Ein Erdbeben an der US-Ostküste offenbart Zweifel an der Sicherheit amerikanischer Atommeiler. Ein Kraftwerk hat auf Notstromversorgung umgeschaltet. Jetzt rast ein Hurrikan auf Amerikas Südostküste zu, wo etliche Atommeiler betrieben werden.
Der Spiegel hat die Story:
Ein Beben der Stärke 5,8 hat den Osten der USA erschüttert – und gleich zwölf der dortigen Atomanlagen mussten ein „ungewöhnliches Ereignis“ melden. Das entspricht der niedrigsten von vier Warnstufen der US-Atomaufsicht. Die beiden Druckwasserreaktoren von North Anna waren stärker betroffen: Die externe Stromversorgung fiel aus, die Notstromaggregate sprangen an. Zumindest mit einem von fünf Notstromdieseln gab es Probleme. Dabei sind die Aggregate entscheidend, um nach dem Blackout die Kühlung der Reaktorkerne zu sichern. Experten gelang es schließlich, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Am späten Dienstagabend konnte nach Angaben der Betreiberfirma Dominion Virginia Power auch die externe Stromversorgung wieder hergestellt werden.
Das Szenario, nur 130 Kilometer von der US-Hauptstadt Washington DC entfernt, erinnert an den Beginn von Fukushima. Nicht das Beben als solches setzte die Kernschmelze in Gang, sondern das Versagen der Notstromversorgung. Die Atomindustrie behaupten gerne, dass ihre AKWs den allerhöchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen. Ein Lügenmärchen, wie ein Blick in die Praxis zeigt. Der Demokrat Ed Markey, Amerikas oberste anti-Atom-Stimme im Kongress, listet auf, dass allein in den letzten acht Jahren die Notstromversorgung in 74 Fällen an US-Atommeilern versagt hat. Die nationale Regulierungsbehörde NRC müsse endlich bessere Standards vorschreiben und auch durchsetzen.
NRC ist das Stichwort. Die Behörde hat immer wieder demonstriert, dass sie kein Interesse an einer strengen Regulierung hat (NRC: Der Fisch stinkt vom Kopf) und spielt auch den aktuellen Vorfall herunter. Der Spiegel erneut:
Bei der NRC wurde der Vorfall auf der Warnstufe zwei von vier eingeordnet… Die Nachrichten-Webseite „The Raw Story“ etwa berichtet, dass die Erdbebensensoren in der Umgebung der Atomkraftwerke in den neunziger Jahren abmontiert wurden – aus Kostengründen… Der ehemalige NRC-Direktor Victor Gilinsky attestiert seinen Nachfolgern bei der Frage der Erdbebensicherheit gar eine „unverantwortliche“ Herangehensweise. Die Behörde erneuere die Lizenzen für AKW, ohne sich um neue Erkenntnisse zur Standfestigkeit auch nur zu kümmern, warnte Gilinsky.
Die anti-Atomorganisation Beyond Nuclear erinnert jetzt daran, dass beim Bau des Atommeilers North Anna Ende der 1960er Jahre vertuscht wurde, dass die Anlage auf einer Erdbebenspalte steht. Wie die Washington Post 1975 berichtete, hat der Bauherr gefälschte geologische Gutachten vorgelegt. Als das aufflog, kam der Betreiber mit einer Zahlung von lächerlichen 60.000US$ davon. Die Anlage wurde unverändert in Betrieb genommen.
Es sind nicht nur Kaliforniens Atomkraftwerke über dem Sankt-Andreas-Graben, die tickende Zeitbomben sind. Auch in anderen Regionen droht, dass Sicherheitssysteme wegen eines Erdbebens versagen. Oder wegen eines Hochwassers. Oder an diesem Wochenende wegen eines Hurrikans, der mit hoher Geschwindigkeit auf den Südosten der USA zurast. Oder, oder, oder.
Es ist an der Zeit, dass die NRC die Sicherheitsstandards für den Betrieb von Atomkraftwerken verschärft. Zu lange hat sie mit der Atomindustrie gekuschelt. Sie muss auch ihre Praxis beenden, Laufzeitverlängerungen von Altmeilern einfach nur durchzuwinken.
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