Tanken wir das Brot der Armen?

Der britische Guardian berichtet von einem vertraulichen Weltbank-Bericht, der reichlich Sprengstoff für die EU und die G8 besitzt. Die Bio- bzw. Agro-Treibstoffpolitik der Industriestaaten, inbesondere der USA, soll für einen Preisanstieg bei Nahrungsmitteln um bis zu 75% verantwortlich sein (siehe hier auch die Meldung auf Spiegel Online).

Biofuels have forced global food prices up by 75% – far more than previously estimated – according to a confidential World Bank report obtained by the Guardian.

The damning unpublished assessment is based on the most detailed analysis of the crisis so far, carried out by an internationally-respected economist at global financial body.

The figure emphatically contradicts the US government’s claims that plant-derived fuels contribute less than 3% to food-price rises. It will add to pressure on governments in Washington and across Europe, which have turned to plant-derived fuels to reduce emissions of greenhouse gases and reduce their dependence on imported oil.

Senior development sources believe the report, completed in April, has not been published to avoid embarrassing President George Bush.

Ein weiterer Bericht zum gleichen Thema für die britische Regierung, der Gallagher-Report, wartet auch auf seine Veröffentlichung, obwohl diese bereits letzte Woche erwartet wurde.

Der rasche Anstieg der Lebensmittelpreise hat weltweit zu mehr Hunger und Unruhen geführt.

All dies wird den Druck auf die EU erheblich erhöhen, ihre geplante Quote von Agrotreibstoffen von 10% bis 2020 zu revidieren. [N.b. es ist eigentlich eine Quote für erneuerbare Energie im Transportsektor. Aber das wird doch weitgehend als Agrotreibstoff-Quote verstanden].

Doch eine Rücknahme der Quotenregelungen und Subventionen für Agrotreibstoffe wird uns nur eine Atempause verschaffen. Bei steigenden Ölpreisen wird die Konkurrenz „Treibstoff- vs. Nahrungsproduktion“ auch ohne Quoten stattfinden. Schon 2005 schrieb ich in einem Thesenpapier:

10. Die Entscheidung über Anbau von Bioenergie oder von Nahrungsmitteln wird letztlich von den Landwirten auf der Basis ökonomischer Kriterien entschieden. Bei rasch steigenden Ölpreisen konkurriert letztlich die Nachfrage des deutschen Porschefahrers nach Biosprit mit der Nachfrage armer Bevölkerungsgruppen nach Nahrung. Diese Konkurrenz wird auf liberalisierten Weltagrarmärkten nicht nach moralischen Kriterien ausgetragen, sondern nach Maßgabe der zahlungskräftigen Nachfrage. Nur politisch gesetzte ökonomische Instrumente (Subventionen, Steueranreize, [für Nahrung, gegen Treibstoffe, JH] etc.) werden hier ökonomische Ratio und moralischen Impetus zur Deckung bringen. Der Liberalisierungsdruck der WTO, der diese Instrumente perspektivisch eliminiert, ist auf diesem Hintergrund besonders problematisch.

Weiterlesen:

Christine Chemnitz & Mute Schimpf: Die hausgemachte Ernährungskrise

Stellungnahme von deutschen Umwelt- und Entwicklungs-NRO zur Quotierung und Nachhaltigkeits-Standards für Agrotreibstoffe.

Foto: von Udall Legacy auf flickr


Posted

in

,