Merkel zur Klimapolitik

Bundeskanzlerin Merkel hat vor wenigen Tagen in Leipzig anläßlich des Internationalen Transportforums eine Rede gehalten, die man als eine klimapolitische Grundsatzrede lesen kann (Originaltext hier). Ich dokumentiere im Folgenden den Text in großen Teilen, hebe Passagen im Fettdruck hervor und kommentiere jeweils aus meiner Sicht einzelne Abschnitte (kursiv). Auch Ihre Kommmentare sind sehr willkommen (Kommentarfunktion unten):

„Der Klimawandel gehört mit Sicherheit zu den zentralen Herausforderungen der Menschheit. Er stellt uns vor die moralische Herausforderung, heute an die Lebensbedingungen für die künftigen Generationen zu denken. Es ist interessant, dass dieses Verkehrsforum zeitgleich zur großen UN-Konferenz über Artenvielfalt stattfindet – ein anderer Aspekt des Erhalts unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Wir müssen es schaffen, in einer Welt, in der die Zahl der Menschen wächst, in einer Welt, in der die Endlichkeit der Ressourcen immer sichtbarer wird, zu einem nachhaltigen Lebensstil zu gelangen.

Das sagt sich aus dem Blickwinkel der Industrieländer etwas einfacher als aus dem Blickwinkel derer, die ihre Entwicklung zu einem menschenwürdigen Leben noch vor sich haben. Deshalb müssen wir einen gemeinsamen Ansatz finden. Deshalb ist dieses Problem nicht nur ein technisches Problem. Wir müssen uns zunächst einmal über die moralischen Grundlagen im Klaren sein. Diese können aus meiner Sicht nur heißen, dass wir jedem Menschen die gleichen Chancen auf Entwicklung in dieser Welt einräumen – mit allen Konsequenzen, die daraus erwachsen.

Gut getroffen! Sie sollte „The right to development in a climate constrained world“ lesen. Dort wurde dieser Ansatz in die Praxis umgesetzt.

Beim Klimawandel nutzt es interessanterweise nicht – deshalb ist es für mich ein so spannendes globales Thema -, auf vergangene Zeiten zurückzublicken und Schuldzuweisungen zu machen. Ja, es ist wahr, dass die Industrieländer die CO2-Emissionen der vergangenen einhundert bis einhundertfünfzig Jahre produziert haben. Wahr ist aber auch: Selbst dann, wenn alle Industrieländer von heute auf morgen – was nicht passieren wird – alle CO2-Emissionen kappen und kein CO2 mehr emittieren würden, das Problem als solches weiter existent wäre und auch von den sich entwickelnden Ländern ernst genommen werden müsste. Das heißt, wir können das Problem nur gemeinsam angehen, aber nicht durch in die Vergangenheit gerichtete Beschimpfungen klären.

Hm. Da wird die zweite Wahrheit (ohne Entwicklungsländer geht es nicht) dazu missbraucht, die erste Wahrheit (die Industrieländer sind verantwortlich) zu annullieren. Klimagerechtigkeit bedeutet aber, die erste Wahrheit genau so ernst zu nehmen wie die zweite. Und damit diejenigen, die verantwortlich für das Problem sind und damit ihren Wohlstand aufgebaut haben, in die Pflicht zu nehmen, die Emissionsreduktionen auch in Entwicklungsländern zu unterstützen. Das Greenhouse Development Rights Framework fordert genau dies.

Klimawandel ist sowohl eine moralische als auch eine ökonomische Herausforderung. Er fordert unsere Fähigkeiten heraus, ein neues Kapitel der wirtschaftlichen Entwicklung aufzuschlagen, das uns vor vollkommen neue Herausforderungen stellt in einer Zeit, in der wir beispielsweise anhand der Entwicklung der Preise für Erdöl und Erdgas erhebliche Veränderungen bei der Verfügbarkeit bzw. zumindest bei der Erschwinglichkeit von klassischen Energieträgern spüren.

Ein Hauch von Peak Oil in einer Rede der Bundeskanzlein?

Klimawandel ist zudem eine große politische Herausforderung, denn wir stehen vor der Aufgabe, international zusammenzuarbeiten. Das ist der klassische Weg eines multilateralen Prozesses. Deshalb habe ich sehr viel Wert darauf gelegt, im vergangenen Jahr, als Deutschland Gastgeber des G8-Gipfels war, zu sagen, dass dieser Weg unter dem Dach der Vereinten Nationen gegangen werden muss. Es gibt überhaupt keine andere politische Alternative. Es hilft nicht viel, wenn sich fünf Länder mit anderen fünf Ländern irgendwie verabreden, sondern es muss ein international legitimierter und bindender Prozess eingeleitet werden.

Gut gebrüllt!

Was ist die Dimension des Problems? Von 1970 bis 2004 sind die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen um 70 Prozent gestiegen. Diese Zunahme hat sich in den vergangenen Jahren nicht etwa abgeschwächt, sondern beschleunigt. Wir bekommen die Folgen zu spüren.

Das ist das eigentlich Schwierige an dem gesamten Klimaveränderungsprozess: Die Folgen sind punktuell zu spüren, sie sind regional unterschiedlich zu spüren, man kann verschiedene Erklärungsmuster für sie finden, sie sind im Einzelfall nicht in jedem Sommer und jedem Winter nachzuweisen. Aber alles, was wir beobachten, deutet darauf hin – das ist Ihnen heute von Herrn Pachauri dargestellt worden -, dass die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen dramatisch sind und dass wir etwas dagegen tun müssen.

Es wird argumentiert, den Klimawandel hätte es immer schon gegeben. Das ist richtig. Es gab auch Schwankungen von vielen Grad Celsius. Dies war aber zu Zeiten, als die Besiedlung der Erde noch nicht in der heutigen Form gegeben war. Der Klimawandel findet heute nicht in Zehntausenden von Jahren statt, sondern er findet heute in einer relativ kurzen Zeit statt, in der keinerlei Anpassungsmechanismen wirken werden, die uns darauf vorbereitet erscheinen lassen. Es sind noch nie zuvor die für uns interessanten Stellen der Welt besiedelt gewesen, die Flussmündungen, die Küsten und vieles andere mehr.

Gut getroffen – war wohl bei den anwesenden Automobilmanagern noch einmal nötig?

Das heißt, wir müssen uns dem Klimawandel stellen. Dabei geht es nicht um die Frage, ob man heute mehr aufwenden muss, als man gestern aufwenden musste. Vielmehr geht es um die Frage, was man aufwenden muss, wenn man nichts tut, im Vergleich zum Aufwand bei einem vernünftigen Herangehen.

Richtig

Ich kann das gar nicht oft genug sagen, weil die politische Diskussion im Augenblick eine schwierige ist. Wenn der Ölpreis steigt, wenn die Energieträger teurer werden, dann ist die Frage der Menschen natürlich: Weshalb müssen wir jetzt noch über ein „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ zusätzliche Subventionen für die Entwicklung von Windenergie, von Sonnenenergie und anderen Dingen aufbringen? Ist das richtig? Ist das vernünftig?

Ja, es ist gerade jetzt richtig und vernünftig! Wir haben die Förderung der Einspeisung von Erneuerbaren Energien ins Stromnetz jetzt seit 1991. Seitdem sind die Kosten der Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse spürbar gesunken, es ist das erfolgreichste Programm zur Förderung der neuen Technologien weltweit zu geringen Kosten. Die Steinkohle wurde über viele Jahrzehnte subventioniert mit weit höheren Milliardenbeträgen, und hinterläst ungeheure Bergbau- und Klimaschäden. Die Atomenergie gibt es seit über 50 Jahren, braucht bis heute eine Subvention in Milliardenhöhe durch reduzierte Versicherungsbeträge, und hinterlässt radioaktiven Müll für Zehntausende von Jahren.

Wenn wir über die Kraftfahrzeugsteuer sprechen – ein Thema, das uns gerade in Deutschland beschäftigt -, dann stellt sich natürlich die Frage, ob man denjenigen, die ältere Autos fahren, zusätzlich etwas zumuten kann. Diese Frage wird im politischen Raum sehr unterschiedlich beantwortet. Das ist schwierig. Ich sage das ausdrücklich.

Wo steht Merkel in der Debatte???

Wir können aber auf Dauer – auch wenn wir es vielleicht nicht so schnell schaffen, wie wir dachten – nicht darauf verzichten, die Anreize richtig zu setzen. Wenn wir die Umstellung auf Biokraftstoffe vollziehen – wir werden das in Deutschland machen -, dann haben wir plötzlich das Problem, dass die technische Verträglichkeit bei klassischen Benzinsorten mit Beimischungen von Biokraftstoffen nicht gegeben ist und daher die Menschen, die ältere Autos fahren, teures Benzin kaufen müssen. Das muss man diskutieren. Das darf aber kein Grund dafür sein, sich mit Biokraftstoffen nicht mehr zu beschäftigen.

Ich bin Professor Stern von der London School of Economics sehr dankbar. Er hat uns in einem Bericht zum ersten Mal die wirtschaftlichen Szenarien für den Fall aufgezeigt, dass wir nichts tun, und für den Fall, dass wir etwas tun, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Das kann, darf und muss die Grundlage unseres Handelns sein. Deshalb werden und müssen wir – für mich ist das gar keine Frage – auch die Berichte des IPCC ernst nehmen. Deshalb sollten wir alles daransetzen, die mittlere Temperaturerhöhung nicht um mehr als zwei Grad Celsius stattfinden zu lassen. Das zu erreichen, ist eine hoch ambitionierte Aufgabe angesichts der Wachstumsraten, die sich beispielsweise im Verkehrsbereich abzeichnen.

Heute haben wir in Deutschland eine durchschnittliche Emission von knapp elf Tonnen pro Kopf. Der Mittelwert liegt bei etwa vier Tonnen pro Mensch auf der Welt. Selbst dann, wenn wir die Steigerung der Weltbevölkerung nicht mit einrechnen, dürfen wir bis zur Mitte dieses Jahrhunderts aber kaum über zwei Tonnen hinaus kommen, wenn wir einen Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius unterschreiten wollen. Deutschland emittiert pro Kopf elf Tonnen, Europa emittiert durchschnittlich neun Tonnen, die Vereinigten Staaten von Amerika emittieren 20 Tonnen pro Kopf. Es liegt also noch eine gewaltige Aufgabe vor uns.

Gut getroffen, auch wenn neuere Daten uns eher noch stärkere Reduktionen nahelegen. Aber bedeutet die Festlegung des Ziels (2 Tonnen pro Kopf) auch schon die Verteilung der Anstrengungen auf diesem Weg? Hier gilt es zwischen Emissionsreduktonen in einem Land und von einem Land zu unterscheiden!

Wir stellen fest, dass Länder wie China bereits über drei Tonnen pro Kopf emittieren. Das heißt, bei hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten muss auch in diesem Fall eine Reduktion relativ schnell ins Auge gefasst werden. Deshalb müssen wir schauen, mit welchen Maßnahmen wir vorgehen.

Ich glaube, es ist nichts Neues, wenn ich sage: Klimawandel erfordert die Bereitschaft, neue Wege bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu gehen. Wir glauben, dass wir als Bundesrepublik Deutschland einen wirklich interessanten Weg gehen können und dass sich uns viele Chancen eröffnen. Das ist der zweite Aspekt. Wenn schon die Industrieländer den Klimawandel im Wesentlichen bisher hervorgerufen haben, dann ist das wieder eine wirtschaftliche, aber auch eine moralische Verpflichtung, durch die Entwicklung der besten Technologien einen Beitrag dazu zu leisten, dass andere auf der Welt gleich mit effizienten Technologien starten können.

Auch das gut getroffen. Ich bin gespannt auf Merkels Vorschläge zum Technologietransfer!

Wenn wir uns einmal vor Augen halten, wo die Zukunft für entwickelte Industrieländer liegt, dann wissen wir doch auch, dass unsere Chancen, in den bereits bekannten Bereichen effizient zu produzieren, nicht gerade steigen werden. Das heißt, es ergibt sich für uns eine Gewinnsituation, wenn wir uns entscheiden, in neue Wege, in Forschung und Technologie, in effizientere Strukturen zu investieren, damit wir auch künftig Chancen für unseren Export haben und damit auch Arbeitsplätze auf Dauer sichern. Wer sich die Entwicklung der deutschen Windkraftindustrie anschaut, wer sich den Solarbereich anschaut, der sieht das.

Wir haben eine europäische Strategie zum Klimaschutz entwickelt. Sie wissen das. Wir haben uns zudem bereit erklärt, in den internationalen Verhandlungen für die Zeit nach dem Kyoto-Abkommen deutliche Reduktionen in der Europäischen Union anzustreben, und zwar eine Minderung um 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990. Wenn uns international andere folgen, sind wir auch zu Reduktionen um bis zu 30 Prozent bereit. Wir wollen den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 20 Prozent verdreifachen. Die Energieeffizienz – an dieser Stelle sehe ich den wesentlichen Punkt, der auch für den Verkehr von großer Bedeutung ist – wollen wir um 20 Prozent steigern.

Deshalb haben wir bis zum nächsten Jahr alle Hände voll zu tun. Ein Kyoto-Nachfolgeabkommen soll im Jahr 2009 in Dänemark abgeschlossen werden. Wir müssen dafür Maßstäbe entwickeln. Ich persönlich denke, dass es auf lange Frist nur mit bestimmten Pro-Kopf-Emissionen geht. Deshalb müssen wir den Austausch neuester Technologien vorantreiben und als Industrieländer unseren Beitrag dazu leisten.

Siehe oben. Bedeutet das Anstreben gleicher Pro-Kopf-Emissionen auf lange Frist auch, dass wir die Emissionsrechte und damit die Anstrengungen auf diesem Weg auch nach diesem Prinzip verteilen? Ich glaube nicht, denn das wäre eine „extrem schwache Form von Gerechtigkeit“ (Stern).

Nun stellt sich die Frage, wie die einzelnen wirtschaftlichen Bereiche ihren Beitrag dazu leisten können. Gestern habe ich auf der Artenschutzkonferenz zum Beispiel darauf hingewiesen, dass die CO2-Speicherkapazität der tropischen Regenwälder und der Moore heute immer noch wesentlich größer ist als die gesamten CO2-Emissionen des Verkehrs. Das heißt also, die Artenvielfalt zu erhalten, ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für den Klimaschutz. Ich sage das nicht, weil ich damit zum Ausdruck zu bringen beabsichtigte, die Emissionen des Verkehrs seien nicht so schlimm. Ich sage nur, an wie vielen Ecken und Enden wir agieren müssen, um ein ausbalanciertes System zu erreichen. Wir müssen natürlich auch und vor allen Dingen im Bereich des Verkehrs Maßnahmen ergreifen.

Richtig

71 Prozent des Gesamtverkehrs in der Europäischen Union sind heute vom Mineralöl abhängig. Im Straßenverkehr sind es sogar 97 Prozent. Deshalb trägt der Verkehr natürlich zum Verbrauch knapper Energieressourcen bei. Er ist zu einem großen Teil für den CO2-Austoß verantwortlich. In den OECD-Staaten ist er im Mittel für etwa 30 Prozent des CO2-Austoßes verantwortlich.

Weltweit gibt es heute etwa 650 Millionen Kraftfahrzeuge – Tendenz zunehmend. Der Bestand in den Schwellenländern wird sich Prognosen zufolge bis zum Jahr 2020 verdoppeln und bis zum Jahr 2050 verdreifachen. Deshalb müssen wir mit neuen Technologien voranschreiten, denn wir werden wohl nicht moralisch überzeugend sein, wenn wir anderen sagen, dass sie sich verändern müssen oder etwas nicht bekommen, wenn wir selbst nicht dazu bereit sind.

Gut getroffen, auch wenn das nicht nur Technologien, sondern auch Aspekte der Lebensstile, der Stadtplanung etc. betrifft.

Wir verzeichnen erhebliche Wachstumsraten beim Gütertransport – nicht nur auf der Straße, sondern auch bei der Schifffahrt und beim Luftverkehr. Die jeweiligen Protagonisten sind in diesem Raum. Die Politik hat an dieser Stelle viel zu tun. Ich habe in dieser Woche die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin eröffnet. Es zeigt sich, dass der Binnenmarkt auf der Erde zwar einigermaßen funktioniert, aber im Luftraum herrscht noch Kleinstaaterei. Diese kostet uns natürlich erhebliche CO2-Emissionen. Wenn Sie sozusagen in geballter Kraft hier sitzen, dann denkt man als Kanzlerin – auch wenn man nicht vergessen hat, wie schwierig das im Detail ist: Es müsste doch möglich sein, einen Fortschritt zu erreichen, wenn jeder sein Herz in die Hand nimmt. – Beifall kommt nicht. Na ja.

It is politics, stupid! Mehr Mut, Kanzlerin! Es ist Aufgabe der Politik, hier die Vorgaben zu machen. Wer sich allerdings die Gesetze von Wirtschaftslobbyisten in den eigenen Ministerien schreiben lässt, darf sich nicht wundern wenn dann wenig klimafreundliches herauskommt.

Wir müssen die Entkopplung von Transportleistung und Energieverbrauch im Verkehrsbereich schaffen. Das wäre ein wesentlicher Punkt, den wir in Deutschland im Industriebereich vor etlichen Jahren bereits erreicht haben. Wir haben hier aber zum Beispiel noch nicht geschafft, das Wirtschaftswachstum vom Flächenverbrauch zu entkoppeln. Das heißt, wir verbrauchen in Deutschland jeden Tag 100 Hektar neue Fläche. Aber weltweit haben wir es noch nicht geschafft, die Transportleistungen vom Energieverbrauch zu entkoppeln. Das wird eine der ganz wesentlichen Aufgaben sein.

Deshalb gilt es, die Energieeffizienz zu erhöhen. Ich bin sehr erfreut darüber, was in den vergangenen Jahren in der Automobilindustrie geschaffen wurde. Als ich vor zehn Jahren Umweltministerin war, hat man mir erzählt, jetzt müsse man zunächst in Sicherheit investieren. Mit mehr Sicherheit würden die Fahrzeuge schwerer. Wenn sie schwerer würden, könnten sie auch nicht weniger CO2 verbrauchen. Zumindest sei das sehr schwierig.

Inzwischen hat sich die Diskussion völlig gewandelt. Es sind neue Antriebstechnologien entwickelt worden. Was früher bei der japanischen Motorenentwicklung mit leichter Abfälligkeit angesehen wurde, ist plötzlich „in“ in Deutschland. Der Run auf die beste Batterie ist sozusagen zu einer Frage der Ehre geworden. Das gefällt mir sehr gut. Das zeigt, dass Fortschritte möglich sind, wenn bestimmte Anreize und Notwendigkeiten gegeben sind. Ich denke, durch Brennstoffzellen, Solarantrieb und vieles andere mehr werden wir noch unglaubliche Revolutionen im Verkehrsbereich erleben.

Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir die Diskussion nicht punktuell an bestimmten Standardthemen abarbeiten – in Deutschland ist dies das Tempolimit – und glauben, dass wir damit die Probleme der Verkehrsentwicklung gelöst hätten. Das heißt: Keine Konzentration auf Nebenkriegsschauplätze, sondern auf große Szenarien, in denen jeder Teilnehmer – egal ob politischer oder wirtschaftlicher Vertreter – seine Schulaufgaben machen muss. Ich habe das am Beispiel des „Single European Sky“ für den Flugverkehr gesagt. Das gilt genauso für die Innovationsrate bei Flugzeugen und für die Erprobung effizienter Technologien.

Hm. Was ist denn das? Man erklärt zuerst den Klimawandel für eine Menschheitsherausforderung, und dann wird eine einfache, kostenfreie und dazuhin lebensrettende Maßnahme wie das Tempolimit zum „Nebenkriegsschauplatz“? Natürlich wird das Tempolimit den Klimawandel nicht stoppen, aber als eine Maßnahme unter vielen hat es eine Rolle. Ein Kotau der Klimakanzlerin vor den Tempobolzern?

Meine Damen und Herren, wir müssen uns im Rahmen einer konzertierten Aktion anstrengen. In der Europäischen Union führen wir die Diskussion über die Frage, wie man es schaffen kann, den durchschnittlichen Flottenverbrauch auf 120 Gramm CO2 pro Kilometer zu senken. Wir sind als Deutsche durchaus in einer strittigen Diskussion mit der Europäischen Kommission, weil wir ein Land sind, in dem sehr viele Autos aller Größenklassen produziert werden.

Auf eine solche Regelung – 120 Gramm CO2 pro Kilometer – hat sich die Automobilindustrie freiwillig eingelassen. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, wenn man diese Regelung auch freiwillig eingehalten hätte. Dann müsste man nicht mit regulierenden Maßnahmen und der Androhung von Strafzahlungen tätig werden. Wenn wir das Ordnungsrecht einsetzen, haben wir natürlich auch die Aufgabe, dies wettbewerbsneutral zu machen.

Das ist aber auch noch sehr freundlich formuliert. Jetzt sitzen vor ihr diejenigen, die eine verbindliche Selbstverpflichtung eklatant gebrochen haben und die sich nun dagegen wehren, dass entsprechende gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden, und die „Klimakanzlerin“ sagt nur „es wäre einfacher gewesen wenn ihr Euch an Eure Selbstverpflichtung gehalten hättet“.

An dieser Stelle kommen wir an einen ganz spannenden Punkt, der uns – vom Flugzeug bis zum Auto und Lkw und in vielen anderen Bereichen – immer wieder beschäftigen wird. Was heißt „sustainable development“? Wir haben gelernt, dass dies heißt, eine Harmonie, einen Gleichklang von ökologischen Anforderungen, wirtschaftlichen Notwendigkeiten und sozialen Gegebenheiten herzustellen.

Nein, bitte nicht das Drei-Säulen-Modell! Nachhaltige Entwicklung ist zuvörderst Entwicklung in ökologischen Grenzen, damit nicht die Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen auf Kosten zukünftiger Generationen befriedigt werden (wie aktuell massiv der Fall!).

Anhand der Diskussion der Automobilrichtlinie in der Europäischen Union können Sie jetzt schon sehen, was die Anwendung bzw. Schaffung von Ordnungsrecht in Bezug auf Nachhaltigkeit ausmacht. Die einen sagen: Ihr könnt doch nicht soziale Komponenten in eine Richtlinie einarbeiten, bei der es eigentlich um den Treibstoffverbrauch geht. Die anderen sagen: Ihr könnt doch nicht die europäischen Exportchancen minimieren, indem ihr die großen Autos mehr belastet. – An dieser Stelle müssen wir einen ausgewogenen Pfad finden.

Wenn Ausgewogenheit immer am Ende auf Kosten unserer Kinder und Enkel geht, haben wir ein massives Problem.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die deutsche Automobilindustrie und darunter auch die Hersteller größerer Autos an dieser Stelle sagen: Jawohl, wir sind bereit, einen größeren Beitrag zu leisten. Wenn man aber die Hersteller größerer Autos in die Knie zwingt, wäre dies genau das Falsche, weil wir immer wieder erlebt haben, dass Innovationen bei kleinen Autos von der Entwicklung der großen Autos stammten, sodass kleine Autos mit Innovationen in der Massenherstellung für die Menschen erschwinglich blieben. Das heißt, wir müssen eine vernünftige Balance hinbekommen.

GM schliesst gerade vier Fabriken für SUVs und andere Spritfresser, und stellt sogar die berüchtigte Marke „Hummer“ zur Disposition. Tut man der deutschen Automobilindustrie wirklich einen Gefallen, wenn man große, schwere Autos protegiert? Damit fährt die Industrie nur vollends gegen die Wand.

Zudem stellt sich eine grundsätzliche Frage im gesamten Bereich des Klimaschutzes: Wollen wir für jeden Sektor Ordnungsrecht vorgeben? Für die Automobile, für die Flugzeuge, für die Eisenbahnen usw.? Oder setzen wir auf marktwirtschaftliche Anreize und hoffen, dass sich die einzelnen Marktteilnehmer vernünftig verhalten?

Ich glaube nicht, dass die Politik dazu prädestiniert ist, für jedes und alles – vom Wasserkocher über das Auto bis zum Flugzeug und zur Chemieanlage – geeignete ordnungsrechtliche Vorgaben zu machen. Deshalb setze ich stärker auf marktwirtschaftliche Instrumente.

Das sind so Sätze die allgemein richtig und im Einzelfall auch falsch sein können. Märkte funktionieren nie perfekt, und es gibt eine Vielzahl von Situationen, in denen Märkte kostensparende Effizienzinnovationen nicht umsetzen. Dann sind Effizienzstandards die einzige Lösung.

Das Instrument des CO2-Emissionshandels ist das Instrument, das aus meiner jetzigen Kenntnis heraus die besten Voraussetzungen mit sich bringt, um zu einer globalen Anwendung zu kommen. Das setzt allerdings allgemeine Reduktionsraten voraus. Diese müssten gar nicht unbedingt auf jeden Kontinent heruntergebrochen werden. Dann könnte ein Handelssystem installiert werden, das einen weltweiten Austausch ermöglicht. In einem von mir als ideal angesehen Schritt könnte man mit dem Geld, mit dem man Emissionsrechte bei noch nicht so weit entwickelten Ländern kauft, diesen Ländern helfen, einen technologisch-effizienten Pfad einzuschlagen.

Hm. Bitte mehr an dieser Stelle!

Ich weiß, dass ich hier ein bisschen träume, weil es noch ein weiter Weg bis dahin ist. Wir erleben auch in der Europäischen Union, dass lokale und regionale CO2-Handelssysteme an ihre Grenzen stoßen. Wenn man ein globales Problem mit einem lokalen oder regionalen Instrument bekämpft, dann stößt man spätestens beim Flugzeug an eine Grenze, die extrem schwierig ist. Für den Schiffsverkehr gilt das natürlich genauso.

Deshalb plädiere ich dafür, dass wir eine Vision entwickeln, die deutlich macht, wohin wir insgesamt wollen. In dieser Vision sind wir nicht frei, weil uns der IPCC ganz klar vorschreibt, was wir machen dürfen und was wir nicht machen dürfen und was welche Folgen nach sich zieht. Innerhalb dieser Vision sollte das möglichst flexibelste und effizienteste System angewendet werden, um auf einem ökonomisch günstigen Pfad, aber nicht auf dem ökonomisch beschwerlichsten Pfad zu den notwendigen Zielen zu gelangen.

Das ist zwar einerseits auch sehr richtig, andererseits muss man die Innovationen auf Lead-Märkten fördern und nicht nur das least-cost-Prinzip im Auge haben.

Ich glaube, es ist vernünftig, hierbei im Auge zu behalten, wohin wir müssen, um unserem globalen System nicht einen zu großen Schaden zuzufügen, um uns bei der Auswahl der einzelnen Unterwege nicht völlig im Unterholz zu verzetteln und um zu vermeiden, auf einen falschen Akzent vielleicht viel zu viel Kraft und Wert zu legen. Meine Damen und Herren, deshalb ist es so wichtig, dass Sie das miteinander diskutieren.“

Auch das ist natürlich immer richtig. Aber wie sagte ihr Ziehvater: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Und das ist bisher leider, leider zuwenig gute Klimapolitik und viel zuviel CO2.
Foto: von Bah Humbug auf flickr