Über den Wolken…

"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" - oder? (Bild: Oblivious Dude, Flickr)
"…muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" – oder? (Bild: Oblivious Dude, Flickr)

Die Europäische Union ist plötzlich wieder in den Mittelpunkt der Internationalen Klimapolitik gerückt. Mit ihrem Vorstoß, die internationalen Fluglinien in ihren Emissionshandel einzubeziehen, sollen Milliarden für den Klimschutz generiert werden. Bisher hat sich v.a. die USA gegen diese unilaterale Handlung, wie auch Arne Junjohann hier berichtete. Nun haben die USA Schützenhilfe von Indien bekommen. Beide Länder trennen Welten – v.a. die stark unterschiedlichen pro-Kopf-Emissionen. Doch gemeinsam will man gegen die Pläne der EU vorgehen. Doch sind die wirklich so schlimm?

 

1. Im Prinzip nein.

„Starting in January 2012, airlines flying into the EU will have to buy carbon permits if they exceed the emission norms set by the bloc. The costs of meeting emissions targets may raise airline fares for a transatlantic flight by between two euros ($2.72) and 12 euros, according to Jos Delbeke, the European Commission director-general for climate. “ (Quelle: Bloomberg)

Einen so geringen Preisanstieg von 2 bis 12 Dollar können die Fliegenden und Unternehmen sicher zahlen. Immerhin trägt diese Fortbewegungsart 3.5% zum weltweiten Klimawandel bei – mit der am stärksten steigenden Tendenz. Gleichzeitig sind die technischen Innovationen (z.B. Bio-Kerosin) fast so weit von der Realität entfernt (trotz des Kopenhagener Versprechens), wie ein kulturelles Umsteuern (weniger Fliegen). Beidem kann ein Preisanstieg helfen – egal wo auf der Welt. Ein höherer Preis für Flugtickets ist prinzipiell zu begrüßen, ebenso eine an Vermeidung gebundene Wirkung der zusätzlichen Einnahmen.

 

2. Nur mit verdrehten Prinzipien.

„“The permit is a penalty on all foreign carriers going to Europe,” Minister Ravi said. “The aviation industry is growing in our country, and we can’t be penalized for that.” “ (Quelle: Bloomberg)

Die großen Staaten des Globalen Südens, allen voran Indien und China, protestieren nun. Dem kann nur entgegengesetzt werden: Doch. Doch, auch Ihr müsst den Wachstumspfad im Mobilitätssektor ökologisch abfedern. Doch, auch Ihr müsst über Alternativen auf der Schiene zu den vielen Inlandsflügen nachdenken. Doch, auch Eure Flugindustrie muss über effizientere Antriebe nachdenken. Doch, wir Europäer dürfen an unseren Grenzen ökologische Barrieren errichten und wenn Ihr Ideen für solche bei Euch habt: immer her damit. Ich bin grün, d.h. für mich, die Internalisierung externer Kosten (= Verschmutzung muss was kosten) und die Sicherstellung von menschenwürdiger Entwicklung gehen Hand in Hand und lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Es sind nämlich die Eliten in Indien, die fliegen. Ihr ökologischer Fußabdruck ist schon jetzt größer als der vieler Westeuropäer. Gleichzeitig leiden aber v.a. die Armen in den großen Schwellenländern besonders unter dem Klimawandel. Hierbei handelt es sich also nicht um eine Gegenüberstellung von Nord und Süd, sondern von globaler Mittel- und Oberklasse und den unteren Klassen sozial und ökologisch Benachteiligter. Für letztere ist die neue EU-Verordnung nur ein Tropfen auf den heißen Stein – aber vielleich ein Anfang zu Größerem. Dies darf nicht zu einem falschen Gerechtigkeitsspiel werden – nur weniger* Fliegen ist gerecht.

 

3. Aus Prinzip bitte weitermachen!

“Retaliation could take the form of tit-for-tat taxes, restrictions on traffic rights for European carriers and could even impact European aircraft manufacturers.”  (Quelle: Bloomberg)

Doch schon wird über Vergeltungsmaßnahmen nachgedacht (zuletzt ein realitätsfremder Gesetzentwurf im US-Kongress). China und Indien werden sich auch spezielle Sachen ausdenken, um Druck auf die EU zu erzeugen. Dabei ist die EU-Verordnung weder sittenwidrig (solche „unilateralen“ Standards gab es schon in anderen Bereichen), noch gefährlich. Sie bedroht keine ernsthafte Industrie (bis auf die Billig-Airlines, welchen Dumpingangebote nun noch schwerer fallen werden) da ein Preisanstieg bei den Tickets auf Grund von Peak Oil und Kerosinpreisanstieg sowieso einkalkuliert sein dürfte.

Ich bin froh, dass die EU sich 2008 mal etwas getraut hat und ab 2012 den Flugverkehr endlich zur (Kima)Kasse bittet. Auch wenn bisher noch 85% der Zertifikate umsonst ausgegeben werden, ist es ein Anfang. Wie hieß es doch in Kopenhagen: „Stop talking, start acting!“ Die EU muss unbedingt standhaft bleiben, um nicht wieder ins moralische Klima-Niemandslands abzurutschen.

 

* „Weniger Fliegen“, das muss natürlich relativ gesehen werden. Die neuen Möglichkeiten des Transportes bieten ungeahnte Chancen für den interkulturellen Austausch und Versöhnung. Dennoch muss – gerade in Zeiten des Internets – mit der ausufernden Mobilität einer globalen Mittelklasse sorgsam umgegangen werden. Die sog. „Mobilitätseffizienz“ könnte als Leitparadigma gelten: wir sollten uns immer fragen „ist die Reise notwendig?“, „wie kann ich sie möglichst nachhaltig machen?“ aber auch „wieviel bin ich bereit dafür zu zahlen?“