RWE muss sich warm anziehen. Der Druck auf die Braunkohle nimmt zu und ein Kohleausstieg ist in aller Munde. Aber das ist eben nicht alles. Jetzt wird der Konzern auch noch für den Schaden zur Verantwortung gezogen, den sein Produkt anrichtet. Der Hausbesitzer, Kleinbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya aus Peru hat heute beim Landgericht Essen Klage gegen RWE eingereicht, mit Unterstützung von Germanwatch. Die gewaltigen Emissionsmengen des Energiekonzerns gefährden seine Familie, sein Eigentum sowie einen großen Teil seiner Heimatstadt Huaraz.
Der Essener Konzern, so die Argumentation seiner Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen (Kanzlei Günther, Hamburg), sei maßgeblich mitverantwortlich für das Abschmelzen der Andengletscher und die dadurch entstehende Bedrohungslage für sein im Gebirgstal gelegenes Haus. RWE solle sich an der Finanzierung von Schutzmaßnahmen an dem durch die Gletscherschmelze wachsenden Gebirgssee oberhalb der Stadt beteiligen – und zwar in einer Größenordnung, die dem Anteil des Energiekonzerns an der Verursachung des globalen Klimawandels entspricht. Saúl Luciano Lliuya fordert letztlich, dass RWE den gerechten Anteil der Kosten für die für Huaraz erforderlichen Schutzmaßnahmen übernehmen soll. Es geht um knapp 20.000 Euro.
Germanwatch erläutert den Hintergrund der Klage wie folgt:
Der Weltklimarat IPCC führt die Gletscherschmelze in den Anden auf den Klimawandel zurück. In Huaraz ist die Gefahr besonders präsent: Der Gletschersee Palcacocha, der einige Kilometer oberhalb der Stadt liegt, ist allein seit 2003 um mehr als das Vierfache gewachsen. Durch den Klimawandel steigt auch das Risiko, dass sich große Eisblöcke von den Gletschern lösen und in den See stürzen. Dann würde eine verheerende Flutwelle und im Anschluss eine meterhohe Überschwemmung in den unteren besiedelten Gebieten drohen. Die Katastrophenschutzbehörde warnt, dass es in jedem Moment zu einer Sturzflut kommen könnte; der Palcacocha-Gletschersee sei der gefährlichste der Region. Um die Gefahr dauerhaft abzuwenden, müssten immer wieder große Mengen Wasser aus dem See durch ein neues Entwässerungssystem abgepumpt und Dämme des Sees verstärkt beziehungsweise neue errichtet werden.
Luciano Lliuya’s Anwältin Dr. Roda Verheyen erklärt:
„Dies ist ein Präzedenzfall. Die RWE AG setzt durch den Betrieb insbesondere von Kohlekraftwerken Emissionen frei, durch die die Temperaturen weltweit steigen, Gletscher schmelzen und das Eigentum meines Mandanten akut gefährdet wird. Wir beantragen, dass das Gericht die Verantwortlichkeit von RWE für Maßnahmen zur Beseitigung dieser Beeinträchtigung feststellt.“
RWE hatte Ende April ein dahingehendes sogenanntes Anspruchsschreiben abgelehnt. Die Klage ist daher der nächste Schritt.
Insgesamt bezieht sich die Klage auf die Carbon Majors Recherche, die 90 fossilen Produzent die Verantwortung an zwei Dritteln der globalen Emissionen seit Beginn der Industralisierung zuschiebt. RWE hat demnach eine Verantwortung von 0,47 % und steht an 23. Stelle. Das mag nach nicht viel klingen. Global gesehen ist das aber gigantisch. Im Kohleatlas haben wir das nochmal für die 35 Kohleproduzenten der Carbon Majors aufgeschlüsselt, deren Produkte zusammen seit 1988 (Gründung des Weltklimarats, also: Problem erkannt) ein Drittel der globalen Emissionen verursacht haben.
Warum Saúl gegen RWE klagen kann, wo es ähnliche und andere Klimaklagen gibt und warum wir aktuell so viele dieser Initiativen sehen, erklärt Roda Verheyen übrigens in einem aktuellen Beitrag in unserem magazin Böll.Thema.
Und Germanwatch hat eine Themenseite zum Fall Huarez zusammengestellt. Saúl wird nun gemeinsam mit seinem Vater von Essen aus zum Klimagipfel nach Paris fahren.