Beten gegen den Ölpreis

Im Nachgang zur Benzinpreisdebatte ein Auszug aus dem heutigen „Streiflicht“ der Süddeutschen Zeitung:

„In den USA hat sich die Bewegung „Prayer at the Pump“ gebildet, die durch gezieltes Beten an der Tankstelle die Benzinpreise drücken will. Ihr Gründer, der Rentner Rocky Twyman, setzt auf einen Präzedenzfall aus der Bibel: So, wie einst die Mauern von Jericho gefallen seien, würden durch die Kraft des Gebetes nun auch die Spritpreise fallen. Dieser Rückgriff könnte freilich genau der Pferdefuß an der Sache sein, die wie man aus dem Buch Josua weiß, war das damals in Jericho eine Riesenaktion. Zunächst umrundete das Kriegsvolk sechs Tage lang die Stadt, dann zogen trompetende Priester siebenmal herum, und erst nachdem das Volk „ein sehr großes Geschrei“ erhoben hatte, stürzten die Mauern ein. Von Gebeten keine Rede. Twymans Leute müssen sich also, wollen sie biblisch siegen, Trompeten kaufen und eine Woche frei nehmen. Indessen, wie sollte einer, dem schon das Tanken zu teuer ist, zu einem Blasinstrument kommen?

(…)

Vor falscher Hoffnung muss dennoch gewarnt werden. Erstens darf das recht verstandene Bittgebet nicht auf Unmögliches zielen, beispielsweise darauf, dass Gott sich selbst abschafft oder die Gesundheitsreform zu Ende bringt. Ähnlich unmöglich wäre es, den Anstieg des Spritpreises zu bremsen. Da müsste erst das ihm zugrunde liegende Naturgesetz aufgehoben werden – und das kennt nicht einmal Gott. Zweitens lehrt die Erfahrung, dass ein Teil der Gebete nicht erhört wird. Die Theologen zitieren bei diesem Dilemma gern Augustinus: ‚Gut ist Gott, der oftmals nicht gibt, was wir wollen, auf dass er uns gebe, was wir lieber wollen sollten.‘ Sie erklären das dunkel raunende Wort so, dass die Erfüllung mancher Bitten nicht zu unserem Besten wäre, was im Hinblick auf „Prayer at the Pump“ bedeutet, dass Gott schön dumm wäre, wenn er die Benzinpreise senkte und so zu weiterem sinnlosen Herumgegurke animierte. Der Ökologe in uns da dazu nur Amen sagen.“

Soweit das Streiflicht. Unverändert die beste Glosse in deutschen Zeitungsspalten.

Foto: von Travis Gray auf flickr