Kaffeesatzleserei statt Politik

Der US-Senat hat mit knapper Mehrheit dagegen gestimmt, der Umweltagentur EPA die Zuständigkeit zu entziehen, CO2 zu regulieren. Ein weiteres Energiegesetz wurde letzte Woche in den Senat eingebracht. Und die Ölkrise erhöht den Druck, BP abzustrafen. Was bedeutet das für die US-Klimadebatte? Viel Kaffeesatzleserei…

Die Resolution der Senatorin Lisa Murkowski („Lisas Dirty Air Act“) wurde mit 53 zu 47 Stimmen abgelehnt. Alle Republikaner, darunter auch erhoffte Ja-Stimmen für das Klimagesetz, und sechs Demokraten haben für die Resolution gestimmt. Befürworter und Klimaschutzgegner versuchen das Ergebnis als Rückenwind für ihre Position zu deuten. Das ist nicht mehr als Kaffeesatzleserei. Doch die Abstimmung verdeutlicht auch, welche schwache Lobby der Klimaschutz in der USA inzwischen hat, wie David Roberts auf The Grist treffend argumentiert.

Apropos Lobby. Selbige hat BP in der amerikanischen Öffentlichkeit so gut wie gar nicht mehr. Der Druck auf die Politik wächst, BP und big oil in der Ölkrise abzustrafen, die Standards für weiteres offshore-drilling zu verschärfen und Maßnahmen gegen Energieverschwendung einzuleiten. Diese Woche sind wieder mehrere Anhörungen des Kongresses, auf denen die Vorsitzenden der großen Energiekonzeren Rede und Antwort stehen müssen. Wie die New York Times berichtet, wäre mit einer solchen Gesetzesinitiative als Reaktion auf die Ölpest aber auch der Appetit des Senats in Sachen Energie- und Klimapolitik gesättigt. Ein umfassendes Klimaschutzgesetz inklusive eines nationalen CO2-Reduktionsziels und Emissionshandel wäre damit für diese Legislaturperiode vom Tisch.

Decken würde sich dieser Ansatz auch mit dem letzte Woche veröffentlichten „Practical Energy and Climate Plan“. Dick Lugar, ein gemäßigter Republikaner aus dem Kohlestaat Indiana, hat dieses halbherzige Energiegesetz ausgearbeitet. Natürlich sollen damit nicht nur die erneuerbaren Energien, sondern auch Atomkraft ausgebaut und die Öl- und Gasbohrungen ausgeweitet werden. Emissionshandel und nationales Klimaziel? Fehlanzeige. Erst gestern hat der von der Gemeinde der Klimaschtüzer lange Zeit hoch geschätzte Lindsey Graham (Republikaner aus South Carolina) seine Unterstützung für das Lugar-Gesetz verkündet – und seinen ehemaligen Klima-Mitstreitern Kerry und Lieberman endgültig den Rücken gekehrt. Flip-Flop nennt man das (z.B. auf Climate Progress) in Washington.

Abschließend: Der für einen Präsidenten wichtigste Berater in seinem Team ist der Chief of Staff im Weißen Haus. Er sorgt dafür, dass der Präsident zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und sein politisches begrenztes Kapital treffsicher einsetzt. Er ist das Nadelöhr, durch das (fast) alle Interessen durchmüssen, wenn sie vom Präsidenten als politisch relevant registriert werden sollen. Nach diesem Hintergrund ist Rahm Emanuel, Obamas Chief of Staff, ein echtes Hindernis auf dem Weg zum US-Klimagesetz. Obamas green cabinet – also Energieminister Steven Chu, EPA-Chefin Lisa Jackson und Chef-Umweltberaterin Carole Browner – hat regelmäßig dafür geworben, dass Obama das Thema zur Chefsache machen und damit dem Klimagesetz zum Durchbruch verhelfen solle. Aber wegen der unübersichtlichen Gemengelage und der Gefahr einer politischen Niederlage hat Emanuel (zusammen mit dem ökonomischen Beraterteam) seinem Präsidenten von Anfang an abgeraten, sich für ein umfassendes Klimagesetz einzusetzen. Für die Politjunkies unter uns der vielleicht interessanteste Hintergrund dieser Tage.


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