Nun, da der mediale Rauch über Heiligendamm verflogen ist, richten sich alle Blicke auf Bali: Dort wird am 3.-14. Dezember die nächste Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen stattfinden, COP13/MOP3 im Fachjargon. Dort soll ein Mandat für Verhandlungen über ein Post-Kyoto/Kyoto 2-Abkommen erteilt werden. Das heißt, die Verhandlungsthemen und -stränge werden festgelegt. 2009 muss dieser Verhandlungsprozess, so sieht es auch der Beschluss von Heiligendamm vor, zu einem Ergebnis führen.
Vor sich hat man einen Verhandlungsprozess, der – wenn er nicht sehr klug strukturiert wird – nach bisheriger Erfahrung nahezu zwingend zu einem Ergebnis wie in Kyoto führen muss: Die EU geht mit ambitionierten Zielen in die Runde, und lässt sich (nolens oder doch eher volens) dann auf sehr viel schwächere Verpflichtungen ein. Die nachfolgend dann noch weiter verwässert werden. Verhandlungen als race to the bottom, anstelle eines race to the top.
Und eine Vielzahl von Verhandlungsarenen und Verhandlungsgegenständen, die evtl. über den globalen Emissionshandel miteinander verknüpft werden, die aber auch den Prozess vollends unübersichtlich machen. Der Öffentlichkeit, selbst einer Fachöffentlichkeit, wird es fast unmöglich, Einzelergebnisse im Gesamtkontext zu beurteilen.
Zu den Verhandlungsgegenständen zählen (nicht erschöpfend aufgezählt):
– die Verpflichtungen der Industriestaaten, und wer zukünftig zu diesen zu zählen sein wird (Südkorea, Singapur, Mexico?)
– mögliche quantifizierbare Beiträge von den großen Schwellenländern (China, Indien, Brasilien, Südafrika, Mexico) oder anderen großen Emittenten (mit oder ohne Verknüpfung zum globalen Emissionshandel, z.B. über Sektoren)
– Luft- und Schiffsverkehr
– Entwaldung
– Technologieförderung und Technologietransfer.
Hinzu kommt das große Thema „Anpassung an den Klimawandel“, und wer sie finanziert.
All diese Themen können nicht sinnvoll bearbeitet werden, wenn man nicht drei Fragen trennt: (1) Wieviel: Die Frage der Gesamthöhe der zu erbringenden Reduktionen, von (2) der Frage wo (sektoral und geographisch) diese Reduktionen zu erfolgen haben, von (3) der Frage wer dafür zahlt (über den Emissionshandel oder andere Mechanismen).
M.E. ist zwingend erforderlich, die Frage (1) wie viel insgesamt reduziert werden muss zuerst zu klären und auch zu verhandeln, bevor man sich dann über (2) und (3) in die Haare kriegt. Andernfalls führen die Verteilungskonflikte darüber wo und was reduziert werden soll und wer dafür zahlt zu einem schlechten Kompromiss zu Lasten des Klimas: bei der Höhe der gesamten Emissionsreduktionen.
Das jedoch können wir uns diesmal nicht mehr leisten. Gelingt es 2009 nicht, ein wirksames Klimaregime zu vereinbaren, ist das Ziel nicht mehr erreichbar, die globale Erwärmung unter 2 Grad über vorindustriellem Niveau zu halten. Mit wohl katastrophalen Konsequenzen für viele – auch uns.
Lesetipps: Hans-Jochen Luhmann: Der vierte Anlauf – wieder zum Scheitern verurteilt? Die Mühen um eine Post-2012-Regime. März 2007
Luhmann, H.-J. & Sterk, W.: Klimaschutzziel für Deutschland. Kurzstudie für Greenpeace. Februar 2007