Deutschland gilt mit vergleichsweise ambitionierten Emissionsminderungszielen, einem Erneuerbare Energien Gesetz und einer „Klima-Kanzlerin“ Merkel als Vorreiter in der Klimapolitik. Doch wie lässt sich diese Vorreiterrolle messen? Und wie übersetzt sich der selbst gesetzte Anspruch von Klimagerechtigkeit für die Bundesregierung?
Hierzu wurde gestern in Berlin eine Studie präsentiert, die das Greenhouse Development Rights Modell auf Deutschland anwendet und so den „fairen“ Beitrag Deutschlands an der globalen Anstrengung zur Lösung des Klimaproblems berechnet.
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Abbildung 6: Deutschlands Minderungsverpflichtungen Die Bundesrepublik muss gegenüber dem deutschen Emissionsniveau von 1990 im Jahre 2020 rund 84% der Treibhausgase reduzieren. Selbst wenn von 2013 an 6% der Treibhausgase jährlich innerhalb von Deutschland vermieden werden, müssen dann mehr als noch einmal so viele Emissionsreduktionen in anderen Ländern verantwortet werden. Ab dem Jahr 2022 sieht das Greenhouse Development Rights-Modell eine Minderungspflicht vor, die über 100% des deutschen Emissionsniveaus liegt. Quelle: Baer/Athanasiou/Kartha/Kemp-Benedict (2008) |
Das Konzept der Greenhouse Development Rights integriert die Entwicklungs- und Schwellenländer in den Klimaschutz, garantiert aber eine faire weltweite Lastenteilung. Erreicht wird dies über einen Indikator, der „Verantwortung“ und „Fähigkeit/Kapazität“ für alle Länder berechnet und die mit den Emissionsreduktionen verbundenen Zusatzkosten global aufteilt. Von den Industrieländern verlangt das Modell, dass sie tiefgreifendere Emissionsminderungsziele übernehmen müssen, als bisher diskutiert. Aber auch die Eliten in den Entwicklungs- und Schwellenländern werden zur Verantwortung gezogen.
Die daraus resultierende Forderung ist radikal: Um über 80 % müsste Deutschland seine Emissionen bis 2020 gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren, um die in der Klimarahmenkonvention verankerten Prinzipien von Klimagerechtigkeit zu operationalisieren und den globalen Temperaturanstieg auf maximal 2 °C gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Das offizielle 40 %-Ziel der Bundesregierung ist demnach nicht gerechtigkeitsfähig.
Aus diesem Minderungsziel für die Bundesregierung folgt eine doppelte Verpflichtung für Deutschland: Die Bundesregierung müsste nicht nur erhebliche Emissionsreduktionen im eigenen Land vornehmen, sondern auch den Klimaschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern kofinanzieren. Die magische Formel lautet: 40+40 für 2020 – nämlich 40 % Emissionsminderungen im Inland plus 40 % im Ausland bis zum Jahr 2020 (Basisjahr jeweils 1990).
Das ist der Maßstab, an dem der Süden das Engagement der Industrieländer messen wird. Denn ein Abweichen von dieser Größenordnung kann nur zweiterlei bedeuten: Entweder der Süden übernimmt ein erheblich höheres Maß an Verantwortung und Pflichten (und damit Kosten) und verliert so an Handlungsspielraum zur Verwirklichung der Menschenrechte und wirtschaftlichen Entwicklung für seine Bevölkerung – oder wir verfehlen das 2°C-Ziel und steuern dann auf eine absolute Klimakatastrophe zu.
Noch haben wir die Wahl. Und die Mittel allemal. Allein eine komplette Versteigerung der Emissionszertifikate im europäischen Emissionshandel würde der Bundesregierung mehr als genug Einnahmen bescheren, um ihre Hausaufgaben zu erledigen.