COP 17 in Durban – wo stehen wir am Anfang der zweiten Woche?

Wenn das hier eine der politisch schwierigsten Klimakonferenzen ist, die es gab, dann ist der Beginn der zweiten Verhandlungswoche zudem noch der schwierigste Zeitpunkt, um Diagnosen für den Ausgang zu machen. Wo stehen die Klimaverhandlungen hier in Durban in den entscheidenden Fragen? Und was erwartet uns in den kommenden Tagen?

Vereinfacht gesagt soll dieser Klimagipfel Fortschritt in folgenden Fragen bringen: 1. eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls sichern, 2. (weil Kyoto allein nicht genügt) ein Mandat und Fahrplan zur Verhandlung eines umfassenden und rechtlich verbindlichen Abkommens für alle Länder beschließen und 3. eine Entscheidung zur Implementierung des Green Climate Fund herbeiführen.

Im Laufe der ersten Woche ist nun vielfach die Debatte um die Substanz dieses Ergebnisses mit der um die Rechtsform vermischt worden. ‚Form follows function’ gilt zwar auch hier. Aber in der Funktion sind sich unsere Regierungen weniger einig als je zuvor. Und zudem ist es natürlich sehr bequem, wenn man sich immer hinter jemand anderem verstecken kann, der noch weniger tut als man selber bzw. auf den man den Finger zeigen kann, noch bevor es endgültig schief gegangen ist.

In der Verhandlungsschiene um die Zukunft des Kyoto-Protokolls sind wir sehr weit.  In konkreten Fragen gibt es zwar noch Arbeit bzw. Nachbesserungsbedarf (für die Expert/innen: in Fragen der „AAUs / hot air“ und bei den „accounting rules for LULUCF“). Aber der Text stand eigentlich letztes Jahr schon fest und könnte hier in Durban beschlossen werden und müsste dann noch mit den konkreten Emissionsreduktionszielen, die in Kopenhagen und Cancun auf den Tisch gelegt worden sind, gefüllt werden. Das Problem liegt jedoch darin, dass ein politischer Deal zur Zukunft des Kyoto-Protokolls eben damit zusammenhängt, wie das Ergebnis im anderen Verhandlungstrack (LCA – long-term kooperative action) aussieht.

Hierzu liegt jetzt seit dem Wochenende ein sog. „Amalgemated Text“ vor. Das ist kein Verhandlungstext, sondern eine Zusammenstücklung aller Beiträge, die in die Debatte eingebracht wurden. Und es gilt: Nichts ist beschlossen, bevor nicht alles beschlossen ist. Im Text befinden sich einige nicht so gute Vorschläge (z.B. die Response Measures, die Saudi Arabien immer wieder einbringt, um Entschädigung für erwartete Einbußen aus geringeren Ölverkäufen zu bekommen), andere gute fehlen (z.B. zu Schutzklauseln / Safeguards).

Klar ist auch hier: Technisch wäre es möglich, aus diesem Text bis zum Ende der Woche einen Verhandlungstext zu machen. Aber auch hier formulieren bestimmte Länder konkrete Konditionen, unter denen sie sich vorstellen können, einem Mandat für die Verhandlung zu einem rechtlich verbindlichen Abkommen zuzustimmen. Für positive Stimmung sorgte hier gestern der chinesische Minister, der signalisierte, dass China dazu unter konkreten Voraussetzungen (hierzu zählen u.a. eine Entscheidung zur zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls und Fortschritt beim Green Climate Fund und der langfristigen Finanzierung) bereit sei und sich zudem auch vorstellen könne, international rechtliche bindende Pflichten ab 2020 zu übernehmen. Hier deutet sich also eine mögliche progressive Allianz zwischen der EU, China, AOSIS und einigen anderen Entwicklungsländern an.

Doch ist hier wichtig zu vermerken: Wir sind nach Durban gekommen, um über ein Klimaregime nach 2012 zu reden. Die Debatte verschiebt sich aber derzeit in Richtung 2020, was eine gefährliche Lücke von 8 Jahren lässt – genau der Zeitrahmen, in dem der globale Peak der Emissionen stattfinden muss und in dem wir noch einen Emissionspfad einschlagen können, der uns dem 2 Grad Ziel zumindest näher bringt. Die Emissionsreduktionsversprechen, die die Industrieländer in Kopenhagen und Cancun auf den Tisch gelegt haben, hinterlassen eine gigantische Lücke von 10 Gigatonnen CO2 gegenüber diesem Pfad. Es gibt zwar Einigung, dass ein Prozess zur Schließung dieser Lücke her muss, aber keinen Plan, wie genau das stattfinden wird. Was wir auf keinen Fall wollen, ist, dass diese Ziele bis 2020 stagnieren.

Und auch in den Finanzierungsfragen sieht es weniger rosig aus: Was nützt uns der beste Green Climate Fund, wenn es keine Entscheidung gibt, auch verlässlich neue und zusätzliche Gelder dafür bereitzustellen. Eine Einigung auf einen Fahrplan, um das zu verhandeln, wäre das mindeste, was man sich für Durban erhoffen könnte – und auch das nur ein Schimmer von Hoffnung.

Die Kernfrage für die zweite Woche bleibt also: Wie können diejenigen Industrieländer, die sich auf eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls einlassen, sicherstellen, dass die anderen großen Emittenten (vor allem China und Indien) am Ende mitziehen? Und wie können sich diese wiederum für ein rechtlich verbindliches Abkommen auf den Weg machen, wenn sie keine Garantien dafür haben, dass sie die notwendige finanzielle Unterstützung und Technologien bekommen?

Die Antwort ist einfach: Indem sie es beide tun, Schritt vor Schritt gemeinsam vorangehen, die USA (auch Kanada, Neuseeland, Russland und ggf. Japan) links liegen lassen. Die Zeit für ein Entweder Oder ist längst vorbei.

Heute reisen die Minister/innen und einzeln Staatschefs an. Dann können die politischen Verhandlungen beginnen. Was wir aber zu Hause durch falsche Energiepolitik, fehlgeleitete Investitionen, klimablinde Entwicklungspfade, Deregulierung und ökonomische Fehlentscheidungen anrichten, können wir im Kontext der UNFCCC nicht lösen. Das ist bitter, macht aber deutlich, wie gering die Hoffnung auf einen Durchbruch in Durban sein darf.

Fast wünscht man sich das total Scheitern, das Zusammenbrechen des Verhandlungsprozesses  – und dann natürlich den Aufschrei, die Einsicht, die Umkehr. Aber viel wahrscheinlicher ist ein leises Scheitern, ein kaum merklicher Zusammenbruch – der dann von den Regierungen als kleiner Schritt in die richtige Richtung gedeutet wird.

 

 


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