Für mehr Klimaradikalismus!

Bild von http://intercontinentalcry.org/
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Kanada ist aus dem Kyoto Protokoll ausgetreten. Damit hat das Land noch einen drauf gesetzt, nachdem es schon früh angekündigt hat, bei einer zweiten Verpflichtungsperiode sowieso nicht dabei zu sein. Nun aber schon vor Ablauf dieser Periode fristgerecht die Scheidung einzureichen, das ist dreist. Premierminister Harper möchte damit Strafzahlungen von über 13 Mrd. US-Dollar vermeiden (wohl eher weniger), denn die kanadischen CO2-Emissionen stiegen seit 1990 um über 25% auf rund 580 t – vereinbart waren minus 6%! Ist das der Dolchstoß für die UN-Klimaverhandlungen? Welche Konsequenzen sollte die internationale Gemeinschaft jetzt ziehen? Welche Strategie wäre für die Klimabewegung angebracht? Warum hat Hubert Weiger Recht, wenn er mehr Druck auf Kanada fordert? Und warum brauchen wir hier einen Klimaradikalismus?

Das Problem war schon zur Geburt des Kyoto Protokolls bekannt: ein Austritt kann ohne Konsequenzen erfolgen. Alles, was ein Land zu verlieren hätte, wäre Reputation. Damit stand der internationale Klimaschutz von Beginn an auf wackeligen Beinen und eigentlich konnten sich die Expert/innen schon lange denken, dass eine kanadische Regierung, die den Klimawandel anzweifelt, kein Geld für dessen Verhinderung überweisen würde. Hinzu kommt die Erschließung der tödlichen Teersande im “Petro State“ Alberta.  Diese Vorahnungen machen die Entscheidung Kanadas aber nicht weniger schlimm. Im Gegenteil, es macht politisch wenig Sinn, nun den Schaden herunter zu reden. Eine Austrittswelle wird ausbleiben, weil die Staaten außerhalb Europas entweder mit überschüssigen Zertifikaten gut verdienen (v.a. Russland) oder moralisch fester gebunden sind (Japan, Mutterland des Kyoto Protokolls). Die einzig richtige Lösung sind nun harte Sanktionen gegen Kanada auf verschiedenen Ebenen. Das mag finanz-, handels-, kultur- oder machtpolitisch nicht für jede/n opportun sein, aber es muss ein Präzedenzfall geschaffen werden, der Strahlkraft hat: Wir lassen und nicht foppen – wer sich zum Klimaschutz bekennt, muss dafür gerade stehen (denn anders als die USA, hat Kanada Kyoto ja ratifiziert).

Der notwendige Klimaradikalismus beruft sich also nicht auf unmenschliche, finanzpolitisch waghalsige oder öko-autoritäre Fantasien, sondern ist der ehrlichste und direkteste Weg zur Abkehr vom Fossilismus und der an ihn geketteten Politik. Die Welt muss Kanadas Austritt persönlich nehmen. Das tat sie auch bei den USA, welche seit dem das Klima-Schmuddelkind waren. (Immerhin bemühte sich Obama zu Beginn seiner Amtszeit ein wenig um eine bessere Reputation!) da Kanada geopolitisch im Vergleich zu ihrem südlichen Nachbarn winzig ist, kann eine Schmuddelkind-Kampagne hier viel eher Effekt zeigen. Zudem ist in Kanada die Mehrheit der Bevölkerung von der Notwendigkeit des Klimaschutzes überzeugt und unterstützt Kyoto. Wenn Kanada nicht nur vom Climate Action Network, sondern vor der UNO von z.B. der EU als „Fossil“ gebrandmarkt wird, fällt das sehr negativ auf Harper zurück. Anders als in den USA legen die Kanadier/innen traditionell mehr Wert auf ihr Ansehen in der Welt. Das muss jetzt v.a. von der Klimabewegung und den NGOs getan werden. Die kanadische Zivilgesellschaft ist m.E. auch sehr viel kritischer gegenüber der eigenen Minderheitsregierung (Harpers Konservative holten 39% der Stimmen, jedoch 53% der Sitze) als in anderen großen Industrienationen.

Weitere Maßnahmen beinhalten eine verstärkte klimapolitische Ausrichtung des Welthandels. Das klingt radikal, wird aber im Rahmen der Diskussion um „border-adjustment-taxes“ (auch als „Klimazölle“ bekannt, siehe auch hier) schon lange durchdacht. Wie bei der aktuellen Diskussion um Emissionszertifikate für den Flugverkehr, soll und kann kein Land einzeln benachteiligt werden. Aber politische Rhetorik ist ja auch ein Mittel, welches nicht zu unterschätzen ist. Anstatt immer das Beispiel China zu nehmen, könnte von Frau Merkel mal öffentlich angedacht werden, wie sich der Handel der EU mit Kanada nach der Einführung einer CO2-Steuer auf Importe auswirkt. Darüber hinaus muss die EU nun noch stärker gegen den Import von Teersandöl vorgehen. Ottawa interveniert stark in Brüssel, um die Fuel Quality Directive in ihrem Sinne zu verändern. Hier muss gegengehalten werden: auch das sind wir Kyoto und dem Klima schuldig!

Zudem muss diplomatisch nun Kanada auf alle Füße getreten werden. Das Motto heißt von nun an: „Selbst wenn ihr ratifiziert, können wir uns ja nicht sicher sein!“ Erst wenn der Ruf ruiniert ist (bzw. ruiniert wird), sieht Kanada wohl ein, dass Kyoto nicht irgendein kleines Protoköllchen war, sondern ein – zwar ineffektiver aber – ungemein wichtiger erster Meilenstein der Weltrettung.

„Wie Sanktionen auch aussehen können, haben die UN-Staaten im Sommer verdeutlicht, erzählen Klimadiplomaten. Bei der Wahl zu den nicht ständigen Vertretern im UN-Sicherheitsrat standen Deutschland, Portugal und Kanada zur Wahl. Schon wegen des Regionalproporzes sei Kanada praktisch gesetzt gewesen, hieß es, bis die Kioto-Frage aufkam. Gewählt wurden Deutschland und Portugal.“ (Quelle: taz)

Die Gefahr besteht natürlich, dass Kanada sich nun noch enger an die USA schmiegt und die „Koalition der Ignoranten“ stärkt. Aber das geschah auch schon so, nur dass sich Ottawa stets hinter Washington verstecken konnte (zusammen mit anderen „Fossils“). Eine weitere Kritik am „Klimaradikalismus Post-Durban“ wäre, dass sich dann (noch) weniger Staaten trauen würden, einem neuen – dann hoffentlich sehr viel verbindlicherem – Vertrag beizutreten. Doch die politische Kraft, die hier zusätzlich aufgebracht werden muss, ist wenig im Vergleich zu jener, welche wir brauchen um ein „alles-doch-egal“ Regime fit für das 2°-Ziel zu machen.


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