The New Climate Economy – schöne neue Klima-Welt?

„Stern 2 Bericht“ wollten sie von Anfang an nicht gerne hören, die Macherinnen und Macher hinter dem gerade veröffentlichten Bericht „The New Climate Economy„. Dabei liegt der Vergleich nahe: Der sog. „Stern Bericht“ brachte das Klimathema 2006 nicht nur auf die politische Agenda, sondern auch auf den Schirm von Entscheidungsträger/innen aus Wirtschaft und Unternehmen. Das Argument damals wie heute: Klimaschutz macht ökonomisch Sinn. Oder wie der Vorsitzende der hinter dem neuen Bericht stehenden „Global Commission on the Economy and the Climate“ (in der Reihenfolge), Mexikos Ex-Präsident Felipe Calderón, es ausdrückt: „The message to leaders is clear. We don’t have to choose between economic growth and a safe climate. We can have both. We can choose better growth and a better climate.“

Einen 10 Punkte Aktionsplan haben sie mit dem Bericht vorgelegt. Darin finden sich ein paar sehr nützliche (wenn auch nicht wirklich neue) Ideen, z.B.:

  • Investors, working together with government financial regulators, should develop an approach to report transparently on the carbon exposure of their assets, and the potential risk of stranded fossil fuel assets.
  • [All governments] should agree a global goal which would achieve annual greenhouse gas emissions of near zero or below in the second half of the century.
  • National governments should develop comprehensive plans for phasing out fossil fuel and agricultural input subsidies.

Im Kern schaut sich der Bericht die Themenfelder bzw. Sektoren Städte, Landwirtschaft, Energie, Ressourceneffizienz, Infrastruktur und Finanzierung an. Ein Blick ins Landwirtschaftskapitel macht dann schnell klar, dass man mit einer einer reinen CO2-Brille keine echten Lösungen finden kann. Gepriesen werden hier die Erfolge der Grünen Revolution, vor allem in Asien. Als Quelle wird dabei ein Artikel in The Economist genannt. Dort heißt es im Wortlaut:

The original green revolution transformed Asia from a continent stalked by hunger into one that could think and plan beyond the next harvest. It helped lay the foundation for the continent’s economic miracle and made possible Asia’s demographic transition from high fertility and high mortality to smaller, richer families. The second green revolution will not do that. But it should complete the first one, mainly by bringing benefits to the poorest, who missed out first time round. It will help mechanise and move more people off farms and into more productive labour. And it should prevent Asia slipping back under the shadow of hunger and all the political and social disruptions that such misery causes. Few other things can promise as much.

Ob sich ein Zeitschriftenartikel als Quelle für einen solchen Bericht eignet, sei einmal dahin gestellt. Die Verdrehung der Tatsachen, was die Folgen der Grünen Revolution angeht, kann man den am Bericht beteiligten Organisationen (darunter World Resources Institute, Stockholm Environment Institute und Global Green Growth Institute) nicht so leicht verzeihen. Im Fazit plädieren sie für mehr Forschungsgelder, auch für für Biotechnologie (sprich: auch Gentechnik), zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion.

Im Bereich Waldschutz plädiert der Bericht ganz klar für den Ausbau des REDD-Ansatzes – undzwar als marktbasiertes Instrument, das in Zukunft ggf. in den CO2-Markt integriert werden könne. Außerdem könnten Staaten ihre Beiträge („nationally determined contributions“) im Rahmen des Pariser Abkommens teilweise durch REDD-Zertifikate erfüllen. In alledem läuft es auf das klassische Offsetting hinaus: Ausgleich von fossilen Emissionen durch Erhalt natürlich Speicher. Die Rechnung enthält mehr als einen strukturellen Denkfehler.

A propos strukturelle Denkfehler: The New Climate Economy beruht unter anderem auch auf der neusten Version der Abatement Cost Curve von McKinsey. Dass jemand nach all der methodischen Kritik der letzten Jahre wagt, diesen Ansatz noch ernsthaft nach vorne zu tragen, erhöht aus meiner Sicht nicht unbedingt die Glaubwürdigkeit des Unterfangens.

Nun frage ich mich, woran es liegt, dass so viele meiner Kollegen und Kolleginnen aus der Zivilgesellschaft und der globalen Klimaszene diesen Bericht in den höchsten Tönen loben und das Argument des Grünen Wirtschaftswachstumswunders nachbeten? Haben sie den Bericht nicht wirklich gelesen? Gelingt es ihnen nicht, ihre Co2-Reduktionsbrillen abzusetzen und einen umfassenderen Blick auf unsere Krisen und Probleme zu werfen (einschließlich der Machtverhältnisse)? Oder sind sie schlicht verzeifelt angesichts der Dringlichkeit des Problems und greifen nach jedem Strohhalm, den man ihnen hinhält? Für Antworten bin ich dankbar!


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