Die fleißigen COP-Besucherinnen und -besucher kennen es schon: Das Gefühl von „Und täglich grüßt das Murmeltier“, wenn sich der „Klimazirkus“ wenige Monate nach dem letzten Gipfel wieder im Bonner Maritim zu Verhandlungen trifft. Wo kommen wir diesmal nochmal her? Ach ja, Durban. Da war doch was? War das nicht sogar der Durchbruch? Der Kater ist nicht ganz so schlimm wie nach Kopenhagen, insofern muss man halt anpacken und weitermachen.
So oder so ähnlich haben wohl einige in den letzten zwei Wochen gefühlt und gedacht, die den Klimaverhandlungen gefolgt sind. Und in diesem Fall lohnt sich tatsächlich ein kurzer Blick zurück auf das, was in Durban erreicht wurde. Im Stakkato (und nochmal nachzulesen hier): Eine Entscheidung zu einer zweiten Verpflichtungsperiode für das Kyoto-Protokoll, einen Grünen Klimafonds und ein Mandant zur Verhandlung eines rechtlich verbindlichen und für alle Länder gültigen Abkommens bis 2015, das dann 2020 in Kraft treten soll. Klingt doch eigentlich ganz klar, oder?
Eben nicht. Denn vor allem der kurze Text, der die letzte Entscheidung und damit auch die Einrichtung einer neue Arbeitsgruppe, der Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (dankbarerweise kurz nur „ADP“) enthält, gibt anscheinend noch einiges an Interpretationsspielraum. Und der wurde in Bonn auch voll ausgenutzt.
Die großen Schwellenländer, allen voran Indien und China, bestehen darauf, dass das neue Abkommen genauso für alle verbindlich ist wie das Kyoto-Protokoll, wir also in der Frage der Überwindung der alten Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern – die in der ökonomischen Realität vieler dieser Länder einfach keinen Sinn mehr macht – keinen Schritt weitergekommen sind. Die USA dagegen fordert dreist, dass bereits ab sofort jegliche Reduktionspflichten vor 2020 unter dem neuen Paradigma der „Gleichheit“ verhandelt werden müssten.
Die Gruppe der G77 musste jedenfalls angesichts der großen Spannungen zwischen ihren so unterschiedlichen Mitgliedern eine richtige Zerreißprobe bestehen, die zum öffentlichen Debakel wurde, als es „nur“ darum ging, ihren Repräsentanten für die Leitung der neuen Arbeitsgruppe ADP zu bestimmen. Geeinigt haben sie sich schließlich auf ein kompliziertes Rotationssystem.
Fast noch schlimmer sieht es bei den Kyoto-Verhandlungen aus: Kurz vor Durban hatte Kanada ja bereits seinen Ausstieg verkündet (und dann auch prompt nach Durban eingereicht). Japan und Russland sind nun offiziell nach 2012 nicht mehr dabei. Und Australien und Neuseeland ließen ihre Beteiligung geschickt offen, indem sie die angeforderten Reduktionsziele einfach nicht rechtzeitig einreichten. Vielleicht allerdings gar nicht so schlimm, wenn man bedenkt, dass die anderen auch nur das recycelt haben, was sie bereits in Kopenhagen eingebracht haben. Nicht umsonst stand also das Thema Lastenteilung und Gerechtigkeit in Bonn ganz oben auf der Tagesordnung.
Jedenfalls bleibt die EU der relevante Player, was die Zukunft dieses Klimaregimes angeht. Und sie investiert ja auch weiterhin in progressive Allianzbildung. Daher war es aber umso verheerender, dass sie angesichts der Blockadehaltung der USA und der Schwellenländer auf der einen und der Zerrissenheit der G77 auf der anderen, ihre Hausaufgaben für Bonn nicht wirklich erledigt hatte: keine Aufwertung des Reduktionsziels bis 2020, keine Gelder für den Grünen Klimafonds (der seine erste Sitzung auch erstmal auf den Sommer verschoben hat) und kein Vorschlag dafür, wie das Kyoto-Protokoll ergänzt werden muss, um die zweite Verplichtungsperiode zu ermöglichen.
Was bleibt, ist ein riesiger Haufen Arbeit für die Regierung Katars, die Ende des Jahres die nächste Klimakonferenz in Doha abhält. Alles das, was in Bonn nun nicht entschieden wurde, bleibt auf der Agenda. Es heißt also Großreinemachen im Klimaprozess: wie machen wir aus aktuell fünf Verhandlungstracks (für die Profis: SBSTA, SBI, LCA, KP und ADP) nun drei? LCA und KP müssen laut Beschluss in Durban in 2012 beendet werden (aber wie genau ist eben noch offen). Was von all dem, was wir einst in Bali auf die Agenda gesetzt haben, gehört nun wo verhandelt und beschlossen? Bei der Kimapolitik sind Prozessfragen immer hochpolitisch.
Ach ja, und bevor wir’s vergessen: Zwischen 2015 und 2020 sollen ja noch die globalen Emissionen ihren Höhepunkt erreichen und danach rapide sinken. Müsste doch irgendwo auf der Agenda der UNFCCC zu finden sein. Würde man doch denken, oder?
P.S.: Die Stadt Bonn hat dieses Mal nicht angekündigt, dass es sich um die letzte Sitzung im Maritim handelt, da das neue internationale Konferenzzentrum ja bald eröffnet wird. Das haben sie ja schon 2008, 2009, 2010 und 2011 getan.