Heute morgen gab Obama seine Rede bei der Klimakonferenz; übrigens können die Plenardebatten hier online verfolgt werden. Die Presse stand bereit, eng gedrängt, ein Wald von Kameras. Wird etwas Großes gesagt werden?
Am Abend zuvor gab es bereits ein offizielles Essen mit der Queen und allen Staatschefs. Anschließend hatten etwa 30 von ihnen – wohl zur Hälfte Industrie- und Entwicklungsländer – bis 2 Uhr morgens verhandelt. Durchgesickert ist, dass sie sich auf das 2 Grad Ziel geeinigt hätten sowie darauf, dass im Jahr 2020 100 Milliarden US-Dollar nötig seien, um die Entwicklungsländer bei der Anpassung und bei Klimaschutz-Maßnahmen zu unterstützen. Das bedeutet, es gab wohl kaum Fortschritt. Parallel dazu wurde auf Ministerlevel bis rund 4 Uhr morgens verhandelt – wohl auch noch ohne Einigung.
Mit eineinhalb Stunden Verspätung startete die Sitzung, in der die großen Reden geschwungen werden sollten: China, Brasilien, USA, Indien und andere. Zunächst begann Dänemarks Regierungschef Rassmussen, also Präsident der Konferenz. Er redete übers Wetter in Kopenhagen, den Schnee auf der Straße… Dann addressierte Ban-Ki Moon die Staatschefs mit den üblichen Worten, wie wichtig dieser historische Moment hier in Kopenhagen sei. Usw. usf.
Nun folgte Wen Jiabao. Er strich zunächst Chinas Bemühungen für Klimaschutz heraus und pries die Taten seines Landes, als wäre China schon auf dem Weg in die post-fossile Zukunft. Auf das Schulterklopfen folgte die Bitte, Verständnis dafür aufzubringen, wie schwierig doch alle weiteren Bemühungen in China wären, noch mehr fürs Klima zu tun. Anschließend der übliche Forderungskatalog der Entwicklungsänder: sie bräuchten Geld, Technologien und ein Vorangehen der Industrieländer.
Nächster auf dem Podium war Lula aus Brasilien. Er begann nicht wie üblich salbungsvoll, sondern mit den Worten: „Lassen sie mich sagen, dass ich ein bischen frustriert bin.“ Und dann kam eine Rede, die mit Abstand am meisten inhaltliche Substanz hatte. Lange hätte Brasilien eine Bremser-Rolle eingenommen, jetzt aber hätten sie hervorragende Anstrengungen für den Klimaschutz geplant. Bis zum Jahr 2020 wollten sie 166 Milliarden US-Dollar in den Umbau der Ökonomie und den Waldschutz investieren. Dann sprach er über die Finanztransfers der Industrieländer: die seien keine Almosen an den Süden, sondern gründeten auf eine viel ernstere Verpflichtungen: dass die Industrieländer die Verantwortung für 2 Jahrhunderte Industrialisierung übernehmen, die den Entwicklungsländern vorenthalten wurde. Wichtige Worte für die Gruppe der Entwicklungsländer, die auch entsprechend Applaus erhielten.
Dann aber gab Lula, möglicher Weise aus Versehen, der Mehrheit seiner Kollegen einen kleinen Tritt vors Schienbein – den über 100 Entwicklungsländern, die ein 1,5 Grad-Ziel fordern, um ihr Überleben zu sichern: „Everybody agrees with the 2 degrees Celsius“. Doch am Ende dann noch mal große und tolle Worte: „if necessary, we are ready to make more contributions than we have announced so far“. Applaus. Und: „we are ready to participate in the finance for poorer countries.“ Noch mehr Applaus, und zu recht: damit stimmt Brasilien in den Chor ein, den Mexiko schon vor über einem Jahr begonnen hat: dass die Schwellenländer sich an Finanztransfers beteiligen sollten. Zum Schluss noch mal Bedingungen: das alles ginge nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmten, sprich: wenn die Industrieländer vorangingen. Und überhaupt: die Entwicklungsländer müssen ja noch wachsen. Schlussatz: es sei ganz wichtig, dass das Kyoto-Protokoll weitergeführt werde.
Rassmussen daraufhin: „Thank you very much for your statement and for your wise remarks“ (Applaus) „which shows that you are one of the leaders here which are so necessary to come to an agreement“ (wieder Applaus).
Jetzt Barack Obama: „I come here not to talk, but to act“. Dann kamen Teile der Rede, die sich vor allem an das Fernsehpublikum zu Hause richteten: Wir handeln nicht nur, um unsere globale Vertantwortung anzunehmen. Sondern auch, um Millionen von Jobs zu schaffen, und um Amerikas Sicherheit zu erhöhen. Dann kam Baracks Showdown. Er bat folgenden Ackord an: 1. Alle großen Ökonomien müssen ambitionierte Klimaschutz-Anstrengungen unternehmen. Er freue sich, dass die meisten das schon getan hätten. Die USA wollten 17% bis 2020 und 80% bis 2050 machen, „in line with national legislation“. Traurig. Mit diesen Worten ist klar, dass Obama Kopenhagen nicht als Gelegenheit nutzen wollte, um seinen Senatoren und Abgeordneten zu Hause noch einmal anzuspornen, die nationalen Klimaschutz-Anstrenungen ein wenig zu erhöhen. 2. Wir brauchen Verlässlichkeit, keine bloßen Versprechungen. Obama nannte es „Transparency“. Den Schlüsselbegriff „legally binding“ hat er tunlichst vermieden. Ebenfalls traurig. Das kann klar gedeutet werden: er will nicht riskieren, seinen Landsleuten ein rechtlich verbindliches Abkommen verkaufen zu müssen. Lieber soll jedes Land der Welt sagen, was sie fürs Klima tun wollen, und dann können alle (ohnmächtig) zuschauen, ob sie ihre Ankündigungen einhalten oder nicht. Zurück zu freiwilligen Selbstverpflichtungen. Zurück in die Zeit vor Kyoto. 3. Wir müssen den ärmsten und verletzbarsten Ländern helfen, sich an den Klimawandel anzupassen. Dafür würden die USA zunächst von 2010-2012 Geld geben, um sich an den benötigten 10 Milliarden pro Jahr zu beteiligen. Die genaue Summe ließ er offen. Und was die langfristige Finanzierung über das Jahr 2012 hinaus betrifft, wiederholte er nur die Worte von Hillary Clinton gestern. Auch hier also kein Schritt nach vor, jedenfalls nicht seit Hillary gestern. Und hier kein ausreichendes Angebot, um hier in Kopenhagen einen halbwegs erträglichen Deal zimmern zu können.
Dann folgten weitere Reden, hervozuheben Medvedev, der ein rechtlich verbindliches Abkommen gefordert hat. Ein verdammt schales Gefühl ist geblieben, eine Blase ist nicht geplatzt. Obama hat kein Ass aus dem Ärmel gezogen. Nun ist es wohl endgültig klar: der abschließende Deal hier in Kopenhagen wird nicht die Anstrengung unternehmen, die Latte noch einmal ein kleines Stück höher zu hängen, und das ganze verpflichtend zu machen.
Ob das, was bisher auf dem Tisch liegt, reicht, um hier überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen? Werden die Länder des Südens, besonders die Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder aufstehen und protestieren – die Staatengemeinschaft zu einem neuen Anlauf in einem halben Jahr verpflichten, weil sie die Zustimmung verweigern? Ich wünsche ihnen Mut zur Entschlossenheit: lasst Euch nicht abspeisen! Fordert eine vorgezogene COP16 in Mexico, wo noch einmal alles zur Disposition gestellt werden muss. So jedenfalls nicht!
Quellen Fotos – alle mit Creative Commons Lizenz: Wen Jiabao und Lula da Silva: flickr.com; Barack Obama: de.wikipedia.or. Foto Presse: http://unfccc.int/meetings/cop_15/media/items/5070.php