Business-as-usual auf dem Petersberger Klimadialog

Fast so nett wie in Kopenhagen: einige Umweltminister beim Verhandeln (Foto: BMU)
Fast so nett wie in Kopenhagen: einige Umweltminister beim Verhandeln (Foto: BMU)

Die Krise der internationalen Klimapolitik wird immer deutlicher, wenn man dieser Tage nach Berlin geschaut hat. Dort fand die Fortsetzung eines im letzten Jahr auf dem Bonner Petersberg gestarteten Exklusiv-Dialogs statt. Da protestierte Greenpeace routiniert mit Banner für ein besseres Klima, NGOs gaben Pressemitteilungen raus, welche kritisch bis optimistisch waren und die Klimaführerin Merkel forderten. In den Verhandlungen würde man von BAU – business as usual – sprechen. Es passiert nicht viel, wenn man mal von den technischen Details absieht, welche selbst für das politische Führungspersonal undurchschaubar sind. Es wäre aber auch vermessen, große Antworten vom Petersberg zu erwarten. Zum Einen gilt dieses informelle Treffen (Gästeliste hier) nur als Vorbereitung auf die großen COPs und man wird sich hüten, wie vor Kopenhagen im Hinterzimmer vorab einen Vorschlag zu erarbeiten. (Das nächste demokratischere Zusammentreffen im UNFCCC-Kontext ist im Oktober in Panama.) Zum Anderen treffen sich hier nicht die Vorreiterstaaten der Klimapolitik, sondern eine bunte Mischung. Dabei reicht es schon, die USA, China und ein ambitioniertes Südland (z.B. Tuvalu oder – mit Abstrichen – Bolivien) am Tisch zu haben, um Stillstand zu bekommen. Umweltminister Röttgen hatte aber auch noch Golfstaaten und weitere „Entwicklungsländer“ – insgesamt 35 Staaten (2010 waren es noch 43) – eingeladen. Dementsprechend „substanzlos“ (so Greenpeace) war das Ergebnis des Treffens. Für etwas Interesse sorge die südafrikanischen Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane. Wiederholt wird eine starke Frau (nach Connie Hedegaard und Patricia Espinosa Cantellano) im Dezember der COP vorsitzen. Doch um nicht den gleichen Fehler wie vor Kopenhagen zu machen – und auch den öffentlichen Druck nicht steigen zu lassen – erklärten sie und Röttgen ganz realistisch, dass es kein verbindliches Klimaabkommen in Durban geben wird.

Schon der letzte Petersberger Dialog war ganz der Realpolitik verschrieben: die von einigen Männern (und Frau Merkel) niedergeschriebenen Punkte aus dem „Copenhagen Accord sollten rechtsverbindlich werden; d.h. der Dialog bereitete Cancún vor. Diesmal ging es im Folgeschritt um

„eine Balance zwischen konkreter Umsetzung („Cancún Agreements“) und politischen Themen (Minderung und Rechtsform), die in Durban zu einem Paket geschnürt werden könnten und mehr sind, als die bloße Umsetzung der Ergebnisse von Cancún („Implementierung Plus“). Die schnelle und konsequente Implementierung der „Cancún Agreements“ wird Vertrauen aufbauen und helfen, Fortschritte bei den politischen Fragen (u.a. beim Anspruchsniveau der Minderungszusagen, Gerechtigkeit und “carbon space”) zu erzielen und das politische Momentum für ein umfassendes, bindendes und globales Abkommen aufrechtzuerhalten.“ (Quelle: BMU)

Es soll also primär das in Cancún erzielte bis Durban halbwegs funktionieren, damit man dort etwas besser (weiter)verhandeln kann. Um was genau es dabei gehen soll – eine Kyoto-Fortsetzung oder ein ganz neues Protokoll – darüber ist man sich immer noch nicht so sicher: Kyoto lebt! Und ist gleichzeitig nur Muster für ein weitergehendes Abkommen (Quelle: BReg). Diese Unklarheit bemängeln u.a. auch die Klimaretter.

Kanzlerin Angela Merkel sprach sich zudem für mehr Transparenz und einheitliche Messverfahren sowie klarere Überprüfungen aus (hier und hier). Diese ICA- (international consultation and analysis) und MRV- (Measurable, Reportable, and Verifiable) Methoden sind vor allem zwischen China und den USA sehr umstritten. Eine Einigung in der Methodik heißt dabei noch lange nicht, dass auch die entsprechenden Reduktionsverpflichtungen auf den Tisch kommen. Doch zumindest könnte sich kein Land mit falschen oder geschönten Zahlen besser darstellen, als es eigentlich ist.

Merkel sah sich im Rückenwind mit ihrer „Energiewende“ und bestand daher auch auf die Verknüpfung von Energie- und Klimapolitik. Dass die Ausbauziele weiterhin in Deutschland jeder Realität hinterher hinken und ein nötiger Strukturwandel auch nach dem Gesetzesgalopp von letzter Woche noch in weiter Ferne ist, blieb selbstverständlich ausgeklammert. Ebenso die Tatsache, dass Deutschland die Welt bei der Klimafinanzierung betrügt: 35 Millionen flossen letztes Jahr, dabei hat Deutschland gut und gerne die Kapazität und Verantwortung, hundert mal so viel zu zahlen. Ironisch die Ankündigung daher, beim Petersberger Dialog soll es „[e]ine klare Botschaft, wie es mit der Klimafinanzierung weitergehen soll [geben] … um Vertrauen zwischen Staaten und für den internationalen Prozess zu schaffen.“

Laut der Süddeutschen Zeitung hat die Bundesregierung an diesem Wochenende eine „neue internationale Strategie“ gezeigt. Und diese macht m.E. auch Sinn. Anstatt des bisherigen Mottos „nothing is agreed until everything is agreed“ (etwa: Es besteht erst Einigkeit, wenn alles ausgehandelt ist.) „sollten die Staaten zunächst einzelne Themengebiete festzurren, und das möglichst verbindlich.“ Diese Strategie der „zunehmende[n] Rechtsverbindlichkeit solle helfen, nationale Handlungsweisen in ein internationales Verbindlichkeitsregime zu überführen“, (Quelle: SZ). Schon am Samstag schrieb Röttgen in der FAZ: „Bei der Klimadiplomatie geht es zwar nur schrittweise voran, aber das Erreichte gilt dann für alle Staaten und ist auf Dauer angelegt.“ Leider vergaß er dabei, dass kleine Schritte nur dann sinnvoll sind, wenn man noch rechtzeitig ins Ziel kommt. In einer Welt, die geradewegs auf 6°C globale Erwärmung zusteuert, reichen Trippelschritte nicht aus. Wenn Röttgen die Klimschutzpolitik wirklich als neue „WeltordnungspolitiK“ sieht, dann reicht Zeit und Geduld nicht aus, weil dann – und auch das hat er eigentlich erkannt – „eine stabile Weltordnung nicht mehr denkbar [ist].“ (FAZ)