Nach dem EU Gipfel: Enttäuschung

Die EU hat es tatsächlich gewagt und begibt sich ohne verlässliche und konkrete Zusagen an die Entwicklungsländer über Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung in die nächste Runde der UN-Klimaverhandlungen, die in einer Woche in Bonn beginnen. Das kann man den Schlussfolgerungen entnehmen, die beim Europäischen Ratsgipfel gestern in Brüssel angenommen wurden.

Konkret heißt es darin unter anderem:

„Die Europäische Union ist weiterhin entschlossen, eine führende Rolle dabei zu übernehmen,
dass im Dezember 2009 in Kopenhagen ein globales und umfassendes Klimaschutzübereinkommen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf weniger als 2º C zustande kommt. Zu diesem Zweck verweist der Europäische Rat auf die Zusage der EU, als Beitrag zu einem solchen Übereinkommen ihre Emissionen um 30 % zu reduzieren, sofern sich andere Industrieländer zu vergleichbaren Emissionsreduzierungen und die fortgeschrittenen Entwicklungsländer zu einem ihren Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angemessenen Beitrag verpflichten.“

Ein Beitrag der EU von 30 % Reduktion bis 2020 ist aber keines Falls automatisch gleichbedeutend mit der Erreichung des 2 Grad Ziels, sondern hängt ganz maßgeblich davon ab, was andere auf den Tisch legen. Außerdem soll ein Großteil der 30 % in Entwicklungsländern erbracht werden.

„Für die Finanzierung von Folgenabschwächungs- und Anpassungsmaßnahmen, insbesondere
in den am stärksten gefährdeten Entwicklungsländern, sind erhebliche innerstaatliche und externe Finanzierungsquellen sowohl aus dem privaten als auch aus dem öffentlichen Sektor erforderlich. Die Europäische Union wird ihren Teil zur Finanzierung solcher Maßnahmen in
den Entwicklungsländern beitragen. Im Mittelpunkt künftiger Beratungen über die Bereitstellung
finanzieller Unterstützung sollten unter anderem verschiedene Konzepte wie ein beitragsbasiertes Konzept mit einer vereinbarten Skala, auf internationalen Vereinbarungen über
Versteigerungen beruhende marktbasierte Konzepte oder deren Kombination sowie weitere
Möglichkeiten stehen.“

Kann man das noch vager und verschlungener formulieren? Wenn ich ein Entwicklungsland wäre, würde ich mich mit diesen unkonkreten Aussagen nicht auf einen Entwicklungspfad einlassen, der CO2-arm verläuft, aber erhebliche Kosten verursacht, für die ich mich auf externe Unterstützung verlassen muss.

„Der Europäische Rat wird diese Fragen auf seiner Tagung im Juni weiter erörtern. Er betont,
dass internationalen Finanzierungsmechanismen noch eingehender geprüft werden müssen.
Der Europäische Rat wird rechtzeitig vor der Kopenhagener Konferenz Folgendes festlegen:
1) die Standpunkte der EU zu zentralen Konzepten für die Finanzierung der Folgenabschwächung, Anpassung, technischen Unterstützung und des Kapazitätenaufbaus, 2) die Einzelheiten des EU-Beitrags und 3) die Grundsätze der Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten. Dies wird auf der Grundlage von konkreten Vorschlägen der Kommission geschehen. In diesem Zusammenhang wird die Europäische Union den Bedürfnissen der am stärksten gefährdeten Entwicklungsländer besondere Aufmerksamkeit widmen.“

„Was ist rechtzeitig?“, lautet die Preisfrage. Bereits in Poznan hatten die Entwicklungsländer mit einer Zusage gerechnet. Im Juni soll bereits ein Entwurf des Verhandlungstextes stehen. Wie lange kann man da noch warten?

Im Klartext heißt das: Wir (die EU) behaupten zwar, dass wir weiterhin eine Vorreiterrolle übernehmen und unsere fairen Beitrag leisten wollen. Was das aber heißt, wissen wir nicht und bleiben daher vage. Zudem erwarten wir auch, dass andere erstmal etwas auf den Tisch legen, bevor wir uns irgendwie festlegen.

Die Haltung der deutschen Bundesregierung geht aus Angela Merkels Anmerkungen bei der Pressekonferenz der Regierung im Anschluss an den Gipfel hervor (Hervorhebungen durch mich):

„Ein wichtiges Thema war dann auch noch die Vorbereitung der Kopenhagener Konferenz. Wir haben den Bericht des Ausrichters, des dänischen Ministerpräsidenten, entgegengenommen und noch einmal unterstrichen, dass uns das Thema außerordentlich wichtig ist. Das heißt, das wir natürlich einen Erfolg dieses Treffens wollen und dass wir im Grundsatz auch bereit sind, gerade im Hinblick auf die Entwicklungs­länder, finanzielle Mittel aufzuwenden. Allerdings ist es wichtig, dass wir die Verhandlungsposition taktisch vernünftig aufbauen. Wir brauchen jetzt erst einmal Verpflichtungen zur Reduktion vonseiten anderer Teilnehmer dieser Konferenz.“

Jetzt darf man raten, wer diese anderen Teilnehmer sind. Da wäre zum einen die USA: Hier geht es um Fragen von Vergleichbarkeit der Anstrengungen der Industrieländer untereinander. Zum anderen – und noch wichtiger – sind aber wohl auch die großen Schwellenländer gemeint. Dabei wird immer wieder unter den Tisch gekehrt und vergessen, dass die Industrieländer bisher noch keine ihrer internationalen Reduktionsverpflichtungen und Finanzierungszusagen eingehalten haben und dass die CO2-Emissionen dort wachsen, anstatt zu sinken.

Die EU lässt sich auf ein gefährliches Pokerspiel ein. Die Entwicklungsländer haben spätestens in Poznan klar gesagt, dass sie sich auf solche taktischen Spielchen nicht einlassen wollen und fordern verlässliche Zusagen und konkrete Zahlen. Doch je konkreter es wird, desto mehr dringen die Verteilungskämpfe innerhalb der EU in den Vordergrund und verhindern – neben der Panik angesichts der allgemeinen und weltweiten Wirtschaftskrise – eine mutige und entschlossene Haltung auf internationaler Ebene.

Andere Stimmen:

  • „Die Europäische Union muss das Mikado-Spiel dringend beenden, damit die Unterzeichnung eines umfassenden Klimaabkommens im Dezember in Kopenhagen nicht in Gefahr gerät,“ heißt es dazu passend in der Presseerklärung von Oxfam Deutschland.
  • „EU verweigert Führungsrolle“ titel der WWF Deutschland in seiner Bewertung der Brüsseler Gipfelergebnisse.

Zur Bewertung der Haltung der EU verweise ich hier auf die sehr gute aktuelle Analyse der EC Communication durch das Third World Network.


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