Riesiger Strahlemann

StrahlemannNeulich in der Mittagspause stolperte ich auf dem Bürgersteig über einen Elektroinstallateursmeister. Er installierte gerade einen blau-grauen Pfosten am Straßenrand. Auf meine Frage erklärte er mir, das sei eine Ladestation für Elektroautos. ‚Aha, Elektroautos‘, dachte ich, ‚das geht voran.‘ Dann fiel mir das Logo auf dem Pfosten auf: RWE. Die Worte Braunkohle, Neurath und Atomkraft schossen mir durch den Kopf. Klar, woher der Strom für die Elektroautos kommen würde. Aber die Idee an sich fand ich toll. ‚Man könnte ja‘ dachte ich, ‚100.000 freundlichen Berlinern Solarzellen für ihre Autodächer spendieren und die könnten dann, während sie parken, Strom ins Netz einspeisen und RWE würde dann später die eingespeisten Kilowattstunden vergüten – nicht sofort, weil sie ja die Solarzellen bezahlt haben – und dann hätten alle was davon und das Klima wäre gerettet und alles wäre schön…‘ Was man halt so denkt, wenn man hungrig ist. Ich ließ den Elektroinstallateursmeister zurück, ohne ihn mit meinen Gedanken zu konfrontieren.

Ein paar Tage später bemerkte ich an einer Bushaltestelle ein Plakat, auf dem genau so ein RWE-E-Auto-Pfosten zu sehen war. Daneben ein graues, niedlich grinsendes Ungetüm, dem Bäume auf dem Oberarm wuchsen. Eine Mischung aus Jurassic Park, Shrek und Helmut Kohl. Die Message war mir zunächst nicht so ganz klar. Etwa: „Mit RWE zurück ins Erdmittelalter“ oder „RWE – Wir tun nett, machen aber alles platt“? Das konnte es nicht sein, denn da stand: „Mit Riesenschritten in die Zukunft“. ‚Aha‘, dachte ich wieder, ‚Zukunft, das geht voran, mit dem alten, begrünten Monster.‘

Gestern nun habe ich mir im Kino „Harry Potter“ angesehen. In der Werbung tauchte plötzlich auch dieses grau-grüne Monster auf. Wieder lieb grinsend pflanzte es Windräder in eine märchenhaft schöne Landschaft – eine Mischung aus Bayern, Nordsee und Mittlerer Westen. Danach setzt es Meeresströmungkraftwerke ins Meer und reparierte eine kaputte Überlandleitung. Beim anschließenden Sandkastenspiel im Braunkohletagebau ließ es einige Kohlekrümel auf das Föderband fallen um kurz darauf die geschundene Landschaft mit Rollrasen zu renaturieren. Der abschließende Blick über das Idyll zeigte bunte Heißluftballons und in der Ferne die schlanken Schlote eines Kohlekraftwerks. Es erschienen die Sätze „Es kann so leicht sein, Großes zu bewegen. Wenn man ein Riese ist.“

Mir blieb der Mund offen stehen. Zum Glück war es dunkel im Kino. Offenbar sollte mir und den anderen Zuschauer_innen weis gemacht werden, dass 1. RWE der Naturschützer Nummer 1 ist, 2. Braunkohleverbrennung Naturschutz ist und 3. für RWE alles überhaupt kein Problem ist. Na ja, wir glauben ja auch, dass die Welt von Harry Potter wirklich existiert. Die vierte Message, die dabei rumkommen sollte, ist auf der zugehörigen RWE-Webseite zu finden:

„Mit dem bekannten, freundlichen Filmmonster Shrek aus dem Sumpf hat der Energieriese nur soviel gemeinsam, dass beiden zuerst nur negative Vorurteile entgegengebracht werden. Dem Energieriesen wird unterstellt, er sei nur ein Ungetüm, das kleinere Unternehmen schlucke und nichts für die Umwelt tue.“

Armer, missverstandener Riesenkonzern!

Für mich enthält der letzte Satz des Kinotrailers auch noch eine Botschaft an die kleinen dezentralen Stromerzeuger: „…wenn man ein Riese ist. Wenn nicht, dann, tja…der Riese bestimmt eben wo es lang geht“. Aber bestimmt unterstelle ich das nur. Noch mehr „Unterstellungen“ hält der Klima-Lügendetektor vom Greenpeace Magazin und wir-klimaretter.de bereit.

Die Autopfosten gab es übrigens in dieser RWE-Wunderwelt ebenso wenig wie Atomkraftwerke. Wahrscheinlich hatte der Riese alle AKWs geschluckt und strahlte deswegen so glücklich. Ha, ha.


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