Die Strategie der Demokraten, das US-Klimagesetz als wirtschaftliche Modernisierungsstrategie für neue Arbeitsplätze und mehr Energiesicherheit zu vermarkten, hat bislang wenig Erfolg gezeigt. Zumindest ist weiterhin kein Republikaner in Sicht, um das Gesetz zu unterstützen. Mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko dreht sich jedoch der Wind und für die Demokraten bietet sich die vielleicht letzte Chance, eine Mehrheit zu organisieren.
Die amerikanische Öffentlichkeit reagiert zunehmend gereizt auf Ölpest und erwartet von der Politik ein starkes Durchgreifen gegen BP. Der Frust richtet sich auch insgesamt gegen big oil, also die großen Öl- und Gasmultis wie BP, Shell, Chevron und Exxon. Im Lager der Demokraten ist ein Streit über die Strategie vorwärts entbrannt (wie The Hill hier berichtet). Die Zentristen wollen daran festhalten, zögerliche Republikaner mit mehr Atomkraft und der bedingten Erschließung neuer Ölquellen zu umwerben. Das linke Lager will die Ölpest aber nutzen, um das Gesetz zu einem Referendum über big oil und Amerikas Abhängikeit vom Öl zu machen. Als Blaupause dafür wird auf die Abstimmung zur Finanzreform verwiesen. Da haben Republikaner nur deshalb für das Gesetz gestimmt, weil sie von den Demokraten in die Ecke gedrängt wurden: Eine Stimme für die Finanzmarktreform sei eine Stimme für Main Street, die Menschen im Lande. Jede nein-Stimme sei aber eine Stimme für Wall Street, also die in der Öffentlichkeit inzwischen so verhassten Börsen und Banken. Notgedrungen haben einige Republikaner für das Gesetz gestimmt und so den Weg für das Gesetz frei gemacht.
Man möchte meinen, dass kurz vor Ende der Wahlperiode – Zwischenwahlen sind im November – die richtige Strategie im Lager der Demokraten für das Klimagesetz feststünde. Denkste. Aber die Erfahrung der letzten zwei Jahre zeigt, dass Republikaner nur dann kooperativ waren, wenn sie mit dem Rücken zur Wand standen. Deshalb ist die Strategie, die Klimaberatungen in ein Referendum über big oil zu drehen, unter allen möglichen die beste Variante. Aus meiner Sicht wäre es fahrlässig von den Demokraten, die Gunst der Stunde verstreichen zu lassen.
Das sieht inziwschen wohl auch Präsident Obama so. Der Obama also, der sich bei den Klimaberatungen so lange zurückgehalten hat und noch vor kurzem eine Ausweitung der Ölbohrungen vor Amerikas Küsten gefordert hat. Die Ölkatastrophe hat den US-Präsidenten aber ein Stück geerdet. In seiner gestrigen Rede in Pittsburgh hat sich Obama für die Kappung von Subventionen Öl- und Gasindustrie ausgesprochen (welche das sein könnten, listet das Center for American Progress hier auf) und hat die Verabschiedung des Klimagesetzes weit nach oben auf seine persönliche Agenda gesetzt:
The votes may not be there right now, but I intend to find them in the coming months. (Applause.) I will continue to make the case for a clean energy future wherever and whenever I can. (Applause.) I will work with anyone to get this done — and we will get it done.
Kommentatoren (z.B. David Roberts von The Grist hier) werten Obamas Aussage so, dass er die Angelegenheit zur Chefsache macht. Damit erhöht er den Druck im eigenen Lager, das Klimagesetz erfolgreich durchzubringen. Geht die Abstimmung verloren, käme das einer Niederlage des Präsidenten gleich. Kaum vorstellbar, dass die demokratische Führung jetzt nicht alles, aber auch wirklich alles daran setzt, die Mehrheit hinzubekommen.