Im Interview erklärt der Klimapolitische Sprecher der Bündnisgrünen Bundestagsfraktion, Dr. Hermann E. Ott, was sich hinter dem Kürzel „KLUG“ verbirgt und was er von der Europäischen Union konkret in Durban erwartet. Dabei schließt er indirekt auch Klimazölle zum Schutz der Vorreiter nicht aus.
Klima-der-Gerechtigkeit: Lieber Hermann, die Welt trifft sich in diesem Jahr im südafrikanischen Durban. Wirst Du hinfahren?
Hermann Ott: Ja, ich war schon bei der ersten 1995 in Berlin und danach bei fast allen Klimakonferenzen und fahre auch zur 17. nach Durban. Obwohl die Fortschritte in den letzten Jahren gering waren und man regelrecht verzweifeln könnte, bleibt der UN Prozess unverzichtbar. Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, ihm kann nicht nur national begegnet werden.
Hast Du noch Hoffnung in den UN-Prozess? Die USA sind faktisch ausgestiegen und andere große Emittenten stellen sich quer. Kann Europa das sinkende Schiff alleine reparieren?
Ohne Hoffnung kann man keine Klimapolitik machen. Aber Deutschland ist schwach und Europa auch. Die großen Industriestaaten richten sich anscheinend darauf ein dass bis 2020 nichts passiert – das ist ein Skandal! Denn Europa muss Vorreiter sein. Andere Länder sind entweder nicht Willens oder haben zu wenig politisches Gewicht. Im weltweiten Vergleich macht Europa ja durchaus einiges im Klimaschutz. Aber es reicht eben nicht, wenn man die wissenschaftlichen Daten zum Klimawandel ernst nimmt. Wir müssen demonstrieren dass Klimaschutz ökologisch und ökonomisch Sinn macht und andere Länder einladen dabei mitzumachen. Wir nennen das eine Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten (KLUG).
Meinst Du damit eine Koalition der Willigen?
Nein -wir wollen ja durch eine Vorreiterrolle die Nicht-Willigen zum Mitmachen bewegen. Am Ende müssen zwar alle ins Boot, um das Klimasystem zu stabilisieren – aber es müssen ja nicht alle zur selben Zeit einsteigen! Wir dürfen unser Handeln nicht von anderen abhängig machen sondern müssen tun was richtig ist.
Begeben sich die Vorreiterstaaten damit nicht in eine wirtschaftliche Schieflage?
Im Gegenteil! Hier geht ja hier um Zukunftstechnologien bei denen Europa und auch Deutschland durch eine Vorreiterrolle auch Marktführer sein können. Klimaschutz führt zu neuen Arbeitsplätzen. Gleichwohl kann es sein, dass eine Vorreitergruppe sich für einen geringen Zeitraum auch gegen Länder schützen muss, dies sich nicht um Klimapolitik kümmern.
Was müsste Europa in Durban konkret machen, um die Verhandlungen voran zu bringen?
Zunächst einmal müsste Europa endlich sein C02-Reduktionsziel bis 2020 auf 30% anheben, ohne zwar ohne Gegenleistung. Dieser Schritt ist überfällig und würde sich positiv auf die Verhandlungen niederschlagen. Und Europa muss erklären, dass es das Kyoto-Protokoll oder auf jeden Fall die wesentlichen Merkmale auf jeden Fall retten will. Wir haben schließlich bisher kein vergleichbares Abkommen. Über 100 am wenigsten entwickelte Länder und die verwundbaren Inselstaaten bauen auf das Kyoto-Protokoll – das sind neben den Schwellenländern unsere natürlichen Partner!
Nun geht es aber nicht nur um die Geschwindigkeit der Verhandlungen, sondern auch um die Richtung. Neben den Diskussionen über die Rolle und Ausgestaltung von Marktmechanismen, Kontrollen und Methoden sowie Finanzierung streitet sich die Weltgemeinschaft in Durban darüber, ob es weiterhin überhaupt ein rechtlich bindendes Abkommen geben kann. Ist die Zeit des Multilateralismus vorbei?
Nein, aber vielleicht ist die Zeit des „Universalismus“ vorbei, wo alle mitmachen müssen. Ein universelles und globales Abkommen zum Klimaschutz bleibt das Ziel. Aber derzeit ist es ja so, dass Länder wie die USA nicht nur nicht mitmachen wollen oder können, sondern die Verhandlungen stören. Auch die Ablehnung der Einbeziehung der Fluggesellschaften in den EU-Emissionshandel ist ein klimapolitischer Affront! Deshalb muss man ganz konkret checken, inwieweit man auch mit bestimmten Ländern oder Ländergruppen innerhalb des UN-Prozesses vorangehen kann. Man muss sich an den besten orientieren und sich nicht von den Zögerern und Zauderen die Politik diktieren lassen.
Und wie kann die Bundesregierung außerhalb der UNFCCC die Strategie des „KLUG“ folgen und den Klimaschutz voran bringen?
Wir haben uns in der Bundestagsfraktion 10 Punkte überlegt mit denen die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnerländern den Klimaschutz ganz konkret voranbringen könnte. Dazu gehören konkrete Projekte im Ausland, wie Yasuni ITT in Ecuador, dazu gehört aber auch ein nationales Klimaschutzgesetz und ein Abbau klimaschädlicher Subventionen. International muss die Bundesregierung Allianzen bilden mit den Ländern die den Klimaschutz voranbringen. In Bezug auf USA kann man immerhin die Kooperation mit progressiven Bundesstaaten, Städten und Regionen intensivieren. Letztlich müssen wir bei der Energiewende erfolgreich sein. Und unser außenpolitisches Paradigma ändern: Klimapolitik lässt sich nicht mit traditioneller geopolitischer Machtpolitik lösen. Denn gewinnen oder verlieren werden wir letztlich alle gemeinsam…