Viele bezweifeln, dass der Kongress noch in diesem Jahr ein Klimagesetz verabschiedet. Die Wirtschaftslage ist mies, die Demokraten sind angesichts schlechter Umfragewerte nervös und die Republikaner auf Krawall gebürstet. Die Zeit wird knapp. Doch hinter den Kulissen wird weiter um einen überparteilichen Kompromiss gerungen. Senator John Kerry hat am Freitag angekuendigt, dass entgegen der gängigen Meinung ein umfassender Gesetzentwurf in Kürze vorliegt.
Rund um Capitol Hill wird heiß darüber spekuliert, wie ein solcher Kompromiss aussieht. Fest steht nur, dass ein umfassendes Klimagesetz, wie es vom Repräsentantenhaus verabschiedet wurde, vom Tisch ist. Die Karten werden neu gemsicht.
Eine der besten ihrer Zunft ist die Reporterin Juliet Eilperin von der Washington Post. Sie beschreibt hier die neuen Pläne für einen abgespeckten Emissionshandel. Dieser soll zunächst nur für Kraftwerke gelten. Fabriken und Industrieanlagen würden später in das System aufgenommen. Im Verkehr sollen Steuern erhoben werden.
Tom Friedman, der heimliche Superstar unter den Kolumnisten der New York Times, hat sich unlängst mit Lindsey Graham getroffen. Auf dem republikanischen Senator aus South Carolina ruhen die Hoffnungen der US-Klimaschützer. Doch Graham erklärt einen umfassenden Emissionshandel inzwischen für tot. Er ist weiter der einzige Konservative, der sich bislang offen für ein Klimagesetz ausspricht. In der NYT-Kolumne wird deutlich, warum. Graham argumentiert, die Republikaner dürften den Klimaschutz nicht den Demokraten überlassen, schon allein um der republikanischen Partei eine Zukunft zu sichern:
I have been to enough college campuses to know if you are 30 or younger this climate issue is not a debate. It’s a value. These young people grew up with recycling and a sensitivity to the environment — and the world will be better off for it. They are not brainwashed. … From a Republican point of view, we should buy into it and embrace it and not belittle them. You can have a genuine debate about the science of climate change, but when you say that those who believe it are buying a hoax and are wacky people you are putting at risk your party’s future with younger people. You can have a legitimate dispute about how to solve immigration, but when you start focusing on the last names of people the demographics will pass you by.
Bessere Aussichten für das Klimagesetz werden durch die Ankündigung konservativer Senatoren genährt, unter bestimmten Umständen mit JA zu stimmen. Einer von ihnen ist Lamar Alexander (Tennessee), der in einer Fernsehshow entsprechendes angedeutet hat, wie The Hills News Alert berichtet. Offen ist aber, wie weit Senator Alexander dabei gehen würde. Sein eigener Gesetzentwurf ist nur eine Schmalspurversion, regelt er doch viele Luftschadstoffe, lässt aber CO2 außen vor.
Über die republikanische Senatorin Collins aus Maine hatte ich schon an anderer Stelle berichtet. Elemente ihres Gesetzentwurfes für ein cap-and-dividend dürften weiter hoch im Kurs stehen für einen Kompromiss. Der Idee, die Bevölkerung mit einem Energiegeld zu unterstützen, dürfte auch Senaotrin Lisa Murkowski aus Alaska zustimmen. Die Republikanerin könnte sich bei einer solchen Lösung damit profilieren, die Erfahrungen aus dem Alaska Permanent Fund als Vorbild für das ganze Land einzubringen: Jeder Einwohner Alaskas erhält einmal im Jahr einen Scheck der Regierung zugeschickt, mit dem (ein Teil der) Erlöse aus dem Verkauf der Öleinnahmen verteilt werden. Im Jahr 2008 waren das mehr als 3.200 Dollar. Damit Murkoswki zustimmt, müsste der Gesetzentwurf neue Öl- und Gasbohrungen erlauben und den Neubau von Atomkraftwerken subventionieren.
Für letzteres dürfte auch John McCain sorgen. Der Senator aus Arizona war in den Jahren der Bush-Regierung eine der treibenden Kräfte, endlich den Klimaschutz anzupacken. McCain hat schon in 2003 einen ersten Gesetzentwurf für die Einführung des Emissionshandels eingebracht (und sich damit zeitweise zum Helden der Umweltbewegung gemausert). Mit seiner Präsidentschaftskandidatur 2008 hat sich der Maverick beim Klimathema jedoch von seiner einstigen Vorreiterrolle verabschiedet und konservative Standpunkte übernommen. Galt er früher noch als sichere JA-Stimme beim Thema, knüpft er seine Zustimmung jetzt an immense Forderungen in Sachen Atom, siehe New York Times.
Das Klimagesetz ist (noch) nicht tot. Die Karten werden neu gemischt. Die Demokraten und Präsident Obama brauchen 5-7 der Republikaner im Senat. Inhaltlich sind sie bereit, den Republikanern Zugeständnisse zu machen. Daran wird ein Kompromiss nicht scheitern. Am Ende des Tages wird von zwei Fragen abhängen, ob der Kongress dieses Jahr ein Klimagesetz verabschiedet: Erstens, schaffen es die Republikaner (bzw. ihre Führung), die eigenen Reihen geschlossen zu halten? Und zweitens, sind die Demokraten selbstbewusst genug, um in Zeiten der Wirtschaftskrise und den bevorstehenden Wahlen das Projekt Klimagesetz mit Priorität zu behandeln?
Zu letztere Frage empfehle ich dieses Interview mit Tom Periello, einem 34-jährigem Nachwuchs-Abgeordneten aus Virginia, der seinen Kollegen im Senat Hasenfüßigkeit vorwirft. Periello wurde für sein selbstbewusstes Eintreten für den Klimaschutz zur Zielscheibe republikanischer Fernsehspots, hat der junge Abgeordnete doch einen konservativen Wahlkreis in einem Kohle-Bundesstaat gewonnen. Die Umweltbewegung feiert ihn und organisiert Unterstützung im Wahlkampf. Seine Wiederwahl im November 2010 gilt als Lackmustest, ob Wähler im konservativen Herzland honorieren, wenn die Demokraten auch in Zeiten der Wirtschaftskrise an ihrer Reformagenda festhalten.