Von Bastian Hermisson (Heinrich-Böll-Stiftung)
Die Wende hin zu 100 % Erneuerbaren Energien im Strombereich bringt große Herausforderungen für die Stromnetze mit sich, sowohl in Deutschland als auch im europäischen Maßstab. Die Frage ist, welche Netze wie ausgebaut werden müssen, um eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung mit Erneuerbaren dauerhaft zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang wird ein Grundkonflikt zunehmend deutlich.
Auf der einen Seite stehen diejenigen, die einen grundsätzlichen Umbau unseres Energiewirtschaftssystems anstreben, basierend auf einer dezentralen Energieversorgung. Diese Dezentralisten setzen auf regionale Energieautonomie, und sie können unter anderem für sich beanspruchen, dass es kleinere dezentrale Energieversorger waren, die in den letzten Jahren entscheidend zum Boom der Erneuerbaren Energien beigetragen haben.
Auf der anderen Seite stehen die Zentralisten, die für den Umbau unseres Energiesystems auf großflächige Lösungen setzen. Erneuerbare Energien sollen demnach vor allem dort in großem Maßstab gewonnen werden, wo sie am effektivsten und damit kostengünstigsten zu erzeugen sind. Nach dieser Logik ist die dringlichste Herausforderung der Energiewende der Bau neuer Energieautobahnen, welche Orte großflächiger Energieerzeugung mit den oft weit entfernten Abnehmern verbinden (siehe die Desertec-Initiative). Dieses Modell könnte, im Gegensatz zur dezentralen „Insellösung“, zu einer europaweiten gegenseitigen Vernetzung führen.
Der Gegensatz zwischen diesen beiden Modellen ist ein weitgehend künstlicher. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen, die ein umfassender und schneller Umbau unseres Energiesystems auf europäischer und globaler Ebene beinhaltet, brauchen wir beides: die Unterstützung dezentraler Ansätze ebenso wie die Förderung großflächiger Projekte.
So darf hinter der derzeitigen intensiven Debatte um den Ausbau von Hochspannungsleitungen die Entwicklung kleinflächiger Lösungen nicht zurückbleiben. Auch darf die Förderung von Großprojekten nicht dazu führen, dass die Förderung Erneuerbarer Energien vor Ort zurück gefahren wird.
Zugleich ist klar, dass wir für den schnellen Umbau des Energiesystems auch in großem Maßstab Erneuerbare dort erzeugen müssen, wo sie am effektivsten verfügbar sind, inklusive des notwendigen europaweiten Ausbaus der Stromnetze. Die dafür notwendigen Investitionen wiederum werden wir ohne die Einbindung der kapitalstarken großen Energieerzeuger nicht leisten können – schon gar nicht auf europäischer Ebene.
Derzeit steht die mangelnde Vernetzung im Strombereich in der EU und ihren Mitgliedstaaten auch einem wirklichen Wettbewerb im Wege, den wir brauchen, um die oft real existierenden Monopole einzelner Energieerzeuger zu brechen. In der aktuellen Studie „Zur Governance des Übertragungsnetzes“ untersuchen Antonella Battaglini und Johan Lilliestam, welche Hürden es für den notwendigen Ausbau transnationaler Stromnetze in der EU derzeit gibt, und welche Regulierung auf europäischer Ebene dafür notwendig wäre.
Dies wäre ein wichtiger Baustein hin zu einem europäischen SuperSmartGrid, der dezentrale und zentrale Lösungen verbinden und zu einer erneuerbaren Zukunft führen kann.