REDD, das ist ein Zauberwort das in Bali ganz oben auf der Agenda stand. Es steht für „Reduced Emissions from Deforestation and Forest Degradation“. Eine zentrale Option für den Klimaschutz: Emissionen aus Entwaldung machen ein Viertel bis ein Fünftel des weltweiten Treibhausgas- Ausstosses aus. Ohne Waldschutz werden wir die globale Erwärmung daher kaum unter dem kritischen Wert von 2 Grad halten.
REDD weckte in Bali in Verbindung mit einer Finanzierung durch den internationalen Emissionshandel viele Fantasien. Die Idee ist einfach: Die Industriestaaten kommen ihrer Verpflichtung zum Klimaschutz nach, indem Sie Regenwaldschutz im Süden finanzieren. Sie bekommen dafür Emissionszertifikate in der Höhe der reduzierten Emissionen. Bei Naturschutzorganisationen und Holzfirmen, Regierungen und Regenwaldforschern, selbst bei indigenen Völkern weckte die Idee die Hoffnung auf quasi unbegrenzte, milliardenschwere Finanzmittel. Bei Kohleverstromern und säumigen Klimasündern im Norden wuchs die Hoffnung, sich damit billige CO2-Zertifikate erkaufen zu können, die den Ausstieg aus der Kohle noch etwas rauszögern könnten. Eine machtvolle Koalition.
Nachdem über viele Jahre ergebnislos im UN Rahmen über Wälder geredet wurde, kommt endlich Bewegung in die Sache und Geld ins Spiel. In Bali wurde schliesslich dazu ein umfangreiches Programm von Pilotmaßnahmen, methodischen Studien und weiteren Verhandlungen beschlossen (hier). Gut so, Waldschutz ist dringend notwendig. Doch bei aller Eile muss sorgfältig geprüft werden, wie er finanziert werden kann.
Schon vor drei Monaten habe ich mich auf diesem Blog kritisch zum Vorschlag geäussert, zukünftig den Schutz der Regenwälder über den Emissionshandel zu finanzieren. Das damals wie heute zentrale Argument lautete, dass wir den Waldschutz nur zusätzlich zu den diskutierten Verpflichtungen der Industrieländer (-25% bis -40% gegenüber 1990) realisieren dürfen, nicht als Teil derselben Verpflichtungen. Das heisst eben auch: Bei einer Finanzierung über Emissionszertifikate müsste man die Verpflichtungen der Industrieländer um eben denselben Wert anheben. Ansonsten laufen wir Gefahr, mit der Waldoption im Emissionshandel zugleich das 2-Grad-Ziel aufzugeben. Sie finden dieses Argument auf Englisch noch etwas genauer hier auf einem Blatt ausgeführt.
Aber es gibt eine Reihe von weiteren Gründen, warum Waldschutz weniger geeignet für den Emissionshandel ist.
a) Die Kostenstruktur: Die Waldoption hat sehr geringe Kosten je Tonne vermiedener CO2-Emissionen. Das ist etwas positives, wir können mit relativ wenig Geld viel CO2 einsparen. Doch wenn wir einen gemeinsamen Markt schaffen zwischen Optionen mit geringen und hohen Vermeidungskosten, schafft man Windfall Profite für die Anbieter mit geringen Kosten (also die Waldländer). Das ist so ähnlich wie bei Ölpreis: Wenn dank hoher Ölpreise jetzt mancherorts auch Öl zu Gestehungskosten von 30$/Barrrel gefördert wird, haben wir einen Windfall Profit für die Saudis die Gestehungskosten von 2$/Barrel haben. Es ist daher ökonomisch nicht unbedingt sinnvoll, gemeinsame Märkte zu schaffen zwischen Optionen, die eine sehr stark differierende Kostenstruktur haben.
b) Es gibt methodisch die Gefahr, dass wir mit REDD ein großes Leck in den internationalen Emissionshandel bohren. Dieser kann jedoch als ökologisches Instrument nur funktionieren, wenn er „dicht“ ist, d.h. wenn wir tatsächlich Emissionsreduktionen erzielen und nicht nur fiktive. Das könnte z.B. passieren, wenn wir dank REDD den Waldschutz in einem Naturschutzgebiet finanzieren, dort weniger abgeholzt wird, aber nebenan die Abholzung um so stärker weitergeht. Das will man dadurch vermeiden, dass man die Reduzierung der Entwaldung auf der Ebene ganzer Länder betrachtet. Doch selbst in diesem Fall könnte es passieren dass wir Verdrängungseffekte bekommen, die Landesgrenzen überschreiten.
Ein Beispiel: Selbst wenn man durch REDD die Ausdehnung der Soja-Frontier in Brasilien stoppen wird, könnten die brasilianischen Sojabarone halt nach Bolivien, Paraguay oder Argentinien gehen und dort Entwaldung verursachen. Wenn es in allen Ländern nicht gleichermassen ein REDD Agreement gibt, dann bekommt man Lecks (leakage). Das ganze funktioniert sogar über Kontinente hinweg, wir sehen das auf dem Biotreibstoff-Markt.
c) Es gibt in der REDD-Debatte einen massiven Druck, auch Finanzierung zu leisten für den blossen Walderhalt in Regionen, wo es bisher keine rasche Entwaldung gibt (Indien, Teile des Kongobeckens). Das macht ja auch im Prinzip Sinn. Nur gibt es dort keine real existierenden Emissionen zu verringern, sondern potentielle zukünftige Emissionen präventiv zu verhindern. Das muss auch finanziert werden. Doch nicht über „schmutziges Geld“: Wenn ich die nicht vorhandene Reduzierung nicht real existierender potentieller Emissionen mit real existierenden fossilen Emissionen im Norden verrechne, ist das „leakage“: Die Schöpfung von „faulen“ Emissionszertifikaten aus dem Nichts.
d) Im Energiesektor gibt es potentielle Technologie-Lerneffekte (Technology-Learning), die hoffen lassen dass wir nach 1-2-3 Jahrzehnten Emissionshandel die Erneuerbaren Energien soweit zur Reife gebracht haben, dass sie sich auch ohne CDM-Finanzierung selbst finanzieren. Beim Waldschutz gibt es kein Technology Learning. Den muss man im Prinzip unbegrenzt weiter finanzieren. Die Emissionsreduktionsverpflichtungen der Industrieländer sind aber eine erschöpfliche Ressource. Irgendwann sind die erbracht und erfüllt. Der Emissionshandel bietet keine dauerhafte Finanzierung.
Fazit: Die Finanzierung einer noch so sinnvollen Aktivität über den CO2-Markt hat einen ökologischen Preis: Mehremissionen an anderer Stelle. Daher Finger weg von der Finanzierung des Waldschutzes über Emissionszertifikate. Damit wir nicht Amazonien zu retten versuchen, indem wir Grönlands Eisschild opfern.
Foto: Entwaldung in Amazonien (Para) by leoffreitas on flickr