Wider der Propaganda-Maschinerie der Klimaskeptiker

Ich hatte mich schon daran gewöhnt, im letzten Land der Welt zu leben, in dem Klimaskeptikern auf Konferenzen oder in Kolumnen von Tageszeitungen noch immer eine Bühne für ihre absurden Thesen geboten wird. Das ist in der USA, vor allem im lautschreierischen Umfeld des Tea Party Movements, leider (wieder) so. Deshalb habe ich bei der Lektüre dieses Artikels in der Financial Times Deutschland gleich doppelt gestutzt: Zum einen, weil klimaskeptische Positionen aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition bislang nicht bekannt waren. Zum anderen, weil der Auftritt von Fred Singer, einem der bekanntesten Klimaskeptiker der USA, ein Warnsignal ist, dass die US-Rechte mit ihrem Feldzug gegen den Klimaschutz nicht nur im eigenen Land wirkt.

Fred Singer ist ein in die Jahre gekommener US-Atomphysiker, der sein Einkommen vor allem mit wissenschaftlich fragwürdigen Thesen verdient hat. Dabei hat er sich lange Zeit für seine Arbeit indirekt von Großkonzernen (wie z.B. Exxon Mobile) finanzieren lassen. Singer hat über Jahrzehnte im Dienste der Tabbak-Lobby die Gefahr des Passivrauchens heruntergespielt. In den 80er Jahren hat er angezweifelt, dass die Verwendung von Produkten mit Chlorverbindungen für den Abbau der Ozonschicht verantwortlich sei. In den 90er Jahren ist Singer vor allem als Klimaskeptiker bekannt geworden, der den Einfluss der Menschheit auf die globale Erderwärmung heruntergespielt hat. Die Methoden seiner Anti-Klima-Agenda gleichen denen seiner einstigen Arbeit im Dienste der Tabakindustrie: Der Zusammenhang zwischen Ursache (Tabakrauch/CO2) und Auswirkung (Krebs/Klimawandel) soll ausgehebelt werden, um eine Gesetzgebung wenn nicht zu verhindern, so doch zumindest um Jahre zu verzögern. Nachzulesen hier bei einem Bericht der Union of Concerned Scientist (pdf).

Heute ist der größte Geldgeber der Anti-Klimakapagnen in der USA Koch Industries, ein Industriekonglomarat der Milliardäre David und Charles Koch. Greenpeace USA zeigt auf, dass Koch Industries u.a. mit rund 2 Mio. $ Singers Arbeiten am libertären Institute for Human Studies finanziert. The New Yorker hat ein bemerkenswertes Profil über die beiden Brüder veröffentlicht, die über ein Netzwerk von pseudo- think tanks und Stiftungen Front gegen die Politik von Barack Obama machen. Mit ihrem Geld werden Studien veröffentlicht, die eine Agenda des freien Marktes, niedrigen Steuern und schwachen Umwelt- und Sozialstandards legitimieren sollen. So begleichen die Kochs Rechnungen für viele Graswurzel-Aktionen des Tea Party Movements und finanzieren ein Volksbegehren in Kalifornien gegen das dortige Klimaschutzgesetz.

Die Agenda von Koch Industries schwappt auch nach Deutschland. So finanzieren die Brüder Koch u.a. das in Washington ansässige Institute for Energy Research (IER). Das Institut mit dem unverdächtigen Namen sorgt mit seiner Lobby-Arbeit dafür, Obamas geplante Energiewende als kostspieligen Irrsinn darzustellen. Dazu wurden u.a Studien beauftragt, die den Erfolg anderer Länder, die der USA voraus sind, diskreditieren soll. So gilt die „Spanish study“ in Washingtoner Polit-Zirkeln als Beleg dafür, dass in Spanien die Jobs in der erneuerbaren Energien Branche hoch subventioniert und volkswirtschaftlicher Unsinn seien. Auch über das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde eine enstprechende Studie veröffentlicht. Economic impacts from the promotion of renewable energies: The German experience wurde von keinem geringeren als dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) erstellt. (Die Studie wurde nach der Bundestagswahl 2009 in Deutschland veröffentlicht und diente der schwarz-gelben Bundesregierung als Beleg dafür, eine Abschwächung des EEGs vorzubereiten.) Pünktlich zu den Beratungen des US Kongresses über das umstrittene Klimagesetz wurden die RWI-Autoren nach Washington eingeladen, um den Report vorzustellen und den deutschen Ausbau der erneuerbaren Energien zu diskreditieren. Zumindest das ist gescheitert, wird der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-Verbrauch und die Umstellung des Energiesystems in Deutschland doch übergreifend Respekt gezollt.

Schlimm genug, wenn die US-Rechte und Teile der fossilen Industrie den Einstieg der USA in den Klimaschutz verhindern wollen. Wenn aber die Propaganda-Maschinerie der US-Klimaskeptiker auf Länder wie Deutschland überschwappt, ist das ein Grund für Schluss mit Lustig. Wir Klimaschützer in Europa sollten solche Fälle entlarven, wo unsere Politiker oder Forschungsinstitute mit dieser rückwärtsgewandten Lobby unter eine Decke kriechen (wie das z.B. Hermann Ott und Frank Schwabe im aktuellen Fall gleich gemacht haben). Die Klimaskeptiker und deren Verbündete sollen erst gar nicht auf den Gedanken kommen, sie könnten das Rad der Geschichte zurückdrehen.

Update: Auch die Unionsfraktion distanziert sich von den Äußerungen ihrer umweltpolitischen Sprecherin (hier im Tagesspiegel). Und was ist mit der FDP…?


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