Unruheherd Polen

So wird das nix, mit einer Wiederaufnahme der Vorreiterrolle für die EU. Neben Eurokrise, EU-Skepsis, neuen Grenzkontrollen u.v.a. wird es auch beim Klimschutz zunehmend problematisch: Die Union, traditionell eher ein progressiver Akteur, droht an inneren Widersprüchen im Stillstand zu verharren. Die neue Ratspräsidentschaft hat nämlich Polen inne. Dieses Land hat bisher wenige (sprich: gar keine) Ambitionen gezeigt, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Bisher wurden Emissionsmindungsziele auf Europaebene auch immer gegen Polen durchgesetzt. Nun hat Polen die EU Kommission sogar verklagt (und hier)! Man wolle auch nach 2013 Emissionszertifikate kostenfrei der nationalen Industrie zukommen lassen, und somit den europaweiten Emissionshandel aushöhlen. Dabei erhielt letzten Monat Polen noch die Zusicherung, für 13 geplante Kohlekraftwerke kostenfrei Zertifikate zu bekommen!

Wolkenkratzer in Warschau als Wahrzeichen der Dritten Polnischen Republik
Hoch hinaus will man nicht nur in Warschau, sondern in ganz Polen. Kohle soll hierfür die Energie liefern. (Bild: DocentX)

Nachdem 2008 in Poznan erstmals eine COP stattfand, und damit das Scheitern ein Jahr später in Kopenhagen vorbereitet wurde, hat das Land – welches die Wiedervereinigung von Europa  ins Rollen brachte! – nun erstmals die EU-Präsidentschaft inne – und macht sich damit wieder wenig Freunde. Doch es ist keines falls so, dass unsere Nachbarn per se gegen europäische und klimafreunliche Politik sind.

Although there are some signs that Polish energy strategy may be gradually shifting towards a more EU-friendly stance, in the near term economic concerns will continue to be identified as incompatible with the environmental agenda. (…) . In the energy sphere, Poland will use its presidency to drive two central goals: blocking any attempt to impose EU-level regulation of the nascent shale gas industry; and opposing any tightening of carbon emissions targets. (Quelle)

Warschau ist nicht München und Tórun ist (noch) nicht Freiburg. Das Land durchgeht gerade eine ökonomische Transformation und gewisse Widerstände gegen den (v.a. aus Deutschland kommende!) grünen Optimismus sind auch verständlich. Dennoch sollte das Land von Kopernikus und Curie durchaus in der Lage sein, etwas mehr Vertrauen in Innovation und neue Ideen zu setzen. Das BIP steigt seit Jahren stabil um 2-6% und die Wirtschaft ist bereits Nummer 20. der Welt. (mehr Fakten bei Wikipedia). Da geht doch was! Der Anteil der Kohle macht am Energiemix zwar >90% aus, aber die Förderung von Braunkohle stagniert und der Steinkohleanteil sinkt sogar leicht (auch hier). Auch an Weichsel und Oder werden die Windkraftanlagen sprießen müssen. Da Kohle aber spottbillig ist, das Arbeitsplätze-Argument in Polen noch zieht und nicht zuletzt das oberschlesische Kohlerevier derzeit noch der wirtschaftliche Stadortvorteil für Polen ist, wird eine Transformation nicht nur „über den Preis“ zu bekommen sein. Eine Markteinführung neuer Technologien muss von der Internalisierung externer Kosten (z.B. CO2-Steuer) und weiteren politischen Rahmenveränderungen begleitet werden. Hierzu braucht es mutige Politiker/innen und Menschen, die den Blick nicht nur auf den westlichen Konsum, sondern auch auf die Folgen der Kohleverbrennung im Globalen Süden richten (das gleiche gilt natürlich für die Deutschen)!

Mit Blick auf Durban blockiert Polen weiterhin als einziges Land ein EU-weites 30%-Ziel und löst damit viel Stöhnen bei den anderen Verhandler/innen aus. Wer der Literatur Sienkewitz und Miczkiewicz geschenkt hat und musikalisch so wunderbar mit Chopin in der ersten Liga spielt, sollte vielleicht auch bei der (Klima-)Diplomatie endlich der Größe und Wichtigkeit entsprechend auftreten.


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