In den ersten zwei Jahren der Präsidentschaft Obamas hat sich die US-Umweltbewegung darauf konzentriert, ein Klimagesetz durch den Kongress zu drücken. Doch gegen die milliardenschwere Industrielobby hat man am Ende den Kürzeren gezogen. Das lag auch daran, dass die Gegenseite mit mehr Geld für Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit einflussreicher im politischen Prozess war. Oder doch nicht?
Eine neue Untersuchung der American University (pdf) kommt jetzt zum Schluss, dass die US-Umweltbewegung sogar mehr Geld ausgegeben hätte als die Industrie. Wie bitte? Aus vielen persönlichen Gesprächen und vertraulichen Übersichten weiß ich, dass die großen US-Stiftungen in den letzten Jahren Millionenbeträge in die Umweltbewegung „investiert“ haben, um dem Klimaschutz zum Durchbruch zu verhelfen. Doch die Gegenseite hat mehr. Die These, dass sich in der klimapolitischen Arena ebenbürtige Gegner gegenüber standen, ist völliger Humbug. Das ist der plumpe Versuch von industrienahen spin-doctors, Geschichte umzuschreiben. Die vermeintliche Waffengleichheit zwischen Industrie und Umweltbewegung suggeriert, dass nicht das große Geld, sondern die besseren Argumente gewonnen hätten. Dass einer der Autoren kurz vor der Veröffentlichung abgesprungen ist, weil dem Report die wissenschaftliche Seriösität fehlt, deutet auf die politische Manipulation des Textes hin. Joe Romm, der renommierte Klima-Blogger des Center for American Progress nimmt die Studie hier auseinander.
Über den Einfluss der diversen Lobbygruppen an der US-Klimagesetzgebung hatte ich schon mehrfach gebloggt (Rückschlag für die US-Klimapolitik und Blogs und andere lohnenswerte Lektüren). Einen lesenswerten Überblick legt nun Andreas Falke von der Universität Erlangen-Nürnberg mit Business Lobbying and the Prospects for American Climate Change Legislation (pdf) in der GAIA vor. Er geht der Frage nach, welche Rolle die US-Industrie in den Klimaberatungen eingenommen hat. Dabei skizziert er schön, wie heterogen die Industrie war, wie unterschiedlich ihre Interessen, wie komplex die Lage. Und wie viel Aufwand die Industrie betrieben hat, um den Gesetzgebungsprozess zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Allein das produzierende Gewerbe hat dazu 600 Lobbyisten angeheuert. Erkennbar wird, dass es neben den Verhinderern auch starke Stimmen aus der Industrie für ein Klimagesetz gab. Das große Paradoxon bleibt, dass alle industriepolitischen Interessen auf die ein oder andere Weise vom Klimagesetz profitiert hätten und das Gesetz trotzdem gescheitert ist. Ob Kohle-, Atom-, Gas-, Öl-, Stahl-, Auto- oder Chemieindustrie, für alle war irgendwo im Dickicht des 1000seitigen Gesetzesentwurfs ein Schmankerl versteckt.
Falkes Ausblick zum Ende hin erweist sich – leider – als realistisch:
There will be few positive signs regarding climate change coming out of Washington for the next two years. At any rate, the small window of opportunity for a comprehensive climate change bill has closed. Only a step-by-step approach toward reducing emissions appears possible in the foreseeable future.
Auf einen neuen Anlauf für ein großes Klimagesetz im Kongress wird man jetzt ein paar Jahre warten müssen. Immerhin, wenn die Umweltagentur EPA tatsächlich Klimagase reguliert und die Grenzwerte für traditionelle Luftschadstoffe verschärft, dürfte das vielen alten Kohlekraftwerken den Garaus machen. Ebenso werden die regionalen Emissionshandelssysteme den Druck erhöhen, Emissions einzusparen. Für neue Investitionen bleibt die Lage unübersichtlich. Rechnet es sich, jetzt Milliarden in neue Kohlekraftwerke in der Hoffnung zu investieren, dass es dauerhaft keine Klimagesetz gibt? Verlässliche Rahmenbedingungen sehen anders aus. Und so ist das Scheitern der Klimapolitik zwar extrem schädlich. Andererseits ist das kein Freibrief für die fossile Industrie. Für dirty coal und big oil verspricht das wenig Gutes.
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