet“, um „die Sicherheit der bestehenden Kernkraftwerke zu gewährleisten“ und damit „bei der Planung und dem Bau der nächsten Generation die Lehren aus Japan berücksichtigt“ werden.
Obama und die Demokraten (die Republikaner sowieso) wollen an der Atomkraft auch nach Fukushima festhalten. Trotz Schuldenkrise sind Milliardensubventionen für den AKW-Neubau im Haushalt hinterlegt. Das ist im angesicht knapper Ressourcen eine echte Geldverschwendung. Doch so teuer, wie die Atomkraft inzwischen geworden ist, wird man die daraus folgenden Projekte an einer Hand abzählen können.
Obama erklärt zum Ende der Rede hin der Öffentlichkeit einmal mehr, dass die ökologische Modernisierung die Wirtschaft der USA ankurbeln wird. Es zeichnet sich ab, dass die Erneuerung der Energieinfrastrukturen eine zentrale Säule in Obamas wirtschaftspolitischer Agenda im Wahlkampf 2012 wird. Dabei, so wird der US-Präsident nicht müde zu betonen, stünden die USA im Wettbewerb zu Ländern wie China und Deutschland:
And we’ve got to start now because — think about this — in the 1980s, America was home to more than 80 percent of the world’s wind capacity, 90 percent of the world’s solar capacity. We were the leaders in wind. We were the leaders in solar. We owned the clean energy economy in the ‘80s. Guess what. Today, China has the most wind capacity. Germany has the most solar capacity. Both invest more in clean energy than we do, even though we are a larger economy and a substantially larger user of energy. We’ve fallen behind on what is going to be the key to our future.
Was bedeuten Obamas Vorschläge für die USA? Aus meiner Sicht sind sie nicht mehr als Trippelschritte, um Amerika unabhängiger von Ölimporten zu machen. Sie sind zugleich Ausdruck der politischen Realitäten. Der Wahlkampf 2012 wirft seine Schatten voraus. Ohne eigene Mehrheit im Kongress kämpft Obama gegen Republikaner, die mehr Ölbohrungen in den USA fordern, Umweltstandards schleifen wollen und große Geländewagen als Inbegriff des American Way of Life propagieren. In dieser Lage sind Obamas Botschaften die richtigen, auch wenn ihnen Anspruch und Inspiration abgehen. Es gibt gute Blaupausen, wie die USA wirklich unabhängiger von Ölimporten werden können, zum Beispiel von Senator Jeff Merkley America Over a Barrel: Solving Our Oil Vulnerability (pdf). Obama gibt sich als wirtschaftsfreundlicher Präsident, der für mehr Investitionen in erneuerbare Energien, in Biotreibstoffe und in Elektromobilität wirbt. Für Elektroautos schlägt Obama einen Kaufzuschuss von 7.500US$ vor. Soweit wagt sich die deutsche Bundesregierung nicht vor, einen vergleichbaren Vorschlag sucht man von ihr vergebens.
Obama nimmt dem scheinheiligen Ruf nach weiteren Ölbohrungen den Wind aus den Segeln, wenn er erklärt, dass die großen Ölmultis schon seit Jahren auf ungenutzten Lizenzen für neue Bohrungen sitzen. Dabei vermeidet er scharfe Angriffe auf die Republikaner, die das eigentlich verdient hätten. Der US-Präsident gibt sich als Freund der Wirtschaft und will niemanden wehtun: weder den Energiemultis, deren großzügige Steuerprivilegien endlich abgeschafft werden sollten, noch der Autoindustrie, die im internationalen Vergleich lächerlich geringe Effizienzstandards erfüllen muss. Das mag gut im Wahlkampf sein, aber wird die USA beim Klimaschutz nicht voranbringen. Ohne ehrliche Diskussion über schärfere Verbrauchsstandards für Autos, eine intelligente Flächen- und Verkehrsplanung sowie höhere Benzinsteuern werden sich die USA nicht aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreien.
Foto: US-Ölförderung von richardmasoner unter CCL.