Steinmeier zu Klimawandel und Sicherheit

WikimediaAussenminister Steinmeier hat sich nun auch in die Debatte um Klimawandel und Sicherheit eingeschaltet. In einem gemeinsam mit dem britischen Aussen- (und Ex-Umwelt-)Minister Miliband verfassten Beitrag auf diplo.de schreibt er u.a. (Hervorhebungen durch mich):

Wir setzen uns dafür ein, diese neuen Bedrohungen mit einer wirksamen europäischen und multilateralen Strategie zu bekämpfen. Welches sind die wichtigen Elemente einer solchen Strategie?

Erstens: Begonnene Anstrengungen zur Bekämpfung der neuen, durch den Klima­wandel ausgelösten Sicherheitsrisiken müssen verstärkt werden. Mit der EU-Zentralasienstrategie und der neuen EU-Afrika-Partnerschaft gibt es weg­weisende politische Initiativen, die beispielhaft dafür stehen, wie wir Klima­sicherheit in alle Aspekte der EU?Regionalpolitiken einbringen können. (…)

Zweitens: Stürme, Überflutung, Dürren – die Zahl der Naturkatastro­phen wird in Zukunft weltweit wachsen. Wichtig ist daher eine bessere Beobachtung von klimabedingten Entwicklungen in krisenanfälligen Regionen. Aber: Vorbereiten müssen wir uns auch auf die steigende Nachfrage nach EU?geführten Einsätzen zur Katastrophenhilfe sowie humanitäre Sofortmaßnahmen.

Drittens: Wir müssen uns bereits heute fragen, wie der Klimawandel den strategischen Kontext der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik in den kommenden Jahren beeinflussen wird. So wirft das Abschmelzen der arktischen Eiskappe Fragen im Zusammenhang mit Ressourcen, der Abgrenzung von Meeresgebieten und von Schifffahrtsstraßen im Hohen Norden auf. Um neue Spannungen zu vermeiden, schlägt daher der EU?Bericht zur Klima­sicherheit eine europäische Arktispolitik vor. Es ist von entscheidender Bedeutung für die europäische Sicherheit, Strukturen für die Arktisregion umzusetzen, die sich auf das Völkerrecht stützen, auf eine kooperative und friedliche Bewirtschaftung von Ressourcen abzielen sowie das ökologische Erbe der Menschheit bewahren.

David Miliband (Wikimedia)Neue außenpolitische Herausforderungen vorhersehen und regionale Strategien zu Klimasicherheit und Konfliktverhütung stärken: dies sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Antwort der EU. So kann es uns gelingen, Probleme zwischen denjenigen, die die größte Verant­wortung für den Klimawandel tragen, und denjenigen, die am stärksten von ihm betroffen sind, zu vermeiden. Eine Konfrontation zwischen „Verschmutzern“ – sowohl im Norden als auch unter den Schwellenländern – und „Opfern“, die sich vornehmlich in der südlichen Hemisphäre finden, würde die ohnehin schon belastete internationale Sicherheits­architektur weiterem Druck aussetzen.

Klar ist: Nicht mit Zwang oder Gewalt können wir die Ursachen des Klimawandels oder seine direkten Folgen bekämpfen. Mit militärischer Macht lässt sich keine Weltwirtschaft mit nie­drigem CO2?Ausstoß aufbauen. Kein Waffensystem der Welt kann einen Hurrikan daran hindern, eine Stadt zu verwüsten, oder das Ansteigen des Meeresspiegels aufhalten. Klar zeigen uns dagegen die neuen Analysen zum Thema Klima und Sicherheit: Wir müssen mit einschneidenen Konsequenzen rechnen, wenn wir uns dieser Herausforderung nicht gewachsen zeigen.

Gut gebrüllt. Und deutlich konkreter und klarer positioniert als das Solana/Ferrero-Waldner-Papier. So kann man die Klimasicherheits-Debatte sinnvoll führen.

Ohne an diesem grundsätzlich richtigen Tonfall herummäkeln zu wollen, seien ein paar kritische Anmerkungen dennoch erlaubt.

(1) Steinmeier & Miliband klopfen der EU etwas zu ostentativ auf die Schulter, was ihre Vorreiterrolle im Klimaschutz angeht: Die Europäische Union steht bereits jetzt an der Spitze der weltweiten Bemühungen um die Bekämpfung des Klimawandels. In Europa bauen wir gegenwärtig die weltweit erste wett­bewerbsfähige und energiesichere Wirtschaftsordnung mit einem niedrigen CO2?Ausstoß auf. (…) Bis 2020 ist eine Reduzierung des Gesamtausstoßes an Treibhausgasen um 20 % und, falls andere entwickelte Länder einen ähnlichen Ehrgeiz an den Tag legen, sogar um 30 % vorgesehen.

Leider ist bisher die Erfolgsbilanz der EU im Klimaschutz noch nicht so berauschend: ein Großteil der EU-Staaten ist noch auf Kollisionskurs mit seinen Kyoto-Zielen. Und selbst die -30% gegenüber 1990 sind weder besonders ambitioniert noch ausreichend gemäß der Verantwortung und Leistungsfähigkeit der EU. Die EU hat in Bali für einen Zielkorridor für die Industrieländer von -25 bis -40% gegenüber 1990 gekämpft. Wer soll denn -40% übernehmen, wenn selbst die EU mit einem wesentlichen Anteil an ex-sozialistischen Staaten nur -30% anstreben will?

Wenn die Industriestaaten ihrer realen Verantwortlichkeit für den Klimawandel und ihrer Leistungsfähigkeit zu seiner Bekämpfung gerecht werden wollen, müssen Sie weit höhere Verpflichtungen bis 2020 eingehen, einen Teil davon (z.B. -30% für die EU) zuhause erbringen und den Rest der Verpflichtungen über Emissionshandel, Technologietransfer und Waldschutzfonds international leisten. Indien hat dies in Bali zu recht gefordert, und auch unser Greenhouse Development Rights Framework macht dies deutlich.

(c) Benito Müller(2) Es ist eine subtile Unterstellung enthalten, wenn Steinmeier den Schwellenländern eine wesentliche Mitverantwortung für den Klimawandel zuschiebt, indem er schreibt: „Eine Konfrontation zwischen „Verschmutzern“ – sowohl im Norden als auch unter den Schwellenländern – und „Opfern“, die sich vornehmlich in der südlichen Hemisphäre finden, …“.

Demgegenüber ist festzuhalten: Klimawandel ist keine Auswirkung der jährlichen Emissionen, sondern ein Ergebnis der in der Atmosphäre akkumulierten Emissionen. Selbst wenn China in diesen Jahren die USA als größten Emittenten ablöst, so übersteigt die Verantwortung der USA und Europas für den Klimawandel diejenige der Schwellenländer deutlich. Vielleicht schreibe ich hierzu einmal einen eigenen Blogbeitrag, an dieser Stelle nur der Hinweis auf meinen englischen Post auf Greenhouse Development Rights (siehe auch nebenstehende Abbildung).

(3) Wenn Steinmeier & Miliband ihre Worte ernst nehmen, dann müssen sie sich in die Auseinandersetzungen um europäische (und deutsche) Klimaschutzpolitik offensiver einbringen. Dann ist der Versuch der Bundesregierung, die CO2-Richtlinie für Kraftfahrzeuge im Interesse der deutschen Automobilindustrie zu entschärfen, ein Angriff auf die europäische Sicherheit. Ebenso Kohlekraftwerksbauten wie die von RWE in Neurath mit einem CO2-Ausstoss wie ganz Neuseeland.

Die Sicherheit Europas wird nicht nur am Hindukusch verteidigt, sondern auch in Neurath und weiteren Kohlekraftwerksstandorten in Deutschland. Von lokalen Klima-Initiativen! Wer weiss, vielleicht sind Verteidigungsminister Jung und Aussenminister Steinmeier am nächsten Aktionstag in Neurath mit dabei?

Zur EU-Klimapolitik auf dem Frühjahrsgipfel siehe auch den Beitrag auf „Baustellen der Globalisierung„.

Foto: Armin Kübelbeck (Wikipedia)