Stop worrying – start panicking?

Vergangene Woche trat Bundesumweltminister Gabriel mit dem Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber, vor die Medien und verkündigt eine dramatische Nachricht: Die Risiken des Klimawandels sind noch höher als im letzten Sachstandsbericht des IPCC 2007 dargestellt.

Jedes Zögern im Klimaschutz sei unverantwortlich, läßt sich Schellnhuber zitieren. Eine Botschaft auch an Bundeskanzlerin Merkel, die sich von Schellnhuber im G8-Prozess beraten ließ?

Denn Deutschland zählt zu den Nationen, die im Verbund mit Polen und anderen Bremsern dabei sind, das Klima- und Energiepaket der EU-Kommission massiv abzuschwächen, nachdem das EU-Parlament es noch weitgehend unversehrt bestätigt hatte.

Unter anderem soll das Versprechen der EU, ihr Klimaziel von -20% auf -30% gegenüber dem Niveau von 1990 hochzusetzen, wenn es ein entsprechendes internationales Abkommen gibt, deutlich abgeschwächt werden. Der IPCC Report hatte eine Größenordnung von -25-40% für die Industrieländer als Minimum vorgegeben, um auch nur die Erwärmung im Bereich von 2,0-2,4°C zu halten.

Schon die -30% waren in dieser Hinsicht zu wenig, um das 2-Grad Ziel zu halten. Wenn die EU mit zahlreichen osteuropäischen Mitgliedsstaaten (und deren wendebedingten Emissionsminderungen nach 1990) nur -30% anstrebt, wer soll dann die -40% machen?

IPCC Autor Niklas Höhne vom Forschungsinstitut Ecofys hat in einer Analyse für das EU-Parlament denn auch deutlich gemacht, dass unter den gängigen Ansätzen zur Aufteilung von Anstrengungen die EU mindestens -30% für die heimischen Emissionsreduktionen anstreben muss, und zusätzlich -10% über einen verbesserten CDM in Entwicklungsländern erbringen müsste. Die in dieser Analyse verwendeten Ansätze gehen zudem von eigenständigen Klimaschutzanstrengungen der Entwicklungsländer aus, die deutlich höher als die der Industrieländer sind, gemessen am Responsibility and Capacity Index des Greenhouse Development Rights Frameworks.

Merkel und Gabriel verspielen ihren Kredit„, läßt sich Regine Günther vom WWF zitieren, unter unmissverständlicher Anspielung auf die Finanzkrise. Doch das Klimasystem gibt keinen Kredit. Grönlands Eisschild läßt sich auf keinen Kompromiss ein, einen Kuhhandel mit dem in der EU üblicherweise Differenzen bereinigt werden. Grönlands Eisschild schmilzt einfach. Mitleids- und kompromisslos. Ob unser politisches System mit solch einem kompromisslosen Partner umgehen kann?

Kompromiss für Kompromiss in die Klimakatastrophe: Stop worrying – start panicking? So titelt Hans-Joachim Schellnhuber zu den verbleibenden Chancen, den Klimawandel in Grenzen zu halten. In Reaktion auf einen Artikel von Ramanathan/Feng „Formidable Challenges ahead„. Für diejenigen, die sich den jüngsten Erkenntnissen der Klimawissenschaft aussetzen wollen. Nur für starke Nerven.


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