Viele haben die Hoffnung, dass beim Gipfeltreffen zur Finanzkrise am 15. November in den USA nicht nur eine Reform des Bretton-Woods-Systems zur Bändigung der internationalen Finanzmärkte beschlossen wird, sondern diese Reform auch für eine verlässliche und adäquate Finanzierung für internationalen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sorgen wird. Wie genau das aussehen sollte, darüber denken aktuell sowohl die entwicklungspolitischen als auch die Umweltverbände nach und kommen hoffentlich zu einstimmigen Forderungen an die Staats- und Regierungschefs.
Von einem scheidenden Präsidenten Bush sind keine großartigen Impulse zu erwarten. Umso mehr ruht die Hoffnung auf der EU. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben nun am 7. November eine offizielle Erklärung abgegeben, die ihre Pläne und Ideen für den 15.11. umreißt.
Das Thema Klimawandel kommt im gesamten Text nur ein einziges Mal vor, und zwar an dieser Stelle:
The Washington summit must be the occasion to integrate this reform of the international financial system into the larger series of 21st century challenges which we remain determined to tackle : food security, the fight against poverty and climate change, and the promotion of free trade through the rapid conclusion of the Doha Round.
Dazu sage ich:
1. Glückwunsch an die EU, dass sie es schafft, zumindest die Herausforderung zu formulieren, vor der wir stehen: Wir müssen die verschiedenen Krisenphänomene zusammendenken und übersektorale Lösungsvorschläge entwickeln. Politikkohärenz ist oberstes Gebot.
2. Ich habe keine Ahnung, was hier das Thema Freihandel macht. Freihandel ist jedenfalls nicht in der gleichen Kategorie globaler Herausforderungen anzusehen wie Ernährungssicherheit und Klimastabilität. Ganz im Gegenteil, gerade die Handelspolitik der EU trägt in vielen Bereichen kontroproduktiv zur Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern bei.
3. Es fällt kein Satz zum Thema Finanzierung von Emissionsminderungs- und Klimawandelanpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern, obwohl das eine der größten finanzpolitischen Herausforderungen unserer Zeit und der Zukunft sein wird.
4. Auch das Thema Entwicklung fällt in keinem Wort. Und das, obwohl in wenigen Wochen die UN-Weltkonferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha beginnt.
So viel politische Inkohärenz und Schubladendenken sind angesichts der anstehenden Herausforderungen ein unverzeihliches Versagen der EU!
Die Erklärung der EU vom 7. November enthält 4 Prinzipien, nach denen sich die EU eine Neugestaltung des Finanzsystems wünscht. Hier ein kleines Übertragungsexperiment auf die Klimapolitik:
The international summit on 15 November 2008 must pave the way for reform of the international financial system. Europe must play a major part in it in three respects: common principles upon which to build a new international financial system; a working method to deliver real decisions swiftly; a full set of responses, some of which should be adopted without delay.
Die Schlüsselworte eines Kopenhagen-Deals fallen hier: Gemeinsame Prinzipien, Arbeitsmethoden, mit denen man schnelle Ergebnisse erzielt, und die sofortige Übernahme der vollen Verantwortung.
Those principles are as follows:
(i) No financial institution, no market segment and no jurisdiction must escape proportionate and adequate regulation or at least oversight.
Einbeziehung aller Wirtschaftssektoren in nationale verbindliche Emissionsminderungsziele und den Kohlenstoffmarkt!
(ii) The new international financial system must be based on principles of accountability and transparency.
Das Klimaregime muss auf Pirnzipien wie Rechenschaftspflicht und Transparenz basieren. In der Klimapolitik könnte man da noch die in der Klimarahmenkonvention genannten Prinzipien hinzufügen (z.B. Klimagerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung, gemeinsame aber differenzierte Verantwortung und jeweils unterschiedliche Fähigkeiten etc.)
(iii) The new international financial system must allow risks to be assessed so as to prevent crises.
Genau: Risiken gewissenhaft einschätzen, ernst nehmen und handeln, um Krisen zu vermeiden. Wir können nicht ernsthaft sagen, dass eine Chance von 20 %, katastrophalen Klimawandel zu vermeiden, ein angemessener Risikofaktor wäre, oder?
(iv) Give the IMF a central role in a more efficient financial architecture.
Hier fällt die Übertragung nicht so leicht: Vielleicht könnte man hier die zentrale Rolle der Klimarahmenkonvention bei der Gestaltung einer neuen Klimafinanzierungsarchitektur nennen – also eine Abkehr von der Allmacht der Weltbank.
Auch wenn so eine EU-Erklärung zum Klimawandel derzeit noch als Träumerei erscheint. Spätestens im Endspurt von Kopenhagen brauchen wir sie, um die absolute Katastrophe zu vermeiden. Vielleicht haben die Staats- und Regierungschefs bis dahin mit der gemeinsamen Lösung der Finanzkrise so positive Erfahrungen gemacht, dass sich das auch auf das Klima auswirken wird.
In Washington werden übrigens neben den USA und der EU auch die großen Schwellenländer dabei sein. Die chinesische Regierung wagt sich aktuell sehr weit vor mit ihrer Rhetorik gegenüber dem Westen, und das zu Recht: Der chinesische Premierminister hat die Industrieländer gar dazu aufgefordert, ihre unnachhaltigen Lebensstile zu ändern (siehe hier und hier).
Beunruhigend sind dagegen die neusten Daten und Projektionen zu den chinesischen Emissionen aus dem China Energy Report 2008 der Chinese Academy of Social Sciences.