Die große Transformation

by Cayusa on flickrUnter dem Titel „Der große Ausverkauf“ hat Thomas Assheuer in der ZEIT einen fulminanten Essay zum Zustand des globalen Kapitalismus geschrieben.

Auf Klimapolitik wird nur kurz Bezug genommen, aber das ist gut getroffen:

Wie man weiß, besitzt der Kapitalismus ein großes Talent dafür, die sozialen und seelischen Nebenkosten seiner Selbstentfaltung abzuwälzen und unsichtbar zu machen. In Krisentagen ist stets jemand anderes schuld, zum Beispiel die Trägheit der Seelen oder die Selbstsucht des Managers, die saumselige Gesellschaft oder der faule Arbeitslose. Wahlweise auch die mimosenhafte Natur, die auf zarte Ausbeutungsversuche hysterisch mit einer Klimakatastrophe reagiert. Was auch immer geschieht – die Folgen des Kapitalismus werden externalisiert. Sie werden anderen zur Last gelegt (»Gewerkschaften!«) oder durch Moralisierung (»fehlende Werte!«) von der Bildfläche gezaubert. Zurück bleibt das natürlich unschuldige, das ruhelose Kreisen des abstrakten Kapitals in sich selbst.
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Das Einzige, was die spekulativen Exzesse des Finanzkapitalismus mäßigen könnte, wären internationale Abkommen, mit denen sich – wie beim Klimaschutz – alle Nationen verpflichteten, belastbare Standards aufzustellen, das Spekulantengewerbe an die Kette zu legen und Dampf aus dem Kessel zu lassen.
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Falls die »Große Transformation«, die politische Mäßigung der entfesselten Weltökonomie nicht gelingt, werden die nationalen Demokratien ihren historischen Charme verlieren und auf den grauen Pragmatismus einer Problemlösungsbedarfsgemeinschaft zusammenschrumpfen. Frei gewählte, unter austauschbaren Parteiabzeichen auftretende Technokraten arbeiten eine Sanierungsagenda ab und erledigen, was unterm Druck der Standortkonkurrenz gerade so anfällt. Die stolze Demokratie, das Versprechen von Freiheit und Gerechtigkeit, verblasst zu einer Reparaturdemokratie, die nur noch die Suppe auslöffelt, die ihr die globalisierte Moderne eingebrockt hat.

Große Transformation: Die hat auch eine Versammlung von Nobelpreisträgern im vergangenen Herbst in ihrem Potsdam Memorandum gefordert. Eine globale Energiewende und die Bewältigung der Klimakrise steht in seinem Mittelpunkt.

Die Klimakrise ist nur eine Herausforderung des globalen Kapitalismus. Doch ist sie der Testfall, ob wir in der Lage sind, dem globalisierten Kapitalismus die Fesseln anzulegen, die ihn an seiner Selbstzerstörung hindern.

Das Kyoto-Protokoll, mit all seinen Schwächen, hat damit seinen Bedeutung weit über die vereinbarten, quantitativ vernachlässigbaren Emissionsreduktionen und die Klimapolitik hinaus: Es ist die erste Institutionalisierung der Grenzen des Wachstums, genauer: der Grenzen des Emissionswachstums. Daher seine erbitterte Bekämpfung durch die Bush-Administration und ihre neokonservativen Stichwortgeber. Seine Verteidigung gegen alle Widerstände, nicht zuletzt unter Führung von Jürgen Trittin, bleibt ein Ruhmesblatt für die EU.

Lesen Sie Thomas Assheuers Essay! Ihre Meinung dazu interessiert mich.

In Assheuers Artikel wird auch auf das manager magazin Bezug genommen – vermutlich auf diesen Artikel.


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