Zum Amtsantritt von Barack Obama hofften viele (der Autor eingeschlossen) auf eine neue Ära in der US-Klimapolitik. Mit dem Scheitern eines nationalen Klimagesetzes im Sommer 2010 ist die Hoffnung der Ernüchterung gewichen. Inzwischen propagiert Obama den Ausbau aller Energien – ein Wahlkampfmanöver, um sich in Zeiten hoher Benzinpreise die Republikaner vom Hals zu halten?
Trotz wichtiger Erfolge in seiner ersten Amtszeit –verschärfte Abgasstandards für Autos, grüne Investitionen in Milliardenhöhe und CO2-Grenzwerte für neue Kohlekraftwerke – ist Obamas Klimabilanz durchwachsen. Der große Wurf einer nationalen Klimapolitik ist ausgeblieben. Obama habe eine „maue Klimabilanz“ kritisiert DIE ZEIT deshalb zu Recht und macht eine energiepolitische Kehrtwende Obamas in den letzten Wochen aus:
Vor drei Wochen wagte er den Tabubruch. In Cushing im US-Bundesstaat Oklahoma, dem wichtigsten Umschlagplatz für Rohöl in Amerika, baute er sich vor einer Pipelinewand auf und gab bekannt, den südlichen Teil der umstrittenen Keystone-XL-Pipeline zu genehmigen. „Heute werde ich meine Verwaltung anweisen, die bürokratischen Hürden zu überwinden“, sagte er. „Dieses Projekt hat Priorität.“
Barack Obamas Ansage ist eine energiepolitische Kehrtwende. All-of-the-above heißt die neue Strategie des US-Präsidenten. Er beendet damit den klassischen Konflikt Erneuerbare Energien versus Kohle und Atom. „Wir müssen jeden in Amerika produzierten Energieträger anzapfen“, fordert Obama. Jeden Energieträger – das heißt eben auch Öl, Gas und Atom. Auch wenn Klima- und Umweltschützer, bislang treue Gefolge des demokratischen Präsidenten, das kaum hören mögen.
Mit all-of-the-above schnappt sich Obama die Rhetorik der Republikaner, die vor allem dafür steht, den energiepolitischen status quo von möglichst viel fossil-nuklearen und möglichst wenig erneuerbaren Energien beizubehalten. Oder in Kurzform: „All of the above“ = „Drill, Baby, Drill“. Ob Obamas all-of-the-above Mantra ein Wahlkampfmanöver oder eine energiepolitische Kehrtwende ist, sei dahingestellt.
Mit diesem Kniefall vor der Ölindustrie frustriert er nicht nur die Umwelt- und Klimagefolgschaft (Klimablogger Joe Romm: Obamas worst speech ever). Obama signalisiert ihr auch, wie unwichtig sie für seine Wiederwahl ist. Sein Wahlkampfteam kalkuliert, dass die US-Öffentlichkeit angesichts hoher Arbeitslosigkeit und steigender Benzinpreise mehr Ölbohrungen dem Klimaschutz vorzieht. Umweltschutz solle im Wahlkampf demnach keine Rolle spielen (wie schon im Mai 2011 gebloggt.)
Das ist eine Betrachtung, die auf den ersten Blick einleuchten mag. Denn Obama könnte mit dieser Position eine offene Flanke gegen Angriffe der Republikaner schließen und einen Konflikt mit der übermächtigen Öl- und Gaslobby vermeiden.
Doch die Analyse springt kurz. Obama wird so oder so von Herausforderer Mitt Romney und den Republikanern für seine vermeintlich zu grüne Politik angegriffen. Die Ölmultis (z.B. Exxon) werden millionenschwere Wahlkampagnen schalten, um ihn aus dem Weißen Haus und möglichst viele Demokraten aus dem Kongress zu kegeln. Obendrein beraubt sich Obama der Möglichkeit, eine echte Energiewende einzuleiten, selbst in diesen ölhungrigen Vereinigten Staaten von Amerika. Einen Vorgeschmack auf eine solche Polarisierung im Wahlkampf hat Obama selbst vor wenigen Wochen mit dem überzeugenden Bild past vs future geliefert. Denn die Wählerinnen und Wähler in so umkämpften Swing States wollen erneuerbare Energien, von liberaleren Küstenstaaten wie Kalifornien, Oregon, New York State etc. ganz zu schweigen. Gewänne Obama die Wahl mit einem solchen Wahlkampf, wäre das ein Mandat zur Umsetzung einer nationalen Klimapolitik.
Foto oben links von Truthout.org unter CC BY-NC-SA 2.0. Foto Mitte von tarsandsaction unter CC BY 2.0.